Hidden Headlines: Darüber lügen die Menschen am meisten

Wie oft lügen wir eigentlich? Und wie wirkt sich das Lügen auf unsere Psyche aus? Das haben jetzt Forschende aus den Niederlanden in einer Reihe von Experimenten untersucht.

Frau in schwarzem Kleid überkreuzt die Finger hinter dem Rücken
Menschen lügen angeblich täglich (Symbolbild: Getty Images)

Menschen lügen. Und zwar täglich: rund 200-mal hieß es oft. Bewiesen ist diese Zahl aber nicht. Sie beruhte nur auf der Schätzung eines Psychologen aus den USA vor etlichen Jahren und hält sich seitdem aber hartnäckig.

Viel wahrscheinlicher ist es, dass Menschen wenige Male lügen – aber eben doch im Schnitt jeden Tag. Die Bandbreite ist dabei sehr groß. Manche lügen häufig, andere sehr selten oder nie.

Aber welche Folgen hat das Erzählen einer Lüge eigentlich für die Lügner*innen selbst?

Das haben sich jetzt Forschende aus den Niederlanden angesehen.

Was ist passiert?

Psycholog*innen der Universität Twente haben eine Reihe von Experimenten durchgeführt. Insgesamt viermal befragten sie Proband*innen, in jeweils unterschiedlichen Rahmenbedingungen, zum Thema Lügen. Ihre frei zugänglichen Ergebnisse haben sie im British Journal of Social Psychology veröffentlicht.

Im Abstract, das ist der zusammenfassende Teil am Anfang einer wissenschaftlichen Veröffentlichung, erklären Forschenden ihre Motivation:

"Andere zu täuschen, wird allgemein als unmoralisch angesehen. Trotzdem lügen die meisten Menschen täglich. In diesem Beitrag untersuchen wir deshalb die psychologischen Folgen für die Lügner*innen selbst und wie sich dieses Verhalten auf ihr Selbstwertgefühl und ihre Affekte auswirkt."

Affekte erklärt Spektrum der Wissenschaft als ein Synonym für "Gefühl, Stimmung, Emotion" – intensiv und relativ kurz andauernd. Derzeit werden sieben Primäraffekte unterschieden: Freude, Verzweiflung, Wut, Furcht, Ekel, Überraschung, Interesse.

Design der Experimente

Die Befragungen sollten zeigen, wie sich das Lügen auf die Gefühle der Lügner*innen auswirkten. Im ersten Experiment haben die Forschenden beispielsweise rund 200 Proband*innen online Fragen gestellt. Es handelte sich dabei um häufig vorkommende Dilemma-Situationen. Die Antworten sollten wahrheitsgemäß auf echten Erfahrungen beruhen. Das ist eine der abgefragten Situationen:

Sie hätten heute Morgen an einem wichtigen Meeting teilnehmen müssen, haben aber verschlafen. Was sagen Sie zu den anderen Teilnehmer*innen:

  • Sie steckten im Verkehr fest. Sie erzählen eine Lüge, um kein Ansehen zu verlieren.

  • Sie sagen die Wahrheit. Mit der möglichen Konsequenz, an Ansehen einzubüßen.

  • Sie waren noch nie in einer solchen Situation.

Die Dilemma-Situationen enthielten entweder "Ich-bezogene" oder "Andere-bezogene" Lügen. Ein Beispiel für zweiteres: "Eine Freundin ist sehr glücklich mit ihrem neuen Outfit. Sie finden es furchtbar. Was sagen Sie zu ihr?"

Im nächsten Teil des Experiments folgten dann Fragen, wie sich die Menschen in diesen Situationen gefühlt haben – ob sie nervös waren, ihre Antwort bereuten, sich unglücklich oder unbehaglich fühlten.

Die ganzen Studienfragen aus allen vier Experimenten haben die Forschenden auch veröffentlicht. Sie sind hier zu finden.

Die Ergebnisse

Die Psycholog*innen konnten ihre Forschungshypothese belegen. Menschen, die Lügen erzählen, gaben an, dass signifikant negativere Gefühle und ein geringeres Selbstwertgefühl die Folge waren.

Das war aber nicht alles. Die weiteren Experimente zeigten, dass Menschen eher dazu tendierten, über das eigene Verhalten zu lügen – das machte jede*r fünfte. Und nur jede*r zehnte erzählte eine Lüge, um andere damit zu schützen. Rund 70 Prozent logen gar nicht.

Dann gab es zum Schluss noch ein Fünf-Tages-Experiment, in dem die Proband*innen ihre Gefühle, jede Lüge und den Grund für die Lüge aufschreiben sollten. Das Ergebnis: 22 Prozent der Proband*innen gaben an, dass sie an jedem der fünf Tage gelogen hatten, 19 Prozent hingegen logen kein einziges Mal im gesamten Zeitraum. Und: Wer log, der fühlte sich am Folgetag schlechter und hatte ein geringeres Selbstwertgefühl.

Die Forschenden konnten damit zeigen, dass Menschen, die lügen, nicht generell ein geringes Selbstwertgefühl haben. Sondern, dass der Akt des Lügens ihr Selbstwertgefühl verringert hatte.