Historische Schande: Diese Serie arbeitet den Horror der Colonia Dignidad auf

Das neue Joyn-Original "Dignity" über die christliche Sekte Colonia Dignidad präsentiert sich als ambitionierte Serie an historischer Stätte. Als Krimi funktioniert die internationale Produktion gut, an anderer Stelle hätte man sich aber mehr Konsequenz gewünscht.

Was hinter den Toren der Colonia Dignidad passierte, ist bis heute eines der schändlichsten Kapitel der deutsch-chilenischen Geschichte. Nach seiner Flucht aus Deutschland ließ sich der ehemalige Nazi-Sanitäter Paul Schäfer im Jahr 1961 im chilenischen Hinterland nieder, wo er eine abgeschottete Gemeinschaft unter gestrengem und menschenunwürdigem Regime aufbaute. Nachdem der historische Stoff bereits 2015 die Basis für den Spielfilm "Colonia Dignidad - Es gibt kein Zurück" mit Emma Watson und Daniel Brühl in den Hauptrollen lieferte, legt Joyn nun mit einer Serie nach. Zu sehen gibt es die achtteilige Produktion "Dignity" ab 19. Dezember als Teil des neuen und kostenpflichtigen Pakets Joyn PLUS+.

Die Handlung setzt im Jahr 1997 ein, als der Staatsanwalt Leo Ramirez (Marcel Rodriguez) Ermittlungen gegen die Colonia anleiert. Sein Ziel: Er will niemand Geringeren als Sektenführer Paul Schäfer (Götz Otto) einbuchten und für seine Verbrechen büßen lassen. Doch die geplante Verhaftung läuft schief, denn Schäfer ist schon lange untergetaucht. Während Ramirez' Chef nach dem Fehlschlag zurückrudert und sich öffentlich bei den Einwohnern der Kolonie entschuldigt, steckt der Staatsanwalt nicht auf und geht mit seiner loyalen Kollegin von der lokalen Polizei, Pamela Rodriguez (Antonia Zegers), weiter auf die Jagd.

Schon bald gerät das Duo aber seine Grenzen. Mit einer beträchtlichen politischen Lobby im Rücken scheint die Kolonie um Interimsanführer Dr. Bernard Hausmann (Devid Striesow) unantastbar. Ramirez erfährt nicht nur massiven Gegenwind von den Behörden, sondern muss sogar um sein persönliches Wohl fürchten. Auch seine Frau Caroline (Martina Klier), die in der deutschen Botschaft in Chile arbeitet, wird bei ihren Nachforschungen eingebremst. Zusätzlich belastet Leo seine eigene, geheim gehaltene Vergangenheit in der Sekte - erst recht, als sein totgeglaubter Bruder Pedro (Nils Rovira-Munoz) wieder auftaucht.

Mehr Krimi denn Horrorszenario

Mit seiner ersten internationalen Serie nimmt sich Joyn viel vor: "Dignity" vermengt die Tragik einer zerrissenen Familie mit einem dunklen Kapitel deutsch-chilenischer Geschichte und einem Politdrama - kann damit aber nicht auf allen Ebenen punkten. Überzeugend und gleichsam erschreckend sind aber allemal die politischen Verstrickungen der Colonia Dignidad und die Rückendeckung, der sich Paul Schäfer sicher sein konnte - ob als geschätzter Handlanger des Militärs während der Diktatur von Augusto Pinochet oder gedeckt von deutschen Diplomaten in Chile.

In Rückblenden erzählt "Dignity" die persönliche Geschichte Leos und gibt somit Eindrücke, wie das alltägliche Leben in der Colonia Dignidad ausgesehen haben könnte. Dafür wurde sogar erstmals an den Originalschausplätzen ehemaligen Siedlung gedreht, was der Authentizität der hochkaratig besetzten Serie zugutekommt. Dennoch verschenkt die Produktion bei dieser Facette der Geschichte einiges an Potenzial. Psychischer Druck, gezielte Manipulationen und ausgeprägtes Spitzelwesen innerhalb der Gemeinschaft flackern erst mal nur vereinzelt auf. Dadurch bleibt der Schrecken innerhalb der Kolonie schemenhaft und macht aus "Dignity" mehr einen Krimi an historischer Stätte denn ein filmgewordenes Abziehbild des Lebens in der Sekte.