Gute Chancen für Rechts- und Linkspopulisten bei der Europawahl

Die Europawahl steht vor der Tür (Bild: dpa)

Sie heißen FPÖ, Front National, Partei für die Freiheit oder Goldene Morgenröte: Rechte Parteien setzen in vielen EU-Staaten auf den Frust über die Brüsseler Krisenpolitik und wollen ins Europaparlament. Aber auch Linkspopulisten und Euroskeptiker hoffen auf Wahlerfolge.

Bei der Europawahl Ende Mai könnten in vielen der 28 EU-Mitgliedstaaten Rechtsparteien erstarken. In einigen Ländern können auch Linkspopulisten und erklärte Euroskeptiker auf einen Einzug ins Europaparlament hoffen. Im folgenden ein Überblick über die Wahlchancen dieser Parteien.

BELGIEN: Im nördlichen Landesteil Flandern war der Vlaams Belang (VB) lange mit Ergebnissen über 20 Prozent die zweitstärkste politische Kraft. Seinen Aufstieg verdankte der VB einer fremdenfeindlichen Politik für ein unabhängiges Flandern. Mit dem Erstarken der flämisch-nationalistischen N-VA (Nieuw-Vlaamse Alliantie) sank aber die Bedeutung des Vlaams Belang. Nach 12 Prozent bei der belgischen Parlamentswahl 2007 waren es 2010 nur noch 7,7 Prozent. Der VB bemüht sich - wie die Gesinnungsgenossen aus Frankreich und den Niederlanden - um eine Koordinierung der Rechten in Straßburg.

In BULGARIEN sind die Chancen der nationalistischen Partei Ataka (Angriff) auf einen erneuten Einzug ins Europaparlament in Umfragen geschrumpft. Nun will die EU-feindliche Partei mit ihrer pro-russischen Haltung im Ukraine-Konflikt punkten. Demonstrativ eröffnete sie ihren Europawahlkampf in Moskau, um zu zeigen, dass sie nähere Beziehungen Bulgariens zu Russland anstrebt. Ihre indirekte Unterstützung für die sozialistische Regierung in Sofia enttäuschte ihre extrem rechts gesinnten Anhänger. Die Ataka fordert die Verstaatlichung der bulgarischen Netze der Stromanbieter aus Österreich und Tschechien sowie unrealistisch hohe Renten und Löhne. Für die soziale Misere im ärmsten EU-Land sind aus Ataka-Sicht ausländische Investoren wie etwa Banken und Supermarktketten schuld.

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In DÄNEMARK gilt die rechtspopulistische Volkspartei (Dansk Folkeparti - DF) als Architektin der rigiden Ausländerpolitik und hat in den vergangenen Jahren noch einmal stark an Unterstützung gewonnen. Bei Meinungsumfragen vor der Europawahl war die DF zuletzt sogar die Partei mit dem größten Zuspruch. Vor allem gegen die Einwanderung von Muslimen fährt sie eine harte Linie. Bei der Europawahl 2009 errang die DF bereits zwei Mandate - und hat auch diesmal gute Chancen, wieder in das Parlament einzuziehen.

In DEUTSCHLAND haben auch kleinere Parteien gute Chancen auf einen Einzug ins Europaparlament, weil das Bundesverfassungsgericht die seit 2013 für die Europawahl geltende Drei-Prozent-Hürde gekippt hat. Schon rund ein Prozent der Stimmen könnte daher für einen deutschen Sitz ausreichen. Unter den 25 Parteien und Vereinigungen, die der Bundeswahlausschuss für die Europawahl zugelassen hat, ist neben den offen anti-europäischen und weit rechts stehenden Republikanern auch die rechtsextreme NPD, gegen die beim Bundesverfassungsgericht ein Verbotsverfahren läuft. In der NPD, die auf den ersten Einzug ins Europaparlament hofft, sind Ausländerhass und Antisemitismus laut Bundesamt für Verfassungsschutz tief verwurzelt. Sehr gute Chancen auf einer Erfolg bei der Europawahl hat die eurokritische Alternative für Deutschland (AfD). Sie liegt nach Umfragen bei rund 6 Prozent.

In FINNLAND stehen die rechtspopulistischen Wahren Finnen gut da. Sie sind drittstärkste Kraft im Parlament. Ein Abgeordneter der Partei von Timo Soini sitzt schon im Europaparlament: der 36-jährige Sampo Terho. In Meinungsumfragen sind die Wahren Finnen derzeit nach Zentrum und Konservativen drittstärkste Partei. Die «Wahren Finnen» haben sich von einer kleinen Protestpartei zu einer wichtigen Kraft entwickelt, obwohl sie regelmäßig wegen rassistischer oder sexistischer Äußerungen am Pranger der Medien stehen. Die Partei ist unter anderem strikt gegen Hilfszahlungen an überschuldete EU-Länder.

FRANKREICH: Seit Übernahme der Parteispitze 2011 versucht Marine Le Pen, das Erscheinungsbild der rechtsextremen Front National von Ausländerfeindlichkeit und Antisemitismus zu lösen. Zugleich lässt sie ihren Vater, den für seine Ausfälle berüchtigten FN-Gründer Jean-Marie Le Pen, öffentlich weiter in der ersten Reihe agieren. Die 45 Jahre alte Parteichefin setzt populistisch auf Themen wie Rente mit 60, mehr Sicherheit sowie Abgrenzung von EU oder Nato. Bei Umfragen zur Europawahl liegen die Rechtsextremen Kopf an Kopf mit der konservativen UMP noch vor den regierenden Sozialisten. Als Gründe werden die Unzufriedenheit mit der schwierigen Wirtschaftslage und das schlechte Ansehen der Regierung von Staatschef François Hollande gesehen.

GRIECHENLAND: Die rechtsextremistische und rassistische Goldene Morgenröte ist in allen Europawahlumfragen viertstärkste Kraft. Mit 6 bis 9 Prozent könnte sie einen oder zwei der 21 griechischen Abgeordneten stellen. Die Justiz wirft vielen Parteifunktionären vor, eine kriminelle Vereinigung gebildet zu haben. Der Parteichef und fünf weitere Abgeordnete sind in Haft. Die Partei profitiert vom Frust vieler Griechen über die schwere Finanzkrise. Eine Hauptforderung ist, Ausländer aus Nicht-EU-Staaten, vor allem Asiaten und Afrikaner, aus Griechenland auszuweisen. Außerdem verlangt die Partei den Austritt Griechenlands aus der Eurozone. Einen starken antieuropäischen Flügel gibt es auch innerhalb der stärksten Oppositionspartei, des Bündnisses der radikalen Linken (Syriza). Dieser Flügel, der auf etwa 30 Prozent der Mitglieder geschätzt wird, tritt für die Wiedereinführung der alten Währung, der Drachme, ein.

In GROSSBRITANNIEN könnte die Europawahl zu einem Triumph der rechtspopulistischen United Kingdom Independence Party (UKIP) um Parteichef Nigel Farage werden. Umfragen sehen die Euroskeptiker derzeit bei knapp unter 30 Prozent, vor Labour und den regierenden Tories von Premierminister David Cameron. Farage gewann kürzlich zwei Fernsehduelle gegen den Liberaldemokraten Nick Clegg und sieht sich als Anführer einer «Armee des Volkes». Die Partei steht vor allem für den Austritt Großbritanniens aus der EU und deutliche Einschnitte bei der Zuwanderung. So sollen Einwanderer in den ersten fünf Jahren keinen Zugriff auf Sozialleistungen und ihre Kinder kein Recht auf freie Bildung haben. Kaum Chancen werden dagegen der noch weiter rechts stehenden British National Party (BNP) eingeräumt, obwohl sie 2009 immerhin auf 6 Prozent gekommen war.

(dpa)

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