Fußball-WM: Bundestag nutzt Zeit, um unbeliebte Gesetze zu beschließen

Während sportlicher Großevents verabschiedet der Bundestag gern unliebsame Gesetze. (Bild: Getty Images)
Während sportlicher Großevents verabschiedet der Bundestag gern unliebsame Gesetze. (Bild: Getty Images)

Die Bundesrepublik im Fußball-Fieber: Seit einigen Tagen ist Politik für viele Bürger zweitrangig – wichtiger scheint vielmehr, wie sich die deutsche Fußballnationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft in Russland schlägt. Der Politik kommt das zugute. Denn während ganz Deutschland vor dem Fernseher jubelt, beschließt der Bundestag oft Gesetze, die üblicherweise für mehr Unmut in der Bevölkerung sorgen würden.

Nicht einmal vierundzwanzig Stunden waren seit der Eröffnung der Fußball-Weltmeisterschaft vergangen – da stimmte der Bundestag am vergangenen Freitagvormittag mit Regierungsmehrheit einer Erhöhung der Parteienfinanzierung zu. Statt 160 Millionen Euro fließen in Zukunft staatliche Zuschüsse in Höhe von 190 Millionen an die deutschen Parteien.

Die Kritik im Parlament an dieser Vorgehensweise war enorm: Oppositionsparteien warfen der Regierung vor, ihren Gesetzentwurf im Hauruckverfahren durch das Parlament zu bringen. Marco Buschmann von der FDP sagte im Plenum: „Mit diesem Verfahren sind sie abgewichen von einem jahrzehntealten Verfahren, dass Änderungen des Parteiengesetzes vorher mit allen Parteien besprochen werden.“

Am 15. Juni, dem zweiten Tag der Fußball-WM in Russland, beschloss der Bundestag eine Erhöhung der Parteienfinanzierung um 25 Millionen Euro. (Bild: Getty Images)
Am 15. Juni, dem zweiten Tag der Fußball-WM in Russland, beschloss der Bundestag eine Erhöhung der Parteienfinanzierung um 25 Millionen Euro. (Bild: Getty Images)

Ganz so überraschend kam der Beschluss jedoch nicht. In der Vergangenheit nutzte der Bundestag immer wieder das EM- und WM-Fieber der Deutschen aus, um unbeliebte Gesetze durchzubringen.

WM 2006 – Neues Haushaltsbegleitgesetz

Ähnlich ging es bei der WM 2006 in Deutschland zu. Der Bundestag nutzte die Ablenkung der Bevölkerung und hob in einer historischen Sitzung den Mehrwertsteuersatz von 16 auf 19 Prozent an.

WM 2010 – Gesundheitsreform

Während der Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika verabschiedete die schwarz-gelbe Regierung im Sommer 2010 eine Erhöhung der Krankenkassenbeiträge von 14,9 auf 15,5 Prozent.

EM 2012 – Gesetzesentwurf zur Fortentwicklung des Meldewesens

Ein weiteres Beispiel ist die Reform des Meldewesens. Diese wurde am 28. Juni 2012 kurz nach halb neun Uhr abends in nur 45 Sekunden vom Bundestag beschlossen – von lediglich 30 Abgeordneten!

Die meisten Politiker befanden sich zu dem Zeitpunkt nämlich bereits vor dem Fernseher, um das Halbfinale Deutschland gegen Italien zu verfolgen. Besonders heikel war der Umstand, dass sich in dem harmlos klingenden Meldereformgesetz ein Passus befand, der es Kommunen möglich gemacht hätte, Daten aus dem Melderegister an Adresshändler und Werbefirmen weiterzuverkaufen. Die Gesetzesnovelle kam letztendlich aber doch nicht zustande: In den sozialen Netzwerken kursierte schon bald nach dem Beschluss ein Video, das den fast leeren Bundestag zeigte. Wenig später kassierte der Bundesrat das Gesetz wieder ein – zu wenige Abgeordnete hatten abgestimmt.

WM 2014 – Lebensversicherungsreformgesetz

Beim Sommermärchen in Rio schoss Mario Götze die deutsche Nationalmannschaft zu ihrem vierten WM-Titel. In Berlin beschloss der Bundestag zu dieser Zeit eine Reform der Lebensversicherungen, die deutliche Erhöhungen für Sparer brachte.

EM 2016 – Erbschaftssteuerreform

Mit großer Mehrheit hat der Bundestag im Juni 2016 eine Anpassung der Erbschafts- und Schenkungssteuer verabschiedet. Damit sollten konkret Firmenerben auf großzügige Weise steuerlich begünstigt werden. Der Bundesrat verwies die Neuregelung allerdings in den Vermittlungsausschuss. Nach einer Abänderung des Gesetzestextes wurde der Kompromiss schließlich im folgenden Herbst von Bundestag und Bundesrat durchgewunken.

Weihnachten 2017 – Diätenerhöhung für Bundestagsabgeordnete

Auch ihre Gehaltserhöhungen boxen Bundestagsabgeordnete nach Möglichkeit dann durch, wenn die Republik gerade Besseres zu tun hat. Mitten in der Adventszeit, nur wenige Tage vor Heiligabend, verschafften sich Deutschlands Volksvertreter im vergangenen Dezember eine Diätenerhöhung von 2,5 Prozent.