Harte Linie an der Grenze: Bleiben Kinder dauerhaft von ihren Eltern getrennt?

Kinder müssen an der Grenze zwischen Mexiko und den USA befürchten, von ihren Eltern getrennt zu werden. Seit April sind mehr als 2300 Kinder in staatliche Obhut genommen worden. (Bild: AP Photo)
Kinder müssen an der Grenze zwischen Mexiko und den USA befürchten, von ihren Eltern getrennt zu werden. Seit April sind mehr als 2300 Kinder in staatliche Obhut genommen worden. (Bild: AP Photo)

An der Grenze zwischen Mexiko und den USA werden seit April Eltern von ihren Kindern getrennt. Im Zuge einer Null-Toleranz-Politik wird jeder illegale Einwanderer verhaftet – mitreisende Kinder kommen in Notunterkünfte und werden an Pflegefamilien vermittelt. Ein Standardprozedere zur Wiedervereinigung gibt es nicht. Jetzt warnt der ehemalige Chef der Einwanderungsbehörde „ICE“ davor, dass einige Kinder jahrelang von ihren Eltern getrennt bleiben könnten.

John Sandweg war von 2013 bis 2014 unter Präsident Obama der Chef der US-amerikanischen Polizei- und Zollbehörde „Immigration and Customs Enforcement“ (ICE) und damit auch zuständig für illegale Einwanderer. Er galt seinerzeit als Hardliner und geriet wegen strikter Rückführungsmaßnahmen in die Kritik. Doch eines vermied seine Behörde damals: die Trennung von Familien.

Unter Trump hat sich die Durchsetzung des Grenzschutzes verschärft. Illegale Einwanderer werden vornehmlich als Kriminelle behandelt, nicht mehr als Asylsuchende. Nach ihrer Ergreifung folgt umgehend der Gewahrsam. In den USA ist es nicht erlaubt, Kinder zu inhaftieren, weshalb sie von ihren Eltern getrennt und in Notunterkünften untergebracht werden. Später sollen sich Pflegefamilien um sie kümmern, bis den Eltern der Prozess gemacht wurde.

Während ihre Eltern aber unter Umständen schnell abgeschoben werden, kann es bis zur Bearbeitung der Fälle der Kinder Jahre dauern, warnt Sandweg im Interview mit „NBC“. „Es kann leicht dazu kommen, dass zwischen der Abschiebung eines Elternteils und der Abschiebung des Kindes Jahre vergehen.“ Und weiter: „Auf diese Weise werden Tausende Kinder praktisch zu Waisen, die in den Vereinigten Staaten leben. Werden sie adoptiert, können sie später Staatsbürgerschaft beantragen.“ Eine solche Einbürgerung wäre somit auch nicht wirklich im Sinne der Trump-Regierung und ihrer Unterstützer.

Die 8-jährige Akemi Vargas wurde von ihrem Vater getrennt. Das Bild zeigt sie während einer Demonstration gegen das Vorgehen der Trump-Regierung vor einem Gericht in Phoenix, Arizona. (Bild: AP Photo)
Die 8-jährige Akemi Vargas wurde von ihrem Vater getrennt. Das Bild zeigt sie während einer Demonstration gegen das Vorgehen der Trump-Regierung vor einem Gericht in Phoenix, Arizona. (Bild: AP Photo)

Gegenüber „NBC“ versicherte eine Sprecherin der ICE, dass Eltern, die abgeschoben werden, verlangen können, dass ihre Kinder sie begleiten. Solche Bemühungen unterstütze ihre Behörde, „so weit durchführbar“. Denn in die Familientrennung an der Grenze und die Unterbringung der Kinder ist neben der Einwanderungsbehörde auch die Gesundheits- und Sozialbehörde HHS involviert, was die Verfahren zur Wiedervereinigung der Familien weiter verkompliziert.

Notunterkünfte voller weinender Kleinkinder

Seit April sind mehr als 2300 Kinder von ihren Eltern an der Grenze zwischen Mexiko und den Vereinigten Staaten getrennt worden. Neuen Statistiken zufolge kommen täglich 65 Kinder dazu. Es stellt sich die Frage, was mit den Kindern geschehen soll? Nun ist die Trump-Regierung dazu übergegangen, eigene Zentren für Babys und Kleinkinder von Immigranten einzurichten.

Drei dieser Anlagen befinden sich im äußersten Süden von Texas, im Tal des Rio Grande. Menschenrechtler haben die Zentren besucht und als „Räume voller weinender Kinder“ beschrieben. Mit Kindern, die jünger als fünf Jahre alt sind. „Es ist schwer zu fassen, dass sie hier so kleine Kinder einsperren“, zitiert die Nachrichtenagentur „Associated Press“ den stellvertretenden Präsidenten der Flüchtlingsorganisation LIRS, Kay Bellor: „Hier werden Kleinkinder inhaftiert.”

Eine vierte Unterkunft dieser Art soll in Houston entstehen. Bürgermeister Sylvester Turner wehrt sich dagegen: „Ich möchte nicht, dass unsere Stadt an dieser Vorgehensweise teilnimmt“, sagte Turner der „Associated Press“.

Dieses Bild wurde von der US-Regierung bereitgestellt. Wann diese Kinder ihre Eltern wiedersehen, ist ungewiss. (Bild: AP Photo)
Dieses Bild wurde von der US-Regierung bereitgestellt. Wann diese Kinder ihre Eltern wiedersehen, ist ungewiss. (Bild: AP Photo)

Mutter verklagt die USA

Ein Einzelschicksal verdeutlicht die ungeordnete und potenziell gesetzeswidrige Vorgehensweise der Trump-Regierung: Beata Mariana de Jesus Mejia-Mejia aus Guatemala erreichte die USA am 19. Mai und wurde zwei Tage später von ihrem siebenjährigen Sohn getrennt. Kurz darauf wurde der Mutter zwar ein Bleiberecht zugestanden, ihr Kind hat sie seither aber nicht mehr gesehen.

Sie durfte mit ihrem Sohn telefonieren, doch ihr wurde weder sein Aufenthaltsort mitgeteilt, noch konnte sie in Erfahrung bringen, wie es ihm gesundheitlich geht. Nun versucht sie gemeinsam mit einer Hilfsorganisation, per einstweiliger Verfügung schnellstmöglich mit ihrem Kind wiedervereinigt zu werden.

„Es gibt humane Wege, unsere Gesetze durchzusetzen. Doch die Maßnahmen, die die US-Regierung im Fall Mejia ergriffen hat, sind ein schrecklicher Affront gegen die Werte unserer Nation und der Rechtsstaatlichkeit“, so Mike Donovan, Vorsitzender der Immigrations-Organisation Nexus Services, gegenüber der „New York Post“. „Die Geschichte wird uns danach beurteilen, wie wir mit diesem Horror umgehen!“