Kipping geht bei Lanz auf Wagenknecht los: "Als Linke demonstriert man nicht zusammen mit Nazis"

Wie groß ist die Gefahr eines russischen Atomschlags? Und wie groß ist der Verhandlungsspielraum mit Putin? "Wir sollten nicht Angst vor der Eskalation, sondern vor der Deeskalation haben", sagte am Donnerstag bei "Markus Lanz" der Ex-Oligarch Michail Chodorkowski. Katja Kipping kritisierte ihre Linken-Parteikollegin Sahra Wagenknecht scharf.

Katja Kipping kritisierte ihre Linken-Parteikollegin Sahra Wagenknecht bei
Katja Kipping kritisierte ihre Linken-Parteikollegin Sahra Wagenknecht bei "Markus Lanz" scharf. (Bild: ZDF)

Nicht nur die deutschen Waffenlieferungen in die Ukraine spalten aktuell die Gesellschaft. Auch Diskussionen über eine atomare Aufrüstung und den möglichen Einsatz von Nuklearwaffen lassen bei vielen Menschen die Alarmglocken läuten. Vor allem Linken-Politikerin Katja Kipping lieferte sich am Mittwochabend bei "Markus Lanz" ein hitziges Wortgefecht mit dem Moderator, als es um das NATO-Bündnis und Deutschland als möglichen Nuklearwaffen-Standort ging.

In der ZDF-Sendung stellte Ex-Oligarch Michail Chodorkowski zunächst fest, dass Friedensverhandlungen mit Russlands Präsident Wladimir Putin ins Nichts führen würden, denn: "Putin würde das immer wieder machen. Putin versteht das Konzept 'Win-Win' überhaupt nicht. Er versteht nicht, dass man sein Wort halten kann und muss. Er hat so oft seine Versprechen gebrochen. Deswegen ist die Möglichkeit der friedlichen Verhandlungen sehr eingeschränkt." Der aus London zugeschaltete Exil-Russe mahnte mit ernster Miene: "Wir sollten nicht Angst vor der Eskalation, sondern vor der Deeskalation haben."

Ex-Oligarch Michail Chodorkowski (zugeschaltet) mahnte bei
Ex-Oligarch Michail Chodorkowski (zugeschaltet) mahnte bei "Markus Lanz" noch mehr Entschlossenheit in der Auseinandersetzung mit Wladimir Putin an. (Bild: ZDF)

"Für Putin ist die Drohung nützlicher als die Tat"

Einen russischen Einsatz von Atomwaffen erwartet Chodorkowski jedoch nicht. Der Geschäftsmann, der 2005 zu neun Jahren Straflager in Sibirien verurteilt worden war, nachdem er sich offen gegen Putin gestellt hatte, erklärte bei "Markus Lanz": "Dieses Szenario ist heute dadurch gestoppt, dass es Putin eigentlich nicht viel bringt, wenn er taktische Atomwaffen einsetzt. Er hat glasklare Warnungen bekommen, dass er dann einen direkten Konflikt mit der NATO hätte." Putin wisse, wie die Machtbalance aussehe. "Das ist der einzige Grund, warum er nicht zu den taktischen Atomwaffen greift."

Atomwaffen-Experte Frank Sauer ergänzte daraufhin: "Ich nehme das grundsätzlich ernst, sage aber gleichzeitig, dass das Risiko gerade nicht akut ist." Sauer weiter: "Putin ist ein extrem schlechter Stratege. Die Invasion war ein katastrophaler strategischer Fehler. Er setzt nur diese gezielten Nadelstiche, um die nukleare Angst aufrechtzuerhalten." Sauer weiter: "Es ist schon so, dass die Drohung für Putin nützlicher ist als die Tat. Er manipuliert damit unser Verhalten."

Markus Lanz fragte daraufhin in Richtung des Politikwissenschaftlers: "Vielleicht hat Russland gar keine funktionierenden Atomwaffen mehr?" Frank Sauer dementierte jedoch prompt: "Wenn etwas zu schön klingt, um wahr zu sein, ist es in der Regel nicht wahr. In Russland gibt es ungefähr 6.000 Sprengköpfe. Und selbst wenn 90 Prozent nicht funktionieren würden, reicht der Rest aus."

Dennoch bekräftigte der Experte: "Wir können es nie ausschließen, dass es doch mal geschieht, dass eine Nuklearwaffe eingesetzt wird, aber ich halte das Risiko zurzeit für überhaupt nicht akut." Ex-Oligarch Michail Chodorkowski teilte den Optimismus nur bedingt und warnte bei "Markus Lanz": "Jeder Versuch, Putin zu beruhigen, dass die NATO kein Teil des Konflikts sein wird, führt dazu, dass Putin näher zu der Entscheidung rückt, taktische Atomwaffen einzusetzen. Aber das Leben muss weitergehen, unabhängig von diesen Risiken."

Der Ukraine-Krieg und die damit verbundenen Eskalationsgefahren waren einmal mehr das alles überlagernde Thema bei
Der Ukraine-Krieg und die damit verbundenen Eskalationsgefahren waren einmal mehr das alles überlagernde Thema bei "Markus Lanz". (Bild: ZDF)

Katja Kipping lässt sich kein Bekenntnis zur NATO entlocken

Den Gedanken einer solch fatal verlaufenden Deeskalationsstrategie vermochte Linken-Politikerin Katja Kipping nicht nachzuvollziehen. Sie erklärte im Gespräch mit Markus Lanz: "Die Idee der atomaren Abrüstung finde ich nach wie vor richtig. Es ist noch gar nicht so lange her, dass das Schicken von Panzern hochumstritten war. Jetzt wird plötzlich ganz selbstverständlich über atomare Aufrüstung gesprochen. Als der ZDF-Moderator fragte "Würden Sie sich klar zur NATO bekennen?", antwortete Kipping bestürzt: "Ich halte nichts von Bekenntnissen. Ich will ja nicht in ein anderes Extrem fallen. Am Anfang ging's um Helme und jetzt um atomare Aufrüstung. Was kommt als Nächstes?"

Lanz ließ nicht locker: "Was ist an einem Bekenntnis zur NATO extrem?", fragte der Moderator. Kipping konterte: "Die NATO ist ja zuallererst ein Militär-Bündnis", woraufhin Lanz erwiderte: "Das löst bei Ihnen nicht aus 'Wie gut, dass es die NATO gibt'?" Die Antwort der Linken: "Nein, das ist nicht mein Reflex."

Robin Alexander: "Frau Wagenknecht treibt ihre Partei immer weiter in die Bredouille"

Statt weiter über das Militärbündnis zu sprechen, wollte sich Kipping lieber über Partei-Kollegin Sahra Wagenknecht unterhalten, die wegen ihres "Manifests für Frieden" nach wie vor in aller Munde ist. Einem Demonstrationsaufruf am Wochenende in Berlin waren unter anderem auch Rechtsradikale und Verschwörungsanhänger gefolgt.

Lesen Sie auch: Kommentar: Sahra Wagenknecht sucht die Macht – wo auch immer

Katja Kipping kritisierte bei "Markus Lanz" nicht nur die Haltung Wagenknechts, sondern sprach auch über eine "besorgniserregende Entwicklung" innerhalb ihrer Partei: "Als Linke demonstriert man nicht zusammen mit Rechten und Nazis", stellte die Berliner Sozialsenatorin klar. Da dürfe es "keine Zweideutigkeiten geben und kein Spiel". Linkssein heiße: "Du bist an der Seite derjenigen, die angegriffen wurden. Und das sind zwei Welten."

Journalist Robin Alexander schaltete sich daraufhin in die Diskussion mit ein und dementierte, dass das Problem einzig und allein bei Sahra Wagenknecht liege: "Es ist eine Illusion, dass es nur eine Frau in der Partei ist", bekräftigte der Hauptstadtjournalist. "Frau Wagenknecht hat sechs harte Anhänger in der Fraktion. Sie treibt die Partei immer weiter in die Bredouille, die auf Frau Kippings Gesicht gerade deutlich zu lesen ist."

Im Video: "Friedensdemo" oder "Friedensschwurbler"? Wagenknecht spricht von 50.000 Protestierenden