"Geschossen wird auf beiden Seiten": Hitziger Ukraine-Streit bei "maischberger"

Diese Konstellation versprach ordentlich Zündstoff. Marieluise Beck (Grüne) und Klaus Ernst (Linke) debattierten zu Ukraine-Krieg und Sanktionen. Die Diskussion machte einmal mehr deutlich, wie weit die Positionen zweier sich als progressiv verstehender Parteien auseinanderliegen können.

Marieluise Beck (Grüne) und Klaus Ernst (Linke) nahmen bei
Marieluise Beck (Grüne) und Klaus Ernst (Linke) nahmen bei "maischberger" gegenteilige Positionen zum Ukraine-Krieg und dem deutschen Umgang damit ein. (Bild: ARD)

Sahra Wagenknechts Rede im Bundestag schlug hohe Wellen: Die Linken-Politikerin forderte vehement ein Ende der Sanktionen gegen Russland und erntete scharfe Kritik. Bei "maischberger" wurde am Mittwochabend einmal mehr leidenschaftlich und emotional gestritten zu Sanktionen, Waffenlieferungen und der Möglichkeit von Friedensverhandlungen. Zwischen der Osteuropa-Expertin Marieluise Beck (Grüne) und Linken-Politiker Klaus Ernst war die Kontroverse vorprogrammiert.

Ernst gestand bezüglich Wagenknechts Rede zwar ein, man könne über den Begriff "vom Zaun gebrochen" bezüglich eines "Wirtschaftskriegs" streiten. Aber es sei Fakt, dass Deutschland die wirtschaftlichen Sanktionen verfügt habe. Die Bundesrepublik sei an einem Wirtschaftskrieg beteiligt. "Die einen führen ihn, die anderen versuchen, sich zu wehren - und drehen uns das Gas ab", argumentierte der Linken-Politiker. Seiner Meinung nach sei es "erstaunlich", dass Russland überhaupt so lange Gas geliefert habe.

Beck entgegnete, dass Putin bereits vor dem Überfall auf die Ukraine begonnen hätte, einen Gaskrieg gegen Deutschland zu führen: "Bevor Putin den Überfall auf die Ukraine losgetreten hat, sind die Gasspeicher bei uns von Russland nicht mehr so gefüllt worden, wie vereinbart war." Der Kreml-Chef habe das Ziel verfolgt, "uns in die Knie zu zwingen, damit wir mit den Menschen in der Ukraine nicht solidarisch sind".

Klaus Ernst reagierte auf Marieluise Becks Aussage, man sei
Klaus Ernst reagierte auf Marieluise Becks Aussage, man sei "kalt" gegenüber den Menschen in der Ukraine entrüstet. Gastgeberin Sandra Maischberger (von links) musste ihn beruhigen. (Bild: ARD)

Ernst: "Die Amerikaner freuen sich sehr darüber"

Ernst erklärte, Deutschland und Europa hätten einen Rückgang der Industrieproduktion zu verzeichnen. "Die Amerikaner freuen sich sehr darüber." Dies sei sein wichtigster Punkt: "Weil sich auf Dauer die Konkurrenz-Beziehungen zwischen den USA und der Bundesrepublik Deutschland und Europa dramatisch zugunsten der USA verschieben."

Dafür seien die Sanktionen gegen Russland verantwortlich und müssten hinterfragt werden. "Nicht alle" - den Oligarchen könne man gerne "ans Leder" - "am besten gleich den ukrainischen mit". Nach Ansicht Becks hingegen sei die deutsche Abhängigkeit von russischen Lieferungen schuld an den hohen Energiepreisen: "Wir müssen jetzt ein Umstellen bewerkstelligen."

Beck erwiderte, sie sei erstaunt über "die Kälte" in Teilen der Linken gegenüber den Menschen in der Ukraine - Ernst reagierte entrüstet. Beck setzte nach: "Es geht nicht um die Rückeroberung von Gelände, sondern es geht tatsächlich um die Befreiung von Menschen, von Willkür, von Folter, von Vergewaltigung." Dies schaffe die ukrainische Armee unter großen Opfern. Dafür erhielt sie großen Applaus des Studiopublikums. "Wir haben die russische Aufrüstung finanziert", bilanzierte Beck zu russischen Energielieferungen.

Klaus Ernst hatte sichtlich Mühe, nicht zu emotional zu werden. Zunächst wies er entschieden von sich, dass ihn das Schicksal der Ukrainerinnen und Ukrainer kaltlassen würde, "nur weil ich eine andere Position zu diesem Krieg habe". Waffenlieferungen führten dazu, dass dort immer mehr Menschen getötet würden. "Russland hat den Krieg angefangen. Aber geschossen wird auf beiden Seiten", erklärte der Linken-Politiker. Außerdem: "Wenn sie was für die Ukraine übrig haben, beenden sie die Sanktionen." Russland verdiene an diesem Krieg, als Beweis führte Ernst einen Zettel mit, auf dem Gazproms Umsatz- und Gewinnsteigerungen abgebildet waren.

Marieluise Beck reagierte amüsiert, als der Linke Klaus Ernst mit der Nato argumentierte. (Bild: ARD)
Marieluise Beck reagierte amüsiert, als der Linke Klaus Ernst mit der Nato argumentierte. (Bild: ARD)

Beck: "Da können nicht die USA und Putin über die Ukraine verhandeln"

Klaus Ernst glaubt, ein Ende des Krieges sei nur mit "echten Verhandlungen" zu erreichen. "Verhandlungen sind das Gebot der Stunde, sonst geht der Krieg noch Jahre weiter." Der russische Außenminister Lawrow habe gesagt, Russland wolle verhandeln. Dies müssten Russland und die USA tun.

Marieluise Beck sah das ganz anders. "Da können nicht die USA und Putin über die Ukraine verhandeln wie früher die Kolonialmächte." Außerdem habe die Ukraine nach der russischen Besetzung der Krim mit Russland über eine Friedenslösung verhandelt und der erzielte Vertrag sei gebrochen worden. Putin habe zudem am Dienstag verlauten lassen, keine Verhandlungen zu wollen. Beck plädierte zudem für Waffenlieferungen: "Wie die aktuelle Lage zeigt, können sie den Krieg verkürzen." Die Grünen-Politikerin habe Angst, dass im Falle eines russischen Sieges die europäische Friedensarchitektur zusammenbreche.

Diese Befürchtung teilte Ernst nicht. "Die Angst vor den Russen halte ich für einen absoluten Blödsinn." Schließlich würde Russland nicht riskieren, ein NATO-Land anzugreifen. "Ich nehme mit, dass Sie auf die Sicherheit der NATO vertrauen. Das ist neu", entgegnete Beck lächelnd.

Im Video: Den Ernstfall im Blick: NATO-Truppen üben in Rumänien an der Grenze zur Ukraine