Fünf Jahre nach "Wir schaffen das": So denken die Deutschen über die Flüchtlingspolitik

Angela Merkels Worte "Wir schaffen das" wurden zu einem Motto der Flüchtlingskrise. Fünf Jahre später hieß es für den ZDF-Journalisten Jochen Breyer nun, Bilanz zu ziehen. Für seine Reportage-Reihe "Am Puls Deutschlands" war er im Land unterwegs und zeigte: Die Kontroversen sind nicht weniger geworden.

Applaus am Bahnhof, "Refugees Are Welcome Her"-Sprechchöre und winkende, strahlende Flüchtlinge am Ende einer langen Reise: Es sind symbolträchtige Szenen, die sich 2015 auf zahlreichen Bahnhöfen in der ganzen Bundesrepublik abspielten und bis heute in Verbindung mit der sogenannten Flüchtlingskrise gebracht werden - ebenso wie Angela Merkels berühmten Worte "Wir schaffen das". Die Willkommenskultur ist aber nur eine Seite der Medaille, auf deren Rücken Ablehnung und Skepsis eingeprägt sind. Haben wir es also wirklich geschafft? Eine kontroverse Frage, die ZDF-Moderator Jochen Breyer für "#5JahreWirSchaffenDas", eine neue Folge seiner ZDF-Reportage-Reihe "Am Puls Deutschlands", durch ganz Deutschland führte. Am späten Mittwochabend wurde der Film ausgestrahlt - und er hatte einiges an Brisanz zu bieten.

Dass hier Meinungen aus ganz unterschiedlichen Welten hart aufeinandertreffen würden, wurde schon zu Beginn der Sendung klar, als einige Zuschauerreaktionen auf Breyers Aufruf unter dem Hashtag #5JahreWirSchaffenDas verlesen wurden. Während es auf der einen Seite hieß: "Wir haben es geschafft, Menschlichkeit zu zeigen", brandete von anderswo herbe Kritik auf: "Fünf Jahre 'Wir schaffen das' - alternativlos in den Untergang." Dennoch gelang es Jochen Breyer in der neunten Ausgabe seiner Sendung ein differenziertes Bild zu zeichnen, verschiedenen Meinungen eine Plattform zu geben und der noch immer emotional geführten Debatte durch Versachlichung ein Stück weit den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Der Düsseldorfer Marco C. etwa gehörte zu den vielen kritischen Stimmen, die sich im Vorfeld beim ZDF gemeldet hatten - aber der einzige davon, der sich zu einem Gespräch mit Breyer breitschlagen ließ. "Leider habe ich das Gefühl, dass sehr viele Kriminelle eingewandert sind. Man müsste viel härter durchgreifen", forderte er. Außerdem bemängelte er die fehlende Bereitschaft einiger Flüchtlinge, sich an die neue Kultur anzupassen, samt Spracherwerb und Einhaltung von Gesetzen. Dennoch entsprach Marco B. nicht dem Stereotyp eines unreflektierten Parolenschreiers, sondern hatte durchaus Verständnis für die Motive von Kriegsflüchtlingen. Trotzdem habe er das Gefühl, Flüchtlinge "wollen nur unter sich bleiben".

"Es gibt solche und solche"

Ist es also am Ende der fehlende Dialog, der es fünf Jahre nach "Wir schaffen das" verhindert, dass man von einem erfolgreichen Asylsystem sprechen kann? Gewiss ist es nicht die einzige Ursache, aber der Aspekt zählt ohne Frage zu den Hauptproblemen einer noch immer schleppenden Asylpolitik - so zumindest der Tenor des halbstündigen Films. Man müsse mehr darüber reden, urteilte auch Susanne R., wenngleich sie eine sachliche Diskussion noch immer als schwierig ansah. Als ehrenamtliche Deutschlehrerin habe sie "hoch motivierte Flüchtlinge" genauso erlebt, wie Unpünktlichkeit und fehlenden Respekt Frauen gegenüber: "Es gibt solche und solche."

In seiner neuen Heimat schaffen will es Muawjah F., der vor fünf Jahren als 16-Jähriger alleine nach Deutschland kam. Obwohl er mittlerweile viele Freunde und Bekannte in Deutschland hat, berichtete er Jochen Breyer, dass er sich nur teilweise willkommen fühle: "Ich fühle mich mehr zu Hause, als wenn ich jetzt nach Syrien kommen würde. Ich habe hier Freunde und Bekannte. Aber gleichzeitig fühle ich mich nicht zu Hause, wenn ich Rassisten oder die Kommentare in den Medien sehe." Bereits zweimal sei er angegriffen worden: "Das ist nur körperlich. Aber was Beschimpfungen angeht, ist es unzählbar."

Rechtsruck der Gesellschaft?

Aber längst nicht nur Flüchtlinge werden Ziel von Beleidigungen. Handan C., die als Tochter eines türkischen Einwandererpaares in Deutschland geboren wurde, berichtete im Film: "Wenn ich den Leuten sage, ich bin Deutsche, glauben sie mir das nicht, weil ich nicht deutsch aussehe. Ich werde nicht als Deutsche anerkannt und akzeptiert." In den letzten Jahren sei die öffentliche Meinung deutlich nach rechts gerückt, so ihre Einschätzung.

Fremdenfeindlichkeit, fehlender Dialog, träge Asylpolitik im Dschungel der Bürokratie: In nur 30 Minuten sprach der Film der "Am Puls Deutschlands"-Reihe viele Probleme an - auch die geringen Erfolgsaussichten Geflüchteter auf dem Arbeitsmarkt. "Das Parken in diesen Minijobs und unterschwelligen Berufen wird in vielerlei Hinsicht dem Potenzial der Mitarbeiter nicht gerecht. Da könnte viel mehr gehen", befand der Unternehmer Ludger B., der in seinem Unternehmen Flüchtlinge zu Industriemechanikern ausbildet.

Zeit, um auf alle Teilaspekte gebührend einzugehen, blieb Jochen Breyer aufgrund der knapp bemessenen Sendezeit nicht. Trotzdem lieferte "Am Puls Deutschlands - #5JahreWirSchaffenDas" ein wichtiges Mosaik aus Meinungen, Blickwinkeln und Problemstellungen rund um die deutsche Flüchtlingspolitik, das einen prominenteren Sendeplatz als den an einem Mittwochabend, um 22.50 Uhr, verdient gehabt hätte.