"Guidos Masterclass": Wenn Qualität zur Nische wird

Die Juroren von "Guidos Masterclass" (v.l.n.r.): Der Namensgeber Guido Maria Kretschmer, die Chefredakteurin der "Glamour" Andrea Ketterer und der Hamburger Modemacher Bent Angelo Jensen. Foto: TVNOW / Andreas Friese
Die Juroren von "Guidos Masterclass" (v.l.n.r.): Der Namensgeber Guido Maria Kretschmer, die Chefredakteurin der "Glamour" Andrea Ketterer und der Hamburger Modemacher Bent Angelo Jensen. Foto: TVNOW / Andreas Friese

Am Montag findet das Halbfinale von „Guidos Masterclass“ statt. Einer Kandidaten-Show auf Vox, in der sich Guido Maria Kretschmer aufmacht, aus zwölf jungen Designerinnen und Designern das größte Talent zu finden. Vor allem dank Guidos Ernsthaftigkeit und Überzeugung ist es ein gutes Format – so geht Casting wirklich.

Guido Maria Kretschmer – oder Guido, wie ihn die Kandidatinnen und Kandidaten aus „Shopping Queen“ und neuerdings auch „Guidos Masterclass“ ganz selbstverständlich nennen – hat ein Kunststück vollbracht. Obwohl er überdominant in seiner TV-Heimat „Vox“ vertreten ist, schafft er es doch, den Zuschauern nicht überdrüssig zu werden. Guido ist einer der wenigen TV-Menschen, auf die man sich von jung bis alt einigen kann: stets nett, nie kontrovers.

Ein Beweis dafür ist, dass er seit einem halben Jahr sogar sein eigenes Personality-Magazin hat: „Guido“. Nur wenigen Lieblings-Deutschen wie Moderatorin/Sängerin/Entertainerin/Schauspielerin Barbara Schöneberger, Volks-Doktor Eckart von Hirschhausen, ProSieben-Quatschvogel Joko Winterscheidt oder Weltmeister-Verteidiger Jérôme Boateng wird diese Ehre zuteil.

Deshalb ist es auch keine Überraschung, dass Vox Guido vor kurzem eine neue Primetime-Show spendiert hat. „Guidos Masterclass“ ist dabei die Fortentwicklung von „Geschickt eingefädelt – Wer näht am besten?“ aus dem Jahr 2016 und ähnelt sehr dem „Project Runway“. Das Konzept: Zwölf Jungdesigner treten in wöchentlichen Herausforderungen gegeneinander an und überzeugen Guido und seine wechselnden Jury-Kolleginnen und -Kollegen mit Kreativität und Talent. Die Gewinnerin oder der Gewinner erhält am Ende 50.000 Euro, eine Fotostrecke für die eigenen Designs in der deutschsprachigen „Vogue“ und Guido höchstselbst – als Mentor für ein ganzes Jahr.

Positive Resonanz durch die Kritik

Am Montagabend findet nun das Halbfinale statt – es ist genug Sendezeit ins Casting-Show-gebeutelte Land gezogen, um ein Fazit zu ziehen. Zunächst: Was schreibt die Kritik? Spiegel Online attestiert dem Designerwettbewerb etwas wirklich Rares: Ernsthaftigkeit. Zudem seien die Kandidatinnen und Kandidaten „überraschend unfreakig gecastet“ und nicht mit „formatüblichen Ausstechförmchen in Form gestanzt“ worden. Auch der „Focus“ bestätigt die Ernsthaftigkeit, indem er die Vorauswahl der Kandidatinnen und Kadidaten herausstellt: „Es durften nur Leute in die Sendung, die tatsächlich das Zeug dazu haben, ‚Germany's next Topdesigner‘ zu werden.“

Als weiteren Pluspunkt der Sendung sieht der „Stern“ Guido als „bodenständigen, professionellen und hilfsbereiten Sympathieträger“. Zudem gehe es der Show nicht nur um Unterhaltung, sondern tatsächlich um das, was „dem Zuschauer versprochen wird: Mode.“ „Quotenmeter“ gefällt dazu der „ruhige Ton“ und ein Verzicht auf eine „übertriebene Dramaturgie“, wie sie sonst einschlägige Machart sei.

Wenige, aber treue Fans

Die Kritiker sind sich weitestgehend einig ob der Qualität der Sendung. Wie viele Zuschauer schalten sie aber ein – was sagen die Quoten? Der Branchendienst „DWDL“ ordnet die Premiere Ende April als „enttäuschend“ ein: „Nur 1,04 Millionen Menschen sahen sich die erste Ausgabe von ‚Guidos Masterclass‘ am Montag zur besten Sendezeit an.“ Knapp die Hälfte davon liege in der Zielgruppe zwischen 14 und 49 Jahren, deren Marktanteil wiederum mache gerade mal 6,1 Prozent aus – das sei fast ein Prozentpunkt unter dem Senderschnitt von Vox.

Seit der Premiere hat sich die Quote auch nicht verbessert. Positiv ausgedrückt: Sie ist stabil geblieben und pendelt um die sechs Prozent. Eine mögliche Interpretation klingt so: Die Zielgruppe ist trotz Guido als Vox-Galionsfigur und -Allzweckwaffe recht klein. Denn die Kandidatinnen und Kandidaten werden, stets eng von der Kamera begleitet, bei einem Handwerk gezeigt, das ansonsten nicht auf, sondern hinter der großen Bühne stattfindet. Mit Ausnahme weniger internationaler Superstars finden Designerinnen und Designer in der Nische statt. Und sind als solche vermutlich auch nur für ein Nischenpublikum unterhaltsam. Dass dennoch die Quote auf einem Niveau verbleibt, zeugt von treuen Zuschauern, die sich gut unterhalten fühlen. Allerdings von einem Thema, das nicht massentauglich ist.

Werbung muss sein

Was bleibt? Ein Format, das spaltet. So zumindest fasst „t-online“ das Stimmungsbild in den sozialen Netzwerken zusammen. Einigen Zuschauern sei „Guidos Masterclass“ schlicht zu langweilig und krisenarm, andere heben die bewusste Entschleunigung positiv hervor und dass in der Sendung niemand bloßgestellt werde oder Häme erfahre.

Jetzt lebt das Privatfernsehen aber nicht von Qualität, sondern von Werbung. Die Werbetreibenden wiederum bezahlen mehr Geld für mehr Reichweite. Und Reichweite lässt sich im Dschungelcamp-gestählten Reality-TV-Deutschland kaum mit „krisenarm“ und „entschleunigt“ erreichen.

Am Ende wird es eine finanzielle Abwägung, ob Vox trotz unterdurchschnittlicher Quote ausreichend Argumente dank des sehr zugespitzten Themas für eine weitere Produktion findet. Gerüchteweise ist laut „Promiflash“ eine zweite Staffel geplant.

Unabhängig von Quote und Verdienst zeigt die Show aber eins: Mit dem richtigen Moderator, der den Kandidatinnen und Kandidaten auf Augenhöhe begegnet, der das Handwerk beherrscht und ernst nimmt und wirklich daran interessiert ist, die eigene Expertise weiterzugeben, kann eine qualitativ gute Castingshow gelingen. Weil „Guidos Masterclass“ aber zu wenig Zuschauer anlockt, wird so Qualität im Privatfernsehen auf lange Sicht immer mehr zur Nische.