Legende tot: Eine irrwitzige PK machte ihn zur Ikone

Legende tot: Eine irrwitzige PK machte ihn zur Ikone
Legende tot: Eine irrwitzige PK machte ihn zur Ikone

Sogar der seriöse Guardian kam am Montag nicht umhin, das Schimpfwort „cunt“ in den ersten Absätzen seines Nachrufs auf Joe Kinnear prominent zu erwähnen. Es war die Referenz auf eine legendäre Pressekonferenz des damaligen Trainers von Newcastle United. Gleich zu Beginn beschimpfte er einen Journalisten als „Arschloch“.

„Wer ist Simon Bird?“, fragte Kinnear. Und als der angesprochene Reporter des Mirror sich meldete, entgegnete er: „Du bist ein Arschloch.“ Bird erwiderte: „Danke schön.“

Es war der Auftakt einer Schimpftirade, die sogar die „Grundgesetz“-PK der Bayern-Bosse Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß und dessen „Schlaumeier“-Kritik an einem Journalisten ebenso in den Schatten stellt wie Giovanni Trapattonis legendäre Wutrede 1998 („Flasche leer“).

Gut zehn Jahre nach Trap nutzte Kinnear eine Pressekonferenz zu einem denkwürdigen Rundumschlag gegen die Medien. Dem bemerkenswerten Wortwechsel zu Beginn folgten weitere Beleidigungen und Kraftausdrücke.

„F***“ in 28 verschiedenen Formen

Der Mirror zählte mit: In den ersten sechs Minuten fiel alle sechs Sekunden ein nicht jugendfreies Schimpfwort. Im Transkript des Guardian findet sich das Wort „f***“ in 28 verschiedenen Formen und Verwendungen.

Nachdem sich Kinnear so in Rage geredet hatte, versuchte der Pressesprecher darauf hinzuweisen, dass alle Aussagen „off the record“ gefallen seien. Vergebens. Auf Nachfrage, ob auch Kinnear das so sehe, meinte dieser lapidar: „Schreibt, was ihr wollt.“ Kinnears spätere Aussage dazu bedarf keiner wörtlichen Übersetzung: „F*** print it!“

Es war eine chaotische Zeit in Newcastle, als Kinnear 2008 als Interimstrainer nach dem Rücktritt von Kevin Keegan einsprang. Der Ire war zuvor vier Jahre ohne Job an der Seitenlinie. Nach einer erfolgreichen Zeit beim FC Wimbledon, den er 1994 überraschend auf Platz sechs der Premier League geführt hatte, sorgte er 2001 als Sportdirektor von Luton Town für Aufsehen, als er den Trainer entließ und sich selbst kurzerhand zum Coach beförderte.

Kinnear nur die Nummer 25 auf der Liste

2008 war Kinnear, der auch exotische Stationen in Indien und Nepal in seiner Vita vorzuweisen hat, laut Guardian nur die Nummer 25 auf der Liste der potenziellen Keegan-Nachfolger. Hinzu kam die schlechte Stimmung um den Klub und den umstrittenen Eigentümer Mike Ashley.

Als Kinnear am 7. Spieltag übernahm, steckte Newcastle nach nur einem Sieg bereits tief im Abstiegskampf der Premier League. Auf die Frage, wie lange sein Vertrag als Interimstrainer überhaupt läuft, fuhr Kinnear auf der PK einen Journalisten an: „Geht Sie nichts an!“

Aus einem Monat wurden zwei, schließlich musste Kinnear seine Tätigkeit nach acht Monaten in Folge eines Herzinfarkts aufgeben. Er erholte sich zwar wieder, doch 2015 wurde bei ihm Demenz diagnostiziert. Am Sonntag starb Kinnear im Alter von 77 Jahren.

Mirror-Journalist mit besonderer Würdigung

Als Spieler feierte der Rechtsverteidiger seine größten Erfolge mit Tottenham Hotspur. 1967 gewann Kinnear 1967 mit den Spurs den FA Cup, 1972 den UEFA-Cup sowie 1971 und 1973 den Ligapokal. In Erinnerung bleibt der 26-malige irische Nationalspieler aber vor allem wegen seines denkwürdigen Auftritts bei seiner letzten Trainerstation in Newcastle.

Auch Mirror-Journalist Bird, der sich von ihm beschimpfen ließ, sprach den Hinterbliebenen sein Beileid aus - und würdigte Kinnear auf besondere Weise: „Kaum eine Woche vergeht, ohne dass mich ein Fan auf X daran erinnert: ‚Joe Kinnear hatte recht‘, ‚Du bist derjenige, den Joe Kinnear ein Arschloch nannte.‘“