Fernsehen zum Fremdschämen: Maischbergers Untertanen-TV

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Vor knapp einhundert Jahren wurde in Deutschland der Adel abgeschafft. Seitdem sind Adelstitel nur noch x-beliebige Bestandteile des Nachnamens. Bis zum WDR hat sich das noch nicht herumgesprochen. Dort probt man anno 2016 eine Stunde lang den Bückling vor Überbleibseln einer Kaste, die es eigentlich gar nicht mehr gibt. „Ich stelle mich“, heißt das Format, das Sandra Maischberger für das Sommerprogramm des WDR produziert und gestern stellte sich die Unternehmerin Gloria von Thurn und Taxis.

Wem oder was sie sich stellte blieb unklar. Ihren Untertanen? Tatsächlich präsentierte der öffentlich-rechtliche Rundfunk am Sonntagabend eine Dauerwerbesendung für abgehalfterte Aristokraten, bei der Frau Maischberger Frau von Thurn und Taxis konsequent unterwürfig mit „Fürstin“ anredete. „Unerwartete Einblicke in das Leben der Fürstin“, hatte die Moderatorin angekündigt. Sie hatte nicht zu viel versprochen.

So erfuhren die Zuschauer, dass von Thurn und Taxis – deren heutiger Status darauf beruht, einen über dreißig Jahre älteren Millionär geheiratet zu haben – schon als Teenager wusste, dass sie einmal reich heiraten würde. Chapeau. Aber auch unter Adligen ist nicht alles eitel Sonnenschein. Erst kurz vor seinem Tod habe ihr Mann das erste Mal: „Ich liebe dich” gesagt. Selbstverständlich konnte das eine kritische Politikjournalistin so nicht stehen lassen. „Das ist schon etwas wenig, oder?“, bohrte Sandra Maischberger knallhart nach. „Ja“, musste die Witwe zugeben. „Das war doch keine leichte Ehe!“, stellte Frau Maischberger unmissverständlich fest.

Kaum hatte man die Ehetragödie der Dame verdaut, folgte der nächste Scoop. „Das ist eine Premiere, sie waren noch nie zu dritt im Fernsehen“, hyperventilierte Maischberger. Es folgte eine minutenlange Lobhudelei von Schwester („Es war immer alles toll“) und Bruder („Sie passt in keine Schublade“). Kurz darauf enthüllte Maischberger, dass die gute Gloria – Achtung Schock – sogar einmal gejobbt hat. Doch die Fürstendarstellerin gibt schnell Entwarnung. „Eigentlich hätte ich nicht arbeiten gemusst, weil sich mein Vater um uns gekümmert hat.“ Erleichterung im Fernsehsessel.

Doch wer behauptet, von Thurn und Taxis würde nur die Kohle ihres toten Gatten verwalten, der tut ihr unrecht. Als Kulturanthropologin („Der Schwarze schnackselt gerne“) und Sozialpsychologin („Schwule sollten zu Gott beten, damit sie mit ihrer Versuchung zurecht kommen“) bereicherte sie den wissenschaftlichen Diskurs. Natürlich provozieren so revolutionäre Thesen auch jene Nörgler, die bei Diskussionen auf Fakten beharren. Weil sich Maischberger den komplexen Gedankengängen ihres Gastes anscheinend nicht gewachsen fühlte, hatte sie sich Verstärkung von Bascha Mika, der Chefredakteurin der Frankfurter Rundschau, geholt. Mika durfte die Kritikerin geben und mit der konservativen Katholikin allen ernstes über das für und wider der Antibabypille streiten.

Zum Schluss hatten sich beide Frauen wieder ganz doll lieb und Frau von Thurn und Taxis tobte zur Belustigung ihres Hofstaats über die Bühne wie ein Eichhörnchen auf Ecstasy. Nach dem servilen Kniefall des WDR vor dem deutschen Hochadel wirkt jede Ausgabe von „Bauer sucht Frau“ wie ein Akt der Barmherzigkeit.

Autor: Frank Brunner

Foto: WDR/Max Kohr

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