Gefährdetes Nordirland-Protokoll: EU zeigt GB Zuckerbrot und Peitsche

Deutschland und Irland sehen im geplanten britischen Gesetz zum Aushebeln der "Brexit"-Regeln für Nordirland einen klaren Verstoß gegen internationale Vereinbarungen, so die Außenminister Annalena Baerbock und Simon Coveneyin einem Beitrag für das Sonntagsblatt «Observer» : «Es gibt keine gesetzliche oder politische Rechtfertigung für den einseitigen Bruch eines internationalen Vertrags, der erst vor zwei Jahren in Kraft getreten ist». Das Gesetz werde «eine neue Reihe von Unsicherheiten schaffen und die Suche nach einer dauerhaften Lösung erschweren».

Die konservative Regierung von Premierminister Boris Johnson will das Nordirland-Protokoll außer Kraft setzen, das sie im Zuge des „Brexits“ mit der EU vereinbart hatte.

EU-PARLAMENT

Im Europäischen Parlament kamen bei einer Sitzung zu dem Thema Aufrufe zur Einheit auf. Die tschechische EU-Ratspräsidentschaft hat durch ihren Minister für europäische Angelegenheiten versprochen, sich der Herausforderung Londons zu widersetzen und die Interessen der europäischen Bürger zu verteidigen.

Maroš Šefčovič, Vizepräsident der Europäischen Kommission, zuständig für "interinstitutionelle Beziehungen (mit dem EU-Parlament) und Vorausschau":

„Es ist definitiv an der Zeit, dass die Länder einig auftreten, die die gleichen Werte teilen, denn östlich unserer Grenzen stehen wir vor einer großen Herausforderung und es ist definitiv nicht der Moment, internationales Recht zu brechen".

HARTE GRENZE ODER ZOLLGRENZE

Das Nordirland-Protokoll sollte eine harte Grenze zwischen der britischen Provinz und dem EU-Mitglied Irland und damit neue Konflikte in der früheren Bürgerkriegsregion verhindern. Allerdings ist dadurch eine Zollgrenze zwischen Nordirland und dem Rest Großbritanniens entstanden.

Šefčovič sagte, die EU sei bereit, mit Großbritannien praktische Lösungen für die Probleme zu finden, die das Protokoll aufwerfen könnte. Aber wenn schließlich das britische Gesetz verabschiedet werde (um das Protokoll zu ändern), werde die EU mit Maßnahmen reagieren, auch mit den im Vertrag vorgesehenen. Beim Protokoll von Nordirland geht es auch um das Karfreitagsabkommen, das Jahrzehnte sektiererischer Gewalt in Nordirland beendet hatte.

NORDIRLAND-PROTOKOLL

Das "Protokoll zu Irland und Nordirland" ("Protocol on Ireland and Northern Ireland") oder kurz "Nordirland-Protokoll" ("Northern Ireland Protocol") ist eine Vertragsklausel des "Brexit"-Austrittsabkommens zwischen Großbritannien und der Europäischen Union. Das Protokoll trat am 1. Januar 2021 in Kraft. Es betrifft die innerirische Grenze zwischen der Republik Irland und dem zu  Großbritannien gehörenden Nordirland und soll vor allem verhindern, dass an dieser stationäre Grenzkontrollen stattfinden. Hintergrund ist, dass seit dem Karfreitagsabkommen die Grenze zwischen Irland und Nordirland offen ist. Durch den Austritt des Großbritanniens aus der EU (inklusive Zollunion und Binnenmarkt) wären jedoch ohne eine entsprechende Vereinbarung wieder Warenkontrollen an der inneririschen Grenze notwendig geworden. Dies hätte den Nordirlandkonfliktneu entflammen können.

su mit dpa