Fast neun Prozent wählen "Sonstige": Das sind die Kleinparteien

Bei der Bundestagswahl haben 8,7 Prozent der Wähler für Kleinparteien gestimmt. Das sind erstaunlich viele, es lohnt sich also, diese "sonstigen" einmal genauer zu betrachten.

Wähler bei der Stimmabgabe in einem Berliner Wahllokal in einer Turnhalle am 26.9. 2021.
So viel Auswahl wie nie zuvor: Insgesamt 47 Parteien traten bei der Bundestagwahl am gestrigen Sonntag an. (Bild: Steffi Loos/Getty Images)

Der Staub senkt sich und die Wahlergebnisse des gestrigen Sonntags kristallisieren sich immer klarer heraus. Während sich der Fokus hauptsächlich auf den Zweikampf zwischen den beiden "Großen" SPD und CDU richtet und die Frage, welcher Kanzlerkandidat die künftige Regierung bilden wird, gibt es ein erstaunliches Nebenphänomen. Die sogenannten "sonstigen", also die Kleinparteien, die unter die Fünf-Prozent-Hürde fallen, haben so viele Stimmen bekommen, wie selten zuvor. Insgesamt traten 47 Parteien zur Bundestagswahl an, 40 mit einer Landesliste, sieben nur mit Direktkandidaten. Darunter sind obskure monothematische Politiker und Splittergruppen etablierter Parteien. Es scheint einen besonderen Trend zu "Special Interest"-Parteien zu geben, denn vor vier Jahren traten noch fünf Parteien weniger an, 2013 waren es sogar lediglich 34 Parteien insgesamt.

Neue Konkurrenz für die Großen?

In der jüngeren Geschichte hatten die Kleinparteien nie mehr als insgesamt sechs Prozent der Stimmen erhalten. Mit Ausnahme der Wahl 2013, bei der die AfD erstmals antrat und mit 4,7 Prozent den Einzug in den Bundestag knapp verfehlte, so dass dann insgesamt elf Prozent auf die "sonstigen" fielen. Manche der "sonstigen" erhielten am Sonntag nur wenige hunderte Stimmen, andere Kleinparteien konnten aber offensichtlich vom Frust der Wähler mit den etablierten Parteien profitieren und fanden hunderttausende Wähler.

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Immer wieder hat sich eine neue Partei aus dem Wust der "sonstigen" herausgearbeitet und etabliert. Die Grünen waren es 1983, als sie erstmals den Einzug in den Bundestag schafften. Zuletzt konnte die AfD als neue Partei 2017 die Fünf-Prozent-Hürde überwinden, da allerdings direkt deutlich mit 12,6 Prozent. Die meisten Stimmen aller neuen Parteien bekam bei dieser Wahl die "Basis". Als Reaktion auf die Corona-Maßnahmen im Juli 2020 gegründet, gilt sie als politischer Arm der Querdenker-Bewegung. Bei der Bundestagswahl entschieden sich landesweit über 628.000 Wähler für die "Basis", das entspricht 1,4 Prozent aller Stimmen.

Der schwierige Sprung über die Hürde

Von den Kleinparteien bekamen nur die "Freien Wähler" (1.127.171) und die "Tierschutzpartei" (674.789) mehr Stimmen. Das entspricht immerhin 2,4 bzw. 1,5 Prozent. Die "Freien Wähler" hatten es bei den Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz im März bereits in den Landtag geschafft, in Bayern sind sie seit 2018 unter Führung von Hubert Aiwanger sogar an der Regierung beteiligt. Auch "Die Partei", das einstige Satire-Projekt von Ex-Titanic-Chefredakteur Martin Sonneborn, konnte wieder ein Prozent der Stimmen (461.487) sammeln, wie schon 2017. Doch der Weg in den Bundestag bleibt trotzdem weit. Ein gutes Beispiel einer Partei, die sich kurz als neue Bundestagsoption zu etablieren schien, um dann schnell wieder nahezu zu verschwinden, sind die "Piraten". Ab 2011 zogen sie als junge Partei mit digitalen Themen in mehrere Landtage ein, doch 2021 erhielten sie gerade einmal 0,4 Prozent der Stimmen (169.889).

Splitterparteien der Ehemaligen

Nicht selten gründen abgewanderte Politiker der Großen ihre eigenen Parteien. Auch 2021 gab es dafür prominente Beispiele. "Team Todenhöfer" etwa, die Partei des ehemaligen CDU-Politikers Jürgen Todenhöfer, kam aus dem Stand auf immerhin 214.281 Stimmen. Das entspricht zwar nur 0,5 Prozent, ist aber dennoch eine Wählerzahl, die etablierten Parteien ein wenig Sorge bereiten dürfte. Prominente Forderungen Todenhöfers sind unter anderem ein Ende aller Waffenexporte in Krisenregionen und Auslandseinsätze der Bundeswehr, sowie ein Verbot von Großspenden an politische Parteien. Und die Partei "Liberal-Konservative Reformer" (LKR) wurde vom Ex-AfD-Bundessprecher Bernd Lucke gegründet, nachdem er die AfD 2015 im Streit verlassen hatte. Doch der Erfolg ist bisher mäßig. Deutschlandweit bekam die LKR nur etwas mehr als 11.000 Stimmen.

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Ein Sonderfall ist übrigens der Südschleswigsche Wählerverband (SSW). Seit 60 Jahren war die Minderheitenpartei nur auf Landesebene angetreten. Nun dürfte sie dank der Befreiung von der Fünf-Prozent-Hürde einen Sitz im Bundestag bekommen. Diese Hürde soll eigentlich einen völlig zersplitterten und damit entscheidungsunfähigen Bundestag verhindern. Man erhoffte sich damit die Vermeidung einer zweiten Weimarer Republik. Wenn sich nun allerdings immer mehr Wähler für die Kleinparteien entscheiden, muss irgendwann die Diskussion eröffnet werden, ob ein Bundestag in der aktuellen Konstellation die Meinungsvielfalt in der Deutschen Gesellschaft noch akkurat abbilden kann. Ein Fingerzeig für die etablierten Parteien, welche Themen den Wählern wichtig sind, bleiben sie in jedem Fall.

(Alle Zahlen und Prozentangaben in diesem Text entsprechen dem vorläufigen Endergebnis der Auszählung.)

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