Kommentar: Aldi hat die Glocken nicht gehört

Landwirte demonstrieren für faire Preise. (Bild: REUTERS/Herwig Prammer)
Landwirte demonstrieren für faire Preise. (Bild: REUTERS/Herwig Prammer)

Der Discounter will Fleisch billiger machen. Klingt erstmal gut. Ist aber in Wirklichkeit eine Sauerei.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Hauptsache, das Kotelett wird verkauft. Deutschlands mächtigster Discounter setzt gerade auf eine Gegenbewegung: Weil sich Schweinefleisch derzeit nicht so gut verkauft, soll es billiger werden. Damit macht Aldi die Sau zum Gärtner.

Es ist zum Heulen. Aldi will die Folgen des eigenen Tuns nicht bedenken, weil: Hauptsache, die Kasse klingelt, für einen kurzen Moment. Denn an diesem Manöver ist alles falsch.

Natürlich sind Fleisch und Wurst normale Elemente unseres Essensalltags. Sie sollten auch für arme Bürger erschwinglich sein. Doch einiges muss sich ändern.

Immer auf die Knochen

Schweinefleisch steht momentan nicht hoch im Kurs, weil es eine Diskussion um Schlachthöfe gibt. In ihnen gab es vermehrt Corona-Fälle, und dies nicht von ungefähr: Die Betreiber beuten ihre Bediensteten mit Werkverträgen aus und bringen sie in Sammelunterkünften unter, all dies entspricht oft kaum wichtigen Hygienebedingungen – Corona war hochwillkommen. Die Arbeit in einem Schlachthof ist kein Zuckerschlecken. Doch anstatt diesen Knochenjob entsprechend gut zu entlohnen, setzen die Fleischbarone auf das Billigprinzip; während also zum Beispiel Angestellte der Müllabfuhr es durchgesetzt haben, besser bezahlt zu werden, suchen die Schlachthöfe einfach Arbeiter aus anderen, ärmeren Ländern. Ihr Prinzip: Friss, Vogel, oder stirb…

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Was Deutschland also braucht, sind bessere Bedingungen bei der Fleischverarbeitung. Dies kostet mehr Geld. Wenn sich Aldi aber nun für einen Preiskampf entscheidet, gießt der Discounter Öl ins Feuer.

Dann müssen nämlich andere Discounter nachziehen, und am Anfang der Spirale werden es die Landwirte und die Schlachthöfe sein, denen man noch weniger für ihre Ware zahlt.

Dabei könnte man es besser machen. An dieser Stelle will ich nicht aufzählen, warum VIEL Fleischkonsum schlecht für die Gesundheit und schlecht für den Planeten ist. Für alle. Planen wir also, was gemacht werden muss, damit wir gutes Fleisch von nicht unglücklichen Tieren zu bezahlbaren Preisen hinkriegen: Es müsste subventioniert werden. Und zwar natürlich nur Biofleisch. Nur dies garantiert Bedingungen, die wir brauchen. Besser schmeckt es auch.

Was getan werden kann

Während wir schon eine Bewusstseinsänderung brauchen, nach der es nicht selbstverständlich sein sollte, Fleisch und Wurst jeden Tag in Mengen zu schaufeln, sollten Hersteller und Verarbeiter dafür belohnt werden, wenn sie ökologisch und sozial arbeiten. Die Landwirtschaft kriegt Subventionen für aberwitzige Angelegenheiten – hier würden sie Sinn machen. Der Beruf des Schlachters war früher einmal angesehen. Es wurde von den Tieren auch viel mehr verarbeitet; heute muss es Filet und portioniert und paniert sein. Uns ist ein gewisser guter Geschmack verloren gegangen.

Fleisch muss teurer werden. Aber moderat. Damit einher kommt bessere Qualität, also mehr Wertschätzung. Und am Ende werden alle zufrieden sein, auch die Discounter. Die sollten bloß anfangen, nicht nur bis morgen zu denken. Denn ein jetziger Preiskampf würde ihnen langfristig nur schaden.

Mein Aldi um die Ecke bietet fast nie frisches Bio-Fleisch an, auch kein Jagdfleisch gibt es im Tiefkühlfach. Dann finde ich ein, zwei Sorten Biowurstscheiben im Regal, und das war’s. Vielleicht sollte man bei Aldi mal anfangen nachzudenken.

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