Infizierter "Nachtjournal"-Moderator über den Corona-Albtraum Ischgl: "Man kann nicht viel mehr falsch machen"

Vom Tiroler Bergdorf Ischgl aus verbreitete sich das Coronavirus in halb Europa. Auch der RTL-Journalist Christof Lang kehrte infiziert aus dem Ski-Urlaub heim. Bei "stern TV" erhob er nun schwere Vorwürfe: "Man hätte früh dieser Katastrophe auf die Spur kommen können."

Wenn irgendwann einmal Spielfilme entstehen über die Krankheits-Welle, die das neue Coronavirus SARS-CoV-2 über die Welt gebracht hat, wird ganz bestimmt auch im schönen Paznauntal gedreht. Nach allem, was jetzt schon bekannt ist von den ungeheuerlichen Vorgängen in Tirol, ist der Partyskiort Ischgl ein sogenannter "Superspreader" der unheilvollen Pandemie-Entwicklung, ein Drehkreuz für die Verteilung des Virus in halb Europa.

Einer, der mitten im Corona-Ausbruch auf den Pisten und in den Après-Ski-Bars des einschlägigen Bergdorfs unterwegs war, ist der langjährige RTL-"Nachtjournal"-Moderator Christof Lang. Über die Beteuerungen des Tiroler Gesundheitsobmanns, die Behörden vor Ort hätten "alles richtig gemacht", kann der Nachrichtenjournalist nur müde schmunzeln. "Man kann gar nicht sehr viel mehr falsch machen", erklärte Lang am Mittwochabend als Gast des RTL-Magazins "stern TV". "Hinter all dem steckt die Tourismusindustrie, die Seilbahnbranche."

Christof Lang, so schilderte er es in einem bei RTL gezeigten Einspielfilm, war mit einem Freund am 4. März nach Ischgl aufgebrochen. Noch am selben Abend erklärte Island den winterlichen Party-Hotspot zum Corona-Risikogebiet. Acht Urlauber waren infiziert aus Ischgl heimgekehrt. Konsequenzen: keine. Die Behörden wurden auch dann nicht hellhörig, als später ein Kellner der Après-Ski-Bar Kitzloch positiv auf das Coronavirus getestet wurde. "Eine Übertragung des Coronavirus auf Gäste der Bar ist aus medizinischer Sicht eher unwahrscheinlich", redete die Landessanitätsdirektion Tirol die Gefahr klein. Lang: "Eine der absurdesten Behauptungen, die ich je gehört habe."

"Es gab Warnsignale, die man hätte ernst nehmen können"

Nach der Kitzloch-Schließung ging die Partysause in Ischgl in anderen Après-Ski-Tempeln auf engstem Raum weiter. "Wenn das Virus da nicht mitgegangen ist, fress' ich nen Besen", kommentierte Christof Lang im Rückblick. Auch er kehrte ebenso wie sein Ski-Spezl infiziert aus Ischgl heim, wurde jedoch von einem gleichfalls infizierten Bekannten, den er auf der Piste getroffen hatte, per WhatsApp vorgewarnt. Er hätte das Virus sonst wohl ins RTL-Landesstudio getragen, grübelte Lang. So wie Tausende andere Ischgl-Urlauber den potenziell tödlichen Lungenerreger in halb Europa verbreitet haben.

"Ich weiß heute, dass es schon vor unserer Ankunft gewisse Warnsignale gab, die man hätte ernst nehmen können", erhob Lang im Gespräch mit "stern TV"-Moderator Steffen Hallaschka schwere Vorwürfe. "Die Behörden haben es nicht kommuniziert. Wenn wir das gewusst hätten, was man damals hätte wissen können, wären wir nicht hingefahren." Zwar könne er die wirtschaftlichen Interessen der Tourismusindustrie ein Stück weit verstehen: "Allein in Ischgl werden in einem Winter 250 Millionen Euro umgesetzt, da hängt viel dran." Er finde trotzdem, dass die Verantwortlichen "sehr borniert" mit der Lage umgegangen seien. "Es wurde alles auf kleiner Flamme gekocht."

"Man kennt die Macht der Seilbahn- und Tourismuslobby"

Die Zeit in der häuslichen Quarantäne nutzte der inzwischen vollständig genesene Journalist, um Skype-Gespräche mit Mitarbeitern der Party-Etablissements zu führen. Seine Erkenntnis aus den anonymen Angaben: "Es gab schon in den Wochen vorher beim Personal Krankheitssymptome, die hätten Corona sein können. Doch offenbar war niemand, auch die Kranken selbst nicht, daran interessiert, solche Menschen zu testen." Lang ist sicher: "Man hätte früh dieser Katastrophe auf die Spur kommen können. Ich würde niemandem vorwerfen, was zu vertuschen, aber ich glaube nicht, dass man ein großes Interesse daran hatte, etwas auf die Spur zu kommen, was dieses Riesengeschäft letztlich kaputtmachen könnte. Man kennt die Macht der Seilbahn- und Tourismuslobby."

Christof Lang hat sich nach eigener Auskunft einer Sammelklage über den österreichischen Verbraucherschutz angeschlossen: "Es schadet nicht den Behörden Druck zu machen, damit man rausfindet, was da genau passiert ist." Ähnlich sieht es im Übrigen auch der Stimmungssänger Tim Bibelhausen, besser bekannt als Tim Toupet. Er reiste in einer neunköpfigen Gruppe nach Ischgl, alle neun kamen infiziert zurück. Tim Toupet gegenüber "stern TV": "Wenn das wirklich vertuscht wurde, müssen Köpfe rollen."