James Gray über "Zeiten des Umbruchs": "Wie ein bizarres Paralleluniversum"

Der US-amerikanische Regisseur James Gray drehte bereits mit Stars wie Joaquin Phoenix, Marion Cotillard und Brad Pitt. Doch nun hat er mit "Zeiten des Umbruchs" seinen wohl persönlichsten Film vorgelegt.

Regisseur James Gray mit den beiden jungen Protagonisten aus seinem autobiografischen Film
Regisseur James Gray mit den beiden jungen Protagonisten aus seinem autobiografischen Film "Zeiten des Umbruchs" in Cannes. (Bild: REUTERS/Stephane Mahe)

Der Film, der bei den Festspielen in Cannes im Mai 2022 seine Premiere feierte, erzählt in autobiografischen Anekdoten von Grays Aufwachsen im New York der 80er Jahre. Im Original lautet der Titel "Armageddon Time", der deutsche Kinostart ist am 24. November. Die Nebenrollen der Familiengeschichte sind hochkarätig besetzt: Anne Hathaway und Jeremy Strong spielen die Eltern von Grays Alter-Ego Paul (Michael Banks Repeta), sein Opa wird von Anthony Hopkins gespielt. Im Interview mit Yahoo spricht der Regisseur nun darüber, wie es sich anfühlt, einen solch intimen Film zu drehen und sein eigenes Leben plötzlich auf der Leinwand zu sehen.

Yahoo: Der Film basiert auf echten Ereignissen aus ihrer Kindheit. Was hat Sie dazu inspiriert, eine Geschichte mit realem Hintergrund zu erzählen?

James Gray: Ich wollte alles, was künstlich erscheinen und der Geschichte im Weg stehen könnte, entfernen. Mein Ziel war es, den ehrlichsten Film zu drehen, den ich machen kann. Einen Film, der so direkt wie möglich in die Seele geht. Deshalb habe ich Episoden aus meinem eigenen Leben verwendet, als eine Art Abkürzung. So wollte ich mich möglichst weit fern halten von allem, was vielleicht ironisch sein könnte oder dem Druck des Genres unterliegen würde. So was wie eine Schießerei mittendrin etwa. Ich hab versucht, von all dem wegzukommen und so ehrlich zu mir selbst zu sein, wie es geht.

Es ist so ein sehr persönlicher und intimer Film geworden. Gab es Momente, in denen Sie Zweifel hatten?

Ich bestehe quasi nur aus Zweifeln. Das einzige, woran ich immer glaube, ist meine eigene Verletzlichkeit. Es ist eine wirklich große Herausforderung, ehrlich zu sein. Und es folgt keine große Erlösung am Ende. Es ist nicht so, dass man das aufschreibt und der Moment plötzlich kommt, an dem man das Gefühl hat, eine riesige Bürde los zu sein. So funktioniert das nicht. Man versucht, tiefere Schichten herauszuarbeiten und mehr über sich selbst zu verstehen. Und man hofft, dass andere dann mit Empathie darauf reagieren und einem ihre Hand reichen.

Wenn man so etwas persönliches erzählt, hat man da nicht die Versuchung, einige Dinge auszulassen oder besser darzustellen, als sie eigentlich waren?

Das ist eine interessante Frage, auf die ich allerdings keine Antwort habe. Denn ich hatte absolut kein Interesse daran, mich selbst gut aussehen zu lassen. Ich hatte eher das Gefühl, das Ziel dieses Unterfangens war es, meine am wenigsten positiven Eigenschaften zu enthüllen. Das wurde mir eigentlich schon seit meinen Anfängen beigebracht, dass dies der Sinn und Zweck eines Künstlerdaseins ist. Nicht, etwas zu erschaffen, dass dich selbst gut aussehen lässt oder überhöht.

Michael Banks Repeta (links) spielt Grays Alter-Ego Paul Graff, Jaylin Webb seinen besten Freund Johnny. (Bild: Universal / 2022 Focus Features, LLC. Anne Joyce)
Michael Banks Repeta (links) spielt Grays Alter-Ego Paul Graff, Jaylin Webb seinen besten Freund Johnny. (Bild: Universal / 2022 Focus Features, LLC. Anne Joyce)

Mein Grund, diesen Film überhaupt zu machen war, zu zeigen, womit ich mich unwohl fühle: Hier ist das, was mir Sorgen bereitet. Denn ich denke, dass so interessantere Werke entstehen.

Wie hat es sich dann für Sie angefühlt, den Film schließlich zu sehen, besonders den jungen Schauspieler, der sie verkörpert, in den unangenehmeren Szenen?

Es ist ein sehr, sehr seltsames Gefühl. Als wir den Film gedreht haben, hab ich es nicht so gespürt. Da war ich einfach mitten in den Abläufen, das fordert viel Zeit und Energie und man ist im Kopf mit unmittelbaren Dingen beschäftigt. Ich erinnere mich, wie ich dann zum Schneiden ins Studio kam und Szenen aus meinem eigenen Leben sah, wie in einem merkwürdigen, bizarren Paralleluniversum. Da hab ich es erst wirklich begriffen, als ich mein Haus sah, meine Schule, die Darstellung meiner Freunde.

Es ist ein bisschen so, als würde man ein sehr akkurates Emojis von seinem eigenen Gesicht machen. Und das winkt dir dann zurück. Da macht man automatisch erstmal einen Schritt zurück.

Im Video: Trailer zu "Zeiten des Umbruchs"