Iran versus Saudi Arabien: Warum der Nahe Osten kein Pulverfass ist

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Zwischen Saudis und Iranern herrscht dicke Luft, die rivalisierenden Regime ecken immer mehr miteinander an. Das wird schlimme Folgen haben – aber die Region nicht in einen großen Krieg ziehen.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Was sich gerade zwischen Riad und Teheran abspielt, liest sich wie die Chronik eines angekündigten Showdowns. Hinrichtungen hier, Botschaftsstürmung dort. Abbruch der diplomatischen Beziehungen und Drohung vor der Rache Gottes. Saudi Arabien und Iran sind die stärksten Regionalmächte im Nahen Osten. Unversöhnlich stehen sie schon lange sich gegenüber. Ist das nun der Beginn eines erwarteten großen Krieges im Orient?

Geht es um den Nahen Osten, denkt Mancher an ein Problem. Martialische Begriffe fallen nicht selten in seinem Kontext, wie etwa Pulverfass oder Flächenbrand. Die Konfliktlinien erscheinen verknotet und rätselhaft. Das mögen sie auch zuweilen sein. Aber gerade deswegen brennt jetzt keine „Lunte“ und droht kein GAU: Die Interessen der beteiligten Akteure in der Region sind zu vielschichtig, als käme einer von ihnen auf die Idee, den Brand im eigenen Dachstuhl zu riskieren. Stattdessen wird es wohl weiterhin lokale Brände geben.

Die Systeme sind defensiv und angsterfüllt

Saudi Arabien steht für die Allianz eines Stammes mit der radikalislamischen Ideologie des Wahabismus – diese Denkströmung ist der Nährboden für das engstirnige Gedöns von Dschihad und Mutter der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ (IS). Iran dagegen steht allein für ein theokratisches Machtmodell, ohne Stammesbezug. In Teheran sollen, so die Theorie, die am besten ausgebildeten und am meisten rechtschaffenden Theologen regieren. Mit dem Lauf der Zeit haben sich beide Regime in Widersprüchen verfangen: Beiden geht es in erster Linie um Machterhalt, denn ihre Legitimität ist im Inneren bedroht, angezweifelt und angezählt; in beiden Ländern gibt es mehr Druck aus der Bevölkerung heraus, mehr Freiheit und Gerechtigkeit zuzulassen. In Riad wie in Teheran herrschen defensive Systeme, angsterfüllt.

Die Frontstellung in der Region erhärtet sich, weil der saudische Wahabismus sich als Gralshüter der sunnitischen Konfession im Islam sieht und die iranischen Theologen den Ton in der schiitischen Konfession angeben. Sunniten wie Schiiten gibt es nahezu überall im Nahen Osten, in Saudi Arabien stellen Schiiten rund 15 Prozent der Bevölkerung.

Der jetzige Konflikt ist in erster Linie einer der saudischen Paranoia. König Salman und sein ehrgeiziger Sohn, Verteidigungsminister Muhammad bin Salman, sind nicht lange im Amt. Sie merken, dass man sich mit Geld doch nicht alles kaufen kann: Die Wirtschaft ist in Subventionsgebaren erlahmt, die Jugend frustriert. Saudische Herrschaft gilt international als Auslaufmodell; der Westen, einschließlich Deutschland, ist nur aus zynischen Erwägungen in einer „strategischen Partnerschaft“ mit Riad – es geht ums Geld und um die Vorstellung, die Grabesruhe eines Diktatoren sei angenehmer als das Chaos einer offeneren Gesellschaft.

Die saudischen Herrscher wissen um ihre prekäre Position. Daher verballern sie täglich 200 Millionen Dollar in einem abscheulichen Krieg im Jemen. Der Westen schaut weg, genauso wie er in diesen Tagen den Blick von den 46 in Saudi Arabien Hingerichteten abwandte. Riad ist im Verfolgungswahn. Vor allem von Schiiten sehen sich die Machthaber umzingelt.

Eskalation nutzt niemandem

Teheran aber hat kein Interesse an einer weiteren Eskalation. Die Beziehungen zum Westen verbessern sich, und die stark kriselnde Wirtschaft braucht dringend eine Lockerung der internationalen Sanktionen. Durch das rücksichtslose Vorgehen der Saudis können sich die Mullahs im Iran zurücklehnen und zuschauen, wie die als Buhmänner dastehen. Die Saudis wiederum wissen, dass sie in einem größeren Konflikt alles verlieren könnten: die Partnerschaft mit dem Westen und ihren Reichtum. Eine Eskalation suchen die Salmans auch nicht.

All dies bedeutet, dass der große Knall ausbleiben wird. In Syrien aber, wo sich Saudi Arabien und Iran gegenüberstehen, wo sie miteinander verfeindete Waffengruppen im Bürgerkrieg unterstützen, wird ein Frieden noch schwieriger werden. Das Land eignet sich aus Sicht beider Länder hervorragend als Abfalleimer ihrer Probleme und als Ventil um Druck abzulassen.

Was der Westen tun kann, ist einfach. Mit Iran muss weiter Klartext geredet werden, die Öffnung des Regimes gen Freiheit sollte dabei wohlwollend begleitet werden. Mit den Freunden in Riad aber sollte das Tischtuch vorerst zerschnitten werden. Die Partnerschaft mit ihnen hat einen Wert: einen negativen.

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