„Heuchlerisch": Jörg Kachelmann twittert über die Empörung wegen Yücel-Haftbedingungen

Jörg Kachelmann ist über die mediale Berichterstattung empört. (Bild: ddp Images)
Jörg Kachelmann ist über die mediale Berichterstattung empört. (Bild: ddp Images)

Der Meteorologe Jörg Kachelmann hält die Empörung über die türkischen Haftbedingungen Deniz Yücels für heuchlerisch. Auch in Deutschland seien die Missstände in den Gefängnissen enorm.

„Wäre Yücel in Deutschland in U-Haft, würde einer seiner Briefe drei Wochen zum Adressaten brauchen. Die Antwort zurück wieder drei Wochen. Man mag sich den kollektiven Medienausraster nicht vorstellen” twitterte der Schweizer, der selbst 2010 für 132 Tage in Deutschland in Untersuchungshaft saß, weil er zu Unrecht einer Vergewaltigung beschuldigt wurde.

Der deutschtürkische Journalist Deniz Yücel sitzt seit Februar 2017 in türkischer Einzelhaft. Eine Anklageschrift fehlt bis heute. Am Wochenende teilte der Reporter im ersten Interview seit seiner Inhaftierung mit, wie es ihm im Hochsicherheitstrakt der Vollzugsanstalt Silivri in der Nähe von Istanbul ergeht.

Das Interview entstand auf ungewöhnliche Weise. Die Fragen wurden Yücel schriftlich über dessen Anwälte gestellt und dieser hat sie über die Anwälte wiederum schriftlich beantwortet. Die Rückfragen und seine Antworten gingen dann auf demselben Weg noch zwei Mal hin und zurück. Zwischen der Kommunikation lagen jeweils mehrere Tage.

„Isolationshaft ist Folter. Auch wenn ich eigentlich guter Dinge bin, kann ich nicht absehen, welche langfristigen Folgen das haben wird”, so Yücel in der „taz”. Im Interview gab der „Welt”-Reporter Yücel auch bekannt, dass er die Stromrechnung seiner Zelle selbst zahlen müsse, was für große mediale Empörung sorgte. Jörg Kachelmann wies jetzt bei Twitter darauf hin, dass auch deutsche Untersuchungshäftlinge für ihre Stromkosten aufkommen müssten und postete ein Foto, das offensichtlich die Stromabrechnung während seiner Zeit in der Haftanstalt zeigt.

Außerdem würden Briefe in deutschen Haftanstalten drei Wochen bis zum Adressaten brauchen. Doch da bliebe die mediale Empörung aus: „Wenns in D so ist: alles easy. Die dürfen das, ist ja deutsches Elend”, schreibt Kachelmann. Abschließend empörte sich der Schweizer über die Bezahlung von Häftlingen in Deutschland. Er habe für 29 Stunden Arbeit nur 20,37 € erhalten: „Sicher total ok. Bis irgendwann ein Deutscher in einem ausländischen Gefängnis auch nur das bekommt – dann: SKANDAL!”

Yücel war bis 2015 Redakteur der „taz ” und ist seit 2015 Türkei-Korrespondent der „WeltN24″-Gruppe. Er wird seit seiner Inhaftierung Anfang des Jahres von der türkischen Regierung unter anderem beschuldigt, Terrorpropaganda und Volksverhetzung begangen zu haben.

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