Kolumne: Wem der Weißdorn blüht

Wenn alles im Garten gleichzeitig blüht, aber die Bienen fehlen - Frau Keseling stapft durch Stadt und Land

An Ostersonntag war der Garten plötzlich verschwunden. Als ich morgens aus dem Fenster schaute, war er komplett weg. Weder Schuppen noch Gartenmöbel waren zu sehen, die frisch bestellten Beete fehlten, wo die Obstbäume am hinteren Gartenrand war – nichts. Stattdessen schaute ich auf eine kompakte, weiße Fläche. Als hätte jemand den Garten einfach wegradiert.

Dass es an Ostern schneit, kommt ja alle paar Jahre mal vor. Dass aber gleichzeitig die Obstbäume blühen, habe ich noch nicht erlebt. Kirschen, Pflaumen und Äpfel haben fast gleichzeitig ihre weißen Blüten geöffnet. Nur die Pfirsiche hoben sich zartrosa vom kompakten Weiß ab. Eigentlich blühen sie lange vor den anderen Bäumen, aber dieses Jahr ist das anders. Eigentlich sah das Schneeparadies da draußen ziemlich schön aus, fand ich. Sozusagen als Ausgleich für die grünen Weihnachten dieses Jahr gab es wenigstens weiße Ostern. Trotzdem machte es mich nicht zufrieden. Und das nicht nur, weil der Osterspaziergang ausfiel.

Früher habe ich oft nicht verstanden, dass meine Gartennachbarn – allesamt ältere Leute – oft ganz anderer Laune waren als ich, wenn wir uns am Gartenzaun trafen. War ich vom Winterwetter genervt, hieß es nur: Besser Schnee als Trockenfrost! War ich glücklich, weil die Sonne schien, wiegten sie sorgenvoll die Köpfe: "Diese Dürre! Die Kartoffeln werden dieses Jahr nüscht!" Streckten meine Erbsen quietschfidel im April ihre Triebe aus der Erde, brach meine Nachbarin, eine 80-jähriger Gärtnerstochter, in Wehklag...

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