Wie Schumacher eine Lüge in die Formel 1 verhalf

Die legendäre Karriere startete mit einer Lüge, Pfefferspray und einer Gefängnisstrafe. Hollywoodreif. Wie sich das für den bis heute erfolgreichsten Formel-1-Fahrer gehört.

Denn zu der Geschichte von Michael Schumachers Debüt in der Königsklasse am 25. August vor 28 Jahren gehört auch die ungewöhnliche Vorgeschichte. Denn ein Selbstläufer war der Sprung ins Jordan-Cockpit nicht. Im Gegenteil.

Erst wurde Stammfahrer Bertrand Gachot nach einem Streit mit einem Taxifahrer, den er mit Pfefferspray attackierte, verhaftet und zu einer Gefängnisstrafe verurteilt.

Für Schumacher, 22 Jahre alt und in der Formel 3000 und der Sportwagen-WM unterwegs, eine unverhoffte Chance vor dem elften Saisonrennen 1991 in Spa.

Weil sein Manager Willi Weber dann auch noch log.

Weber machte Teamchef Eddie Jordan den jungen Deutschen schmackhaft. "Who, the fuck, is Schumacher?", fragte Jordan zurück. Weber sagte: "Das ist der, der letztes Jahr Macau gewonnen hat." Der saß. Dort gewinnt noch heute nicht jeder. Macau war schon immer eine echte Empfehlung.

"Der Typ ist eine Rakete"

Die gab er bei 80.000 Dollar teuren Tests in Silverstone dann auch noch selbst ab. Schumacher brannte so sehr, dass die Ingenieure baten, er solle doch langsamer machen, den Motor bräuchte man noch in Spa. "Der Typ ist eine Rakete", war die Rückmeldung, Schumacher sei "wahnsinnig". Im positiven Sinne freilich.

Jordan, der sogar an einem einem Comeback von Keke Rosberg gearbeitet hatte, war überzeugt: Am Ende legte die Schumacher-Seite mit Hilfe von Mercedes die vom Teamchef geforderten 450.000 Dollar auf den Tisch.

Und Weber versicherte Jordan auch die zweite Bedingung: Schumi sei schon 100 Mal in Spa gefahren. Was nicht stimmte.

Weber-Lüge macht den Weg frei

Tatsächlich war er zuvor noch keinen Meter auf dem Ardennenkurs gefahren. Schumacher klärte die "Lüge" vor einigen Jahren, vor seinem schweren Skiunfall, bei auto motor und sport auf.

Denn Absicht war es keine. "Willi hat ja gesagt, weil er sich nicht vorstellen konnte, dass ich dort nie war. Er war einfach davon ausgegangen, weil Spa ja im Kalender der Sportwagen-WM war. Ich habe an dem Termin aber an einem Formel 3-Rennen teilgenommen", so Schumacher.

Das war zu dem Zeitpunkt, als es aufflog, aber schon völlig egal, weil Schumacher im Training mit Top-Ten-Platzierungen brillierte und auf dem siebten Startplatz stand.

Und die Formel 1 in eine Art Schockzustand versetzte: "Who, the fuck, is Schumacher?" Fast acht Zehntelsekunden war er schneller als sein Teamkollege Andrea de Cesaris.

Er hatte in Rekordzeit bewiesen, was ihn auszeichnete: Er konnte sich immer schnell auf neue Gegebenheiten, neue Strecken, neue Herausforderungen einstellen. Und alles um sich herum ausblenden.

Keine Heizung in der Herberge

Dass er im Overall seines Teamkollegen fahren musste? Geschenkt. Dass er, weil etwas mit der Hotelreservierung schiefgegangen war, in einer Jugendherberge nächtigen musste? Kein Ding, bis auf die Tatsache, dass er erkältet war und die Heizung nicht funktionierte. Dass das Team seinen Namen anfangs dauernd falsch rieb? Ein Running Gag. Dass sein Debüt auf der Kippe stand, weil bei Jordan der Gerichtsvollzieher auftauchte? Bekam Schumacher gar nicht mit.

Weber: "Ich habe Michael total abgeschirmt. Er sollte sich nur aufs Fahren und seine Arbeit mit den Ingenieuren konzentrieren. Wir waren so aufgeregt, dass wir die Randerscheinungen gar nicht so wahrgenommen hatten. Für uns sind alle Träume auf einmal in Erfüllung gegangen."

Schumacher konnte sogar genießen. "Ich war entspannt und ganz ruhig. Ich weiß selbst nicht, warum", so Schumacher über seine Emotionen bei der Fahrt in die Startaufstellung. "Es lief einfach alles so gut."

Doch der ganz große Traum, der vom sensationellen Sieg, der zerplatzte auf Platz fünf liegend kurz nach dem Start nach der Eau Rouge – Kupplungsschaden.

Probleme deuteten sich an

"Der Hintergrund war der, dass wir schon im Warmup Probleme mit der Kupplung hatten. Ich habe beim Briefing darauf hingewiesen, dass die Kupplung schleift. Wir haben uns die Köpfe heiß geredet, ob wir sie wechseln sollen oder nicht, doch schlussendlich hat Eddie gesagt, dass es zu viel Geld kostet. Dann ist sie halt kaputtgegangen", erinnerte sich Schumacher.

Andrea de Cesaris, der als Elfter ins Rennen gegangen war, hätte um ein Haar einen Podestplatz errungen, aber dann verrauchte der Cosworth-Motor kurz vor Schluss. Er lag auf Platz zwei.

"Da ich eine Ecke schneller war als der Kollege, kann man davon ausgehen, dass ich wenigstens auf Podestkurs gelegen, wenn nicht sogar gewonnen hätte. Das war für mich eine Riesensache. Insgeheim hat mich die verpasste Chance natürlich geärgert", sagte Schumacher.

Damals wusste er noch nicht, dass er noch viele Chancen bekommen sollte. Und dass er ganz viele davon nutzen würde. Ganz ohne Lügen oder Pfefferspray.