"Ich hatte vor Jahren einen kompletten Blackout in einer Show"

Den eigenen Pulsschlag unter Kontrolle halten - das ist das Ziel von "Die! Herz! Schlag! Show" bei ProSieben. Wie diese Idee entstanden ist und mit welchen Mitteln er den eigenen Puls unter Kontrolle bekommt, verrät Show-Moderator Steven Gätjen im Interview.

Lampenfieber ist für ihn ein Fremdwort: Seit über 20 Jahren steht Steven Gätjen für verschiedene TV-Produktionen, von Stefan-Raab-Shows bis zur Oscar-Übertragung, als Moderator vor der Kamera. In welchen Situationen er trotzdem manchmal aufgeregt ist, verrät der 47-Jährige im Interview. Außerdem plaudert über die neue ProSieben-Sendung "Die! Herz! Schlag! Show!" (ab 13. Juli, vier Folgen, montags um 20.15 Uhr), und er verrät, was er in der Corona-Zeit am meisten vermisst.

teleschau: Herr Gätjen, wo liegt denn üblicherweise Ihr Ruhepuls?

Steven Gätjen: Oh, das ist eine sehr gute Frage. Ich bin eher schwer aus der Ruhe zu bringen. Vor einer Show schießt mein Puls schon mal nach oben, aber dann normalisiert er sich schnell wieder. Wäre ja auch nicht gut, als Moderator ständig kopflos durch eine Show zu führen (lacht).

teleschau: Was schießt ihnen denn durch den Kopf - und den Körper - wenn sich die Kamera auf Sie richtet und das Licht aufleuchtet?

Gätjen: Ein kurzes "Oh Gott!" und dann fällt mir ganz schnell ein: Ich mache das, was mir unfassbar viel Spaß macht. Da geht ein Kribbeln durch meinen ganzen Körper, und - so komisch das vielleicht klingt - ich habe das Gefühl, dass meine Sinne geschärft sind, um alles, was passiert, einzufangen und darauf reagieren zu können. Ich empfinde einfach eine große Freude und Dankbarkeit, dass ich das machen darf.

Stefan Raab? "Ich habe von den Besten gelernt"

teleschau: Wenn Sie ein wenig zurückblicken: Was waren die größten Aufregermomente bei Ihren Show-Einsätzen?

Gätjen: Es gab natürlich schon eine ganze Reihe an aufregenden Momenten: der Gosling-Gate bei der Goldenen Kamera, die hitzigen Kämpfe am roten Teppich der Oscars um die Stars. Außerdem bin ich der Ansicht, und das hat sich mit den Jahren immer mehr gefestigt, dass man keine Angst vor Fehlern haben darf und sollte. Niemand ist perfekt. Die kleinen Fauxpas machen alles authentischer. Ich hatte mal vor Jahren einen kompletten Blackout in einer Show. Mitten in der Moderation zu einem Spiel wusste ich nicht mehr, welche Show, welches Spiel und wer die Kandidaten sind. Ich hatte das Gefühl, es dauerte fünf Minuten, es waren jedoch vielleicht zehn Sekunden, aber da haben mein Körper und Kopf verrückt gespielt.

teleschau: Wie viel mehr Schweiß kostet es Sie, wenn Sie tatsächlich live moderieren müssen?

Gätjen: Ich liebe es, live zu moderieren. Ich habe das Gefühl, dass da noch mehr Energie bei mir freigesetzt wird. Es ist unmittelbar, nicht veränderbar und passiert genauso eins zu eins. Das finde ich großartig.

teleschau: Haben die langen Live-Abende der Stefan-Raab-Shows besonders abgehärtet?

Gätjen: Keine Frage, da habe ich unfassbar viel und von den Besten gelernt. Eine gute Vorbereitung und sich auf seine Instinkte zu verlassen, ist das A und O. Wir haben viel geprobt, aber live war meist alles anders, und das hat unendlich viel Spaß gemacht.

Wenn der Puls über Sieg und Niederlage entscheidet

teleschau: Wie kommt man denn auf so eine - vorsichtig gesprochen - etwas ungewöhnliche Idee wie die Show, in der sich alles um den Herzschlag dreht?

Gätjen: Der Puls reagiert auf die kleinsten und feinsten Nuancen im Spiel, die Resonanz des Publikums und des Teams. Ich finde es großartig, dass in "Die! Herz! Schlag! Show!" der Puls über Sieg oder Niederlage entscheidet und eine extra Fallhöhe im Regelwerk schafft. Wir alle merken tagtäglich, wie unser Herzschlag in den verschiedensten Situationen variiert. Das als zentralen Punkt für unsere Gameshow einzusetzen, finde ich toll.

teleschau: Spannendes Konzept, aber nicht ganz leicht umzusetzen: Was haben Sie sich spontan gedacht, als die Idee erstmalig an Sie herangetragen wurde?

Gätjen: Genau das: Spannend, aber wie wollen wir das machen? Die Show-Idee hat in mir eine große Neugier auf die Umsetzung geweckt. Entstanden ist eine abenteuerreiche Show mit packenden und verrückten Spielen - toll, was die Produktionsfirma für schöne Ideen hat.

teleschau: Sind Sie ein Mensch, der besonders angespannt in den eigenen Körper hineinhorcht?

Gätjen: Nein, aber ich weiß mittlerweile auch, was meinem Körper guttut und was er mag und was nicht. Ich bin ein Bauchmensch. Insofern kann ich viele Dinge, die mein Körper tut, gar nicht bestimmen, er macht einfach. Aber das fand ich in meinen bisherigen 47 Jahren immer gut.

teleschau: Bei welchen Gelegenheiten setzt bei Ihnen Herzrasen ein?

Gätjen: Ungerechtigkeit und Überheblichkeit. Arroganz. Aber auch bei Bon Jovi-Songs, tollen Filmen und wenn ich mich mit Freunden treffe und mal richtig einen ausschnacke.

"Ich brauche die Nähe zu meinen Gästen und Kandidaten"

teleschau: In Ausnahmezeiten wird ja auch jeder Fernsehabend zum Anlass, ganz genau und vielleicht ein wenig anders hinzusehen. Wie schwer war es für die vier neuen Show-Ausgaben so auszusehen, dass Sie auch in Corona-Zeiten keinen Zuschauer irritieren?

Gätjen: Das Ziel von "Die! Herz! Schlag! Show!" ist, von der ersten Minute an Spaß zu machen. Zwei Promi-Teams kämpfen in ganz neuen, verrückten Challenges, die es so noch nie gab, um einen Pokal. Das ist pure Unterhaltung. Ich bin davon überzeugt, dass wir die Zuschauer, auch oder besonders in Corona-Zeiten, mit unserer neuen Show begeistern können.

teleschau: Sie haben ja selbst schon unter den neuen Abstands- und Sicherheitsbestimmungen gedreht. Flaues Gefühl dabei im Bauch?

Gätjen: Nein. Es ist natürlich schade, ohne Zuschauer zu drehen, weil wir ja das Programm für sie machen. Es ist immer sehr schön, Publikum im Studio dabei zu haben und sich mit ihnen zusammen zu freuen oder sich auch gemeinsam zu ärgern. Ich bin auch ein sehr physischer Mensch, ich brauche die Nähe zu meinen Gästen und Kandidaten. Meine Aufgabe als Moderator ist es, den Zuschauer und unsere Teilnehmer und Teilnehmerinnen das Gefühl der Nähe trotz der Abstands- und Sicherheitsbestimmungen spüren zu lassen.

teleschau: Wie viel anders fühlt sich denn für Sie ein fast leeres Studio an?

Gätjen: Das kommt auf das Studio an. Wenn es eigentlich für bis zu 1.000 Zuschauer gebaut wurde, ist es anfangs schon komisch. Aber da entwickelt sich eine ganz eigene Dynamik - wie so ein kleiner, spaßiger Kindergeburtstag jedoch mit großen Spielen.

teleschau: Man sagt ja immer, als Moderator könne man die Schwingungen im Zuschauerraum aufnehmen und brauche sie auch. Stimmt denn das wirklich so ganz?

Gätjen: Ja, man reagiert natürlich auf das Publikum. Welcher Joke kommt an? Wann fiebern die Zuschauer mit? Das Publikum trägt einen und gibt einem enorme Energie, wenn es richtig mit der Show mitgeht. Ist es mal etwas unruhiger, kann das für den Moderator natürlich auch etwas anstrengender werden.

"Am Ende braucht man immer ein Zuhause"

teleschau: Wie haben Sie es privat geschafft, Sorgen um die eigene Gesundheit und die von Verwandten, Freunden und anderen lieben Menschen ab und an auch wieder auszublenden?

Gätjen: Ich blende die aktuelle Situation nicht aus und versuche auch gar nicht, alles auszublenden. Klar will ich nicht, dass meine Leistung beeinflusst wird. Aber ausblenden würde ja bedeuten, so zu tun, als gäbe es all das nicht, und das wäre nicht der richtige Weg.

teleschau: Was vermissen Sie im Alltag derzeit am meisten?

Gätjen: Freunde nicht in den Arm nehmen und drücken zu können. Meine Eltern nicht zu knutschen. Ich mag Hände drücken, auf die Wange küssen und sich in den Arm nehmen. Ich hoffe, dass das bald wieder geht.

teleschau: Gerade als der ProSieben-Mann in Hollywood verbindet man Sie mit dem Glamour der großen weiten Welt und der roten Teppiche. Wie stark ist derzeit Ihr Fernweh ausgeprägt?

Gätjen: Ich habe das Privileg, durch meinen Job viel herumzukommen. Das ist wunderschön, die Welt in all ihren Facetten zu sehen und die Menschen kennenzulernen. Das werde ich weiter versuchen zu tun. Aber am Ende braucht man immer ein Zuhause und einen Orientierungspunkt - das ist kein Standort, sondern der Platz bei meinen Liebsten, und die trage ich immer bei mir.