„Hart aber fair“: Wenn pflegenden Angehörigen Altersarmut droht

Karl Lauterbach (l.) und Eckhart von Hirschhausen kritisieren das Pflegesystem in Deutschland. (Bild: WDR/Oliver Ziebe)
Karl Lauterbach (l.) und Eckhart von Hirschhausen kritisieren das Pflegesystem in Deutschland. (Bild: WDR/Oliver Ziebe)

Mit Fairness hat die Pflege in Deutschland aktuell nichts mehr zu tun. Da waren sich die Gäste bei „Hart aber fair“ weitgehend einig. „Ich habe den Staat entlastet und lande in Altersarmut“, meint Susanne Hallermann, die ihre Großmutter gepflegt hat. Eckhart von Hirschhausen plädiert für korrekte Prioritäten: „Wenn die Piloten streiken oder die Lokführer, dann regen sich alle auf.“

Ja, auch jenseits von Brexit und Donald Trump gibt es drängende, aktuelle Probleme. Frank Plasberg wagte am Montagabend in „Hart aber fair“ den thematischen Talkshow-Ausbrecher und fragte: „Waschen, pflegen, trösten – wer kümmert sich um uns, wenn wir alt sind?“ Die Antwort fiel weitestgehend alarmierend aus.

Denn nicht nur fehlt an allen Ecken und Enden qualifiziertes, motiviertes Pflegepersonal. Menschen, die Angehörige pflegen, werden für dieses Engagement sogar noch abgestraft. „Ich habe den Staat entlastet und lande in Altersarmut. Pflegende Angehörige entlasten den Staat in Höhe von 44 Milliarden“, meinte Susanne Hallermann von der Interessenvertretung „Wir pflegen e.V.“

Susanne Hallermann kommt ihr Engagement teuer zu stehen. (Bild: WDR/Oliver Ziebe)
Susanne Hallermann kommt ihr Engagement teuer zu stehen. (Bild: WDR/Oliver Ziebe)

Die gelernte Krankenschwester hatte ihren Beruf aufgegeben, um ihre Großmutter und ihren Vater zu betreuen. Deshalb war sie schließlich auf Hartz IV angewiesen und wird nun im Alter von Armut bedroht. Hallermann sprach im Ersten von einer hohen Dunkelziffer pflegender Angehöriger. Die würden ihre eigenen Leistungen oft unterschätzen und sich nur als „Unterstützer“ begreifen. „Die Dunkelziffer ist weitaus höher und die Politik kennt die Zahlen. Die Politik hat eigene Studien dazu gemacht“, betonte Hallermann. Unterstützung bekam sie vom SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach: „Das stimmt.“

Auch dessen Prognose für die Pflege in Deutschland fällt düster aus. „Es wird an allen Ecken und Enden fehlen“, sagte Lauterbach. Die Ausgaben müssten deutlich steigen, seinen Schätzungen zufolge um sechs bis zehn Milliarden Euro jährlich. „Davon muss ein großer Teil bei der bisher am stärksten ausgenutzten Gruppe ankommen: Das sind die Angehörigen, die zu Hause pflegen“, betonte der Fraktionsvize. 75 Prozent der Pflege würden von Verwandten erbracht.

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„Wir haben einen Berufsstand die letzten 20 Jahre gegen die Wand fahren lassen“, kritisierte der Arzt und Comedian Eckart von Hirschhausen. Er plädierte für ein Mindestmaß an Menschlichkeit. „Alle reden von Digitalisierung. Keiner möchte doch von einem Roboter gepflegt werden. Ich möchte auch von jemandem gepflegt werden, wenn es so weit ist, der meine Sprache spricht. Das ist doch sozusagen ein Grundrecht.“ Hirschhausen verlangte zudem, dass die Prioritäten hierzulande überdacht werden. „Wenn die Piloten streiken oder die Lokführer, dann regen sich alle auf. Was passiert konkret? Es kommen ein paar Tage ein paar Menschen nicht von A nach B. Wenn die Pflege nicht mehr da ist, kommt kein Bedürftiger mehr vom Bett aufs Klo. Und das ist viel wichtiger.“

Bei „Hart aber fair“ wurde leidenschaftlich diskutiert. (Bild: WDR/Oliver Ziebe)
Bei „Hart aber fair“ wurde leidenschaftlich diskutiert. (Bild: WDR/Oliver Ziebe)

Eine Lanze für seine Branche brach hingegen der Präsident des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste (bpa), Bernd Meurer. In einer Erhebung habe nur ein Drittel der Befragten gesagt, sie wären willens und in der Lage, zuhause Angehörige zu pflegen: „Das ist die Realität.“ Natürlich strebe es niemand an, in einem Pflegeheim betreut zu werden. „Aber das Leben kann irgendwann einmal Krankheitsbilder bringen, wo man froh sein muss, dass man ein Pflegeheim hat und dort dann ordentlich versorgt wird.“ Auch für diese Position gab es im Studio Applaus.

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