Frühere israelische Sonderbotschafterin bei Maybrit Illner: „Europa verkauft seine Werte an den Teufel.”

Deutliche Worte an Deutschland: Die frühere israelische Sonderbotschafterin Melody Sucharewicz. Foto: Screenshot ZDF
Deutliche Worte an Deutschland: Die frühere israelische Sonderbotschafterin Melody Sucharewicz. Foto: Screenshot ZDF

Am Donnerstagabend diskutierte Maybrit Illner mit ihren Gästen über – Achtung Überraschung – Donald Trump und dessen einseitige Aufkündigung des Iran-Atomabkommens. Man könnte meinen, dazu sei bereits alles gesagt worden. Einen Tag zuvor hatte schon Sandra Maischberger in ihrer Talkshow über dieses Thema debattiert. Aber das war ja in der ARD. Gestern widmete sich das ZDF dem Konflikt.

Im ersten Teil der Sendung ging es jedoch weniger um den Iran, sondern um die von Trump beschlossene Verlegung der US-Botschaft in Israel von Tel Aviv nach Jerusalem – ein Affront gegen die Palästinenser, die den Ostteil der Stadt als Hauptstadt eines künftigen palästinensischen Staates beanspruchen. Bei Protesten gegen die Botschaftseröffnung am Grenzzaun zu Israel starben in den vergangenen Tagen mindestens 60 Menschen, weit über 2000 wurden verletzt. Wer ist schuld an der Eskalation?

Darüber diskutierten:

Melody Sucharewicz, frühere israelische Sonderbotschafterin. Die in München geborene Kommunikationsberaterin lebt seit 1999 in Israel.

Shahrzad Osterer. Die iranische Journalistin lebt seit 2004 in Deutschland und ist mit einem gebürtigen Israeli verheiratet.

Annalena Baerbock, Parteichefin der Grünen.

Peter Altmaier, Bundeswirtschaftsminister, CDU-Mitglied und enger Vertrauter von Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Claus Kleber, Moderator der ZDF-Nachrichtensendung „heute journal” und langjähriger USA-Korrespondent.

Ratlos im Zweiten (von links): Annalena Baerbock (Grüne), Peter Altmaier (CDU), Moderatorin Maybrit Illner (ZDF), Melody Sucharewicz (Lobbyistin), Shahrzad Osterer (Journalistin) und Klaus Kleber (ZDF). Foto: Screenshot ZDF
Ratlos im Zweiten (von links): Annalena Baerbock (Grüne), Peter Altmaier (CDU), Moderatorin Maybrit Illner (ZDF), Melody Sucharewicz (Lobbyistin), Shahrzad Osterer (Journalistin) und Klaus Kleber (ZDF). Foto: Screenshot ZDF

Thema Nummer eins: Die Botschaftsverlegung

Melody Sucharewicz begrüßte die Entscheidung des US-Präsidenten. „Trump die Toten in die Schuhe schieben wäre falsch, denn genau das wollen die Terroristen”, sagte Sucharewicz. Der Marsch zum Grenzzaun sei von der palästinensischen Terrororganisation Hamas lange vor der Botschaftseröffnung geplant gewesen.

ZDF-Mann Claus Kleber sieht das ähnlich. „Die gewalttätigen Proteste kann man nicht Trump in die Schuhe schieben.” Kleber betont aber auch: Durch seine symbolische Geste hat er zusätzlich Öl ins Feuer geschüttet.”

Thema Nummer zwei: Die Aufkündigung des Iran-Atomabkommens

Sucharewicz kritisierte die deutsche Haltung, am Vertrag mit dem Iran festzuhalten. Das Atomabkommen habe Makel; die Milliarden, die der Iran von Europa bekommen hat, seien in die Militärmaschinerie des Mullahstaates geflossen – unter anderem in ballistische Raketen, die die Hamas auf Israel richte, so die frühere Sonderbotschafterin und fügte hinzu: „Ich wünsche mir von Deutschland mehr politische Solidarität mit Israel.” Sie könne nicht nachvollziehen, warum die deutsche Regierung nicht sagt, dass Trumps Aufkündigung „ein Meilenstein ist, um die Sicherheit Israels zu verbessern.”

Dann wurde Sucharewicz deutlich: „Europa verkauft seine moralischen Werte an den Teufel und das nur für wirtschaftliche Interessen.” Manchmal glaube sie, dass „die Politiker in Europa alle verrückt geworden sind.” Die EU kritisiere Trump und besänftige die Ajatollahs, monierte sie.

Die iranische Journalistin Shahrzad Osterer widersprach Sucharewiczs These, Israel werde vom Iran in seiner Existenz bedroht. „Praktisch ist eine Vernichtung Israels nicht möglich; Israel besitzt Atombomben, der Iran nicht – und das ist den Iranern auch bewusst.”

Kabinettsmitglied Altmaier wirkte kurzzeitig irritiert, angesichts der scharfen Angriffe. „Wir stehen seit Jahren an der Seite Israels, aber einseitige Maßnahmen nehmen wir als Europäer nicht vor”, erklärte der Bundeswirtschaftsminister. Seine Regierung habe Menschenrechtsverletzungen im Iran immer kritisiert, aber Krieg sei keine Lösung. Altmaier: „Wir wollen das Atomabkommen mit dem Iran.”

Grünen-Chefin geht auf Distanz zur USA

Annalena Barbock ist sich mit Altmaier einig: Die Aufkündigung des Abkommens sei ein Problem. Im Gegensatz zum CDU-Politiker fordert die Grüne indes eine härtere Haltung der Europäischen Union gegenüber den USA. Trump wolle Europa spalten, deshalb brauche es eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. Notfalls müsse Europa das Atomabkommen mit anderen „schwierigen Partnern” retten, etwa mit Russland oder China. Baerbock plädierte zudem für Vergeltungszölle.

Der Satz des Abends kam von ZDF-Mann Kleber: „Die Lage ist viel zu kompliziert, um zu sagen, hier sind Bösen, dort die Guten.” Das stimmt. Gleichzeitig illustrierte Klebers Aussage auch, wie ratlos Deutschland bis heute der Politik des US-Präsidenten gegenüber steht.