Kommentar: Artikel 13 - Operation gelungen, Patient tot

Protest gegen Artikel 13 in Berlin (Bild: dpa)
Protest gegen Artikel 13 in Berlin (Bild: dpa)

Wie die neue EU-Urheberrechtsrichtlinie Meinungsfreiheit und Netzkultur bedroht.

In der Internetcommunity brodelt es derzeit nicht mehr nur, sondern das Fass ist kurz vorm Überlaufen. Grund dafür ist die geplante EU-Reform des Urheberrechts und vor allem ihre Auswirkungen auf das freie Internet. Lange Zeit wurde die “Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt” streng geheim gehalten.

Ganz anders als noch vor drei Jahren bei den TTIP-Verhandlungen, wo eine zunehmend verunsicherte Öffentlichkeit Einblick in die Vertragsdetails erzwang, entstand die vorgesehene Novellierung der Urheberrechtsrichtlinie quasi unbemerkt im stillen Kämmerlein, im trauten Miteinander von europäischen Großverlagen und ihren politischen Lobbyisten.

Offenkundig wurde alles daran gesetzt, dass die vor allem betroffenen Internetnutzer und kleineren Produzenten jeglichen Web-Contents bis heute keinen tieferen Einblick in den Entwurf der neuen Richtlinie bekommen sollten und diese irgendwann geräuschlos, par ordre de Mufti, in gültiges Recht gegossen würde. Und tatsächlich: Über die eigentliche Tragweite der Neufassung war die breite Öffentlichkeit monatelang nicht im Bilde.

Es war dann zuerst die Europaabgeordnete Julia Reda (Piraten), die den Textentwurf leakte und der deutschen Öffentlichkeit zugänglich machte. Prompt sorgte der Inhalt für einen immensen Aufschrei und provozierte einen rasch wachsenden Widerstand, der hierzulande mittlerweile größer sein dürfte als die damaligen Proteste gegen das Netzwerksdurchsetzungsgesetz des damaligen Bundesjustizministers Heiko Maas, oder gegen den Vorstoß der damaligen Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen zugunsten von Sperrverfügungen im Internet (der dann unter anderem zur Aktion “Löschen statt sperren” führte).

Artikel 13 führt zwangsläufig zu Upload-Filtern

Kristallisationspunkt der Kritik und Stein des Anstoßes für Millionen Internetnutzer, Bürgerrechtsorganisationen, Menschenrechtsaktivisten und Internetexperten ist in dem aktuellen Entwurf der Richtlinie vor allem der Artikel 13. Dieser schreibt eine aktive Kontrollpflicht aller Internetinhalte durch die Plattformen (z.B. YouTube) vor, um Urheberrechtsverstöße zu detektieren und folglich unzugänglich zu machen. Weil dies angesichts der schieren Fülle hochgeladenen Contents durch menschliche Arbeitskraft nie zu gewährleisten wäre, würde diese Vorgabe automatisch zum Einsatz von Upload-Filtern führen.

Genau hier liegt jedoch das eigentliche Problem: Diese Filter, und fußten sie auf noch so ausgeklügelter Erkennungs- und Vergleichssoftware, sind – und das ist unbestritten – selbst bei raffiniertester Funktionsweise, ausgeklügelten Algorithmen und niederschwelligen Prüfreferenzen derart ungenau, dass es grundsätzlich zu einem sogenannten Overblocking käme: Im Zweifel wird einfach drauflos blockiert. Selbst legale Inhalte wären somit kaum noch publizierbar. Parodien oder Satire etwa, die Originalinhalte aufgreifen, ergänzen, neu abmischen oder verfremden, ob nun in Text, Bild oder Ton, würden so praktisch unmöglich gemacht.

Einem journalistisch tätigen YouTuber wäre es nicht mehr ohne weiteres möglich, auf andere Inhalte zu reagieren, diese selbst mit Kennzeichnung zu nutzen oder Zitate fremder Inhalte in seinem eigenen Werk zu implementieren. Somit wären Künstler und Journalisten, die in Deutschland unter dem besonderen Schutz von Artikel 5 GG stehen, durch den Artikel 13 nicht nur in ihrer künstlerischen Freiheit bzw. Meinungsfreiheit faktisch empfindlich eingeschränkt; zudem würden diese Nutzergruppen künftig wohl ihre Inhalte selbst reduzieren und im Zweifel vor Veröffentlichungen zurückschrecken – aus schierer Angst , von Plattformen wie YouTube ausgeschlossen zu werden.

Dieses Resultat nennt man “Chilling effect”, ein schleichendes Verstummen des Netzes infolge von Selbstzensur, und es bedeutet eine der größten Gefahren für unsere Meinungs- und Pressefreiheit. Vor dem realen Hintergrund dieser Gefahren ist ohnehin davon auszugehen, dass insbesondere besagter Artikel 13, sollte er tatsächlich beschlossen werden, sowohl vor dem Bundesverfassungsgericht als auch dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zur Disposition gestellt werden wird.

Europaweit haben Kritiker bereits angekündigt, im worst case der Verabschiedung der Richtlinie alle Instanzen auszuschöpfen, um nicht nur das reklamierte “Recht auf Remix” (also die Rekombination und Zweitverwertung von Netzinhalten in neuem Kontext) zu behaupten, sondern ganz grundsätzlich die geistige Freiheit im Internet zu schützen. Im Lichte früherer Entscheidungen der genannten höchsten Gerichte ist nur schwer vorstellbar, dass der Artikel 13 weiter Bestand haben wird.

Falsche Lösung für berechtigtes Anliegen

Der Hintergrund einer Richtlinienänderung, insbesondere auch von Artikel 13, ist zunächst durchaus nachvollziehbar: Rechteinhaber beklagen seit langem, dass sich unzählige User unentgeltlich an ihrem geistigen Eigentum im Netz bedienen. Bilder, Texte und sonstiger Content wird fleißig geteilt, kopiert, teilweise auch ohne Quellenangaben weiterverbreitet und somit buchstäblich nicht wertgeschätzt. Dies ist unbestritten wahr. Doch man schafft hier keine Abhilfe, indem man Content entweder kostenpflichtig macht oder ihn einfach blockt.

Wenn es nur um die Rechtewahrung ginge, könnte man getrost bei dem bislang praktizierten Verfahren bleiben, das als “Notice-and-take-down” bekanntgeworden ist: Wenn sich ein Urheber seine Rechte unzulässig verletzt sieht, so meldet er selbst aktiv dem Provider den Verstoß und weist seinen Rechtsanspruch nach; erst dann muss der Provider reagieren und den fraglichen Inhalt aus dem Netz nehmen.

Es ist dasselbe wie mit strafbaren Facebook-Inhalten, wo dieses Prinzip vor Einführung des unseligen Löschapparats infolge des Netzwerksdurchsetzungsgesetzes ebenfalls Anwendung fand. Die Richtlinie hätte besser dieses Prinzip festschreiben und eventuell sogar noch strikter regeln sollen, statt den Seitenprovidern die unlösbare Aufgabe vorzuschreiben, eine permanente Inhaltskontrolle vorzunehmen, was unweigerlich zu untauglichen Upload-Filtern führen wird.

Die EU kehrt hier zu demselben Fehler zurück, an dem Deutschland – verhängnisvollerweise – ganze zwei Jahrzehnte seit der ersten Einführung des World Wide Web festhielt: Als bei uns nämlich der Ausbau öffentlicher Hotspots durch die engstirnige, vorgestrige Anwendung der Störerhaftung auf alle WLAN-Provider praktisch bis zur Unmöglichkeit erschwert wurde, mit der Folge, dass an öffentlichen Plätzen, in Lokalen und Geschäften ein ungefiltertes, freies Netz die absolute Ausnahme war, derweil öffentliches WLAN in den USA und Asien so allgegenwärtig wie freies Radio war. Erst seit man eingesehen hat, dass nur der Endnutzer, nicht aber der Provider verantwortlich für die Inhalte ist, ist freies WLAN auch hier allgegenwärtig. Bei der Urheberrechtsrichtlinie geht man nun leider gerade den umgekehrten Weg.

Lebensblut des Internet in Gefahr

Desweiteren wird übersehen, dass das Internet in seiner explosiven, unzähmbaren Kreativität und unerschöpflichen Vielseitigkeit von der milliardenfachen Verbreitung geistiger Ideen, deren Rezeption, Neuinterpretation und Variation nun einmal lebt. Dies unter Urheberrechtsaspekten zu kontrollieren und jede Folgenutzung einer Erstschöpfung kostenpflichtig zu machen, ist ein Ding der Unmöglichkeit.

Die Diskussion hierüber erinnert an die Anfänge der Kopiertechnik oder der ersten Audiokassetten in den 1960er/1970er Jahren, als die Industrie schnell erkannte, dass deren Verbot gänzlich unrealistisch ist. Die Lösung bestand damals darin, die Hersteller der Vervielfältigungsgeräte und Datenträger pauschal mit Urheberrechtsabgaben zu belasten und diese Erlöse an die Rechteinhaber auszuschütten; in Deutschland geschieht dies über Verwertungsgesellschaften oder andere Zwischenstellen, jedoch niemals über die Rechteinhaber selbst. Eine individuelle Lizenzierung ist hier unpraktikabel.

Dasselbe gilt für die Lizenzierung von digitalen Inhalten im Netz; es wäre eine Illusion, zu glauben, Autoren, Fotografen oder Künstler kämen durch die geplante Neufassung der EU-Urheberrechtsrichtlinie ernsthaft in den Genuss von fallweisen Tantiemenzahlungen. Genau hier liegt auch der Geburtsfehler der neuen EU-Urheberrechtsrichtlinie: Sie hält praktisch am Gedanken einer Rechteverwertungspraxis des analogen Zeitalters fest.

Für Urheberrechtsfragen in Zusammenhang mit Audiokassetten wurde seinerzeit eine praktikable Lösung gefunden (Symbolbild: Getty Images)
Für Urheberrechtsfragen in Zusammenhang mit Audiokassetten wurde seinerzeit eine praktikable Lösung gefunden (Symbolbild: Getty Images)

“Der im Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments verabschiedete Text orientiert sich eher am Interesse klassischer Urheberrechtsindustrien als an einer Modernisierung im Sinne des digitalen Binnenmarkts”, meint denn auch der Urheberrechtsexperte Reto Hilty, Direktor des Münchner Max-Planck-Instituts für Innovation und Wettbewerb.

Wenn es überhaupt einen finanziellen Ansatz gibt, das Urheberrechtsproblem im Netz zufriedenstellend zu lösen, dann müsste der ähnlich aussehen wie im Falle von Kopiergeräten, Druckern oder Datenträgern: es könnte etwa über den Netzbetreiber, der den Datentraffic abrechnet, eine pauschale Vergütung eingebaut werden, die dann an Nutzergruppen – Schriftsteller, Zeitungsverlage, Fotoagenturen etc. – nach Quoten ausgeschüttet wird.

Eine Monetarisierung, wie sie nach Jahren des Wildwuchses bei Musik und Filmen durch Apple Music, Netflix oder Spotify inzwischen gang und gäbe ist, ist bei den meisten betroffenen Inhalten eben nicht machbar – weil es keine zählbaren Abrufe wie bei einzelnen Werktiteln gibt und weil die Schöpfungen ihren Urhebern nicht annähernd so eindeutig zuzuordnen sind.

Fataler Bumerangeffekt

Dann aber so weit zu gehen, im Zweifel durch Verbote und Sperrungen indizierte Urheberrechtsverstöße, ob echte oder vermeintliche, einfach komplett aus dem Netz zu entfernen, würde in einem Desaster für die gesamte Netzkultur, für das Internet als den wichtigsten Informationsbasar unseres Zeitalters münden. So wird die EU-Richtlinie zum Bumerang.

Gerade die deutschen Zeitungsverlage, die bei der Ausarbeitung der Richtliniennovelle besonders Druck machten und ihre politischen Lobbyisten in Stellung brachten und für das neue EU-Urheberrecht vehement eintreten, könnten von diesem Bumerangeffekt übrigens als erste negativ betroffen sein. Sie wollten unbedingt erreichen, dass Google und die großen Nachrichtenportale endlich Lizenzgebühren für Anteasern, Bereitstellung und Verbreitung ihrer Artikel und Newsfeeds zahlen.

Dies beträfe u.a. auch die sogenannten “Snippets”, kleinere Ausschnitte und Textschnipsel, wie sie etwa bei der Schlagwortsuche in Suchmaschinen aufpoppen. Aufgrund des Leistungsschutzrechts, das wiederum in Artikel 11 der Richtlinie explizit für Presseverlage festgeschrieben ist, sind diese zu vergüten. In Verbindung mit Artikel 13 sollen sie jedoch künftig, wenn die Provider nicht jedes Mal zahlen (was im Einzelfall gar nicht realisierbar wäre) einfach nicht mehr angezeigt werden.

Das jedoch ist den Verlagen wiederum auch nicht recht – denn damit würden sie in allen Rankings in die Bedeutungslosigkeit zurückfallen und Marktanteile ausgerechnet im Onlinegeschäft verlieren, das sie angesichts des schrumpfenden Printsektors überhaupt noch am Leben hält.

Das warnende Beispiel ist Spanien, wo sich Google mit seinem Angebot Google News nach einer nationalen Urheberrechtsverschärfung vollständig vom Markt verabschiedete. Würde Ähnliches nach der geänderten Richtlinie europaweit passieren, wäre die Informationsfreiheit für EU-Bürger wohl stärker beeinträchtigt als etwa für Chinesen oder Türken durch staatliche Netzrepressionen. So wird Europa abgehängt.

Monopolisten könnten profitieren – sind aber selbst skeptisch

Abgesehen von der fehlenden Praktikabilität bei der Umsetzung der geforderten Kontrollpflicht durch die Content-Provider wären die unumgänglichen Upload-Filter auch ein ganz erheblicher Kostenfaktor, der selbst die Marktriesen Google und seinen Videodienst YouTube vor gewaltige Herausforderungen stellt. Die Plattformbetreiber selbst halten sie für gar nicht seriös umsetzbar.

Dass sogar die Marktführer diese skeptische Haltung vertreten, sollte alle Befürworter der Richtliniennovelle erst recht aufhorchen lassen: Denn ein weiterer Effekt des unrühmlichen Artikels 13 ist es ja gerade – auch das ein Haupteinwand von Kritikern -, dass er zur weiteren Verfestigung der marktbeherrschenden Stellung von YouTube bzw. Google beiträgt.

Während es für kleinere oder neue Plattformen durch die verschärfte Richtlinie überhaupt keine Möglichkeit mehr gäbe, sich legal im Markt zu behaupten, könnten nur die Big Players die Infrastruktur finanziell schultern und von der folgenden Marktbereinigung profitieren würden. Wenn diese trotz der ihnen von der EU bescherten Aussicht auf weitere Monopolisierung gegen die neue Richtlinie Front machen, zeigt das, wie handwerklich schlecht und folgenschwer die geplante Rechtsänderung gearbeitet sein muss.

Die inzwischen, soweit bekannt geworden, in den Verordnungstext des parlamentarischen EU-Rechtsausschusses eingearbeiteten Verbesserungen schaffen zwar einige Ausnahmetatbestände; so sind Non-Profit-Organisationen, darunter auch Wikipedia, von der rigiden Contentüberwachung ausgenommen, kleinere Provider, die als Start-Up-Unternehmen jünger als drei Jahre sind, werden von der Haftung teilweise freigestellt (schon weil der Aufwand der Bereitstellung notwendiger Kontrollmechanismen für sie existenzgefährdend wäre) – an der fatalen Gesamtwirkung der Richtlinie ändert all das jedoch nichts. Es wird faktisch zur massenhaften Zensur kommen, das Netz wird inhaltlich verarmen.

Die Ignoranz der EVP

Trotz dieser schwerwiegenden Einwände jedoch halten die EVP im Europaparlament, hier insbesondere die CDU als federführende politische Kraft, unverdrossen an der Novelle fest. Besonders empörend dabei ist, dass nicht nur die parteiinternen Verlagslobbyisten hier offenkundig ganze Arbeit geleistet haben, sondern dass man sich mit geradezu kaltschnäuziger Ignoranz über Kritiker hinwegsetzt.

Dies bekam einer der engagiertesten und profiliertesten Gegner der neuen Richtlinie, der Kölner Medien-Rechtsanwalt Christian Solmecke, zu spüren. Dieser ist im Internet und den sozialen Medien sehr aktiv. Nachdem er in mehreren sehr sehenswerten Videos seines YouTube-Kanals (Kanzlei WBS) ausführliche Hintergrundinformationen vor allem zu den Folgen des Artikels 13 der Urheberrechtsrichtlinie zur Verfügung gestellt hatte, schoss sich der Hamburger Juraprofessor Heribert Hirte, der für die CDU im Wahlkreis Köln II im Bundestag sitzt, auf Solmecke ein.

Nachdem ihn Solmecke gemeinsam mit dem EU-Unions-Parlamentarier Axel Voss zu einer Diskussion am 18.3. rund ums Thema digitales Urheberrecht geladen hatte, wo die Politiker gemeinsam mit namhaften YouTubern wie HerrNewstime, Rewinside und vielen anderen hätten diskutieren sollen, blieb Hirte eine Antwort schuldig. Stattdessen twitterte er feixend, Voss hätte ihm anvertraut, von der Diskussionseinladung überhaupt nichts gewusst zu haben, und schloss mit dem vielsagenden Statement: “Anwaltlicher Lobbyismus in eigener Sache ist nicht unproblematisch”.

Darauf machte Solmecke die E-Mail öffentlich, mit der er nicht nur Voss, sondern auch Hirte eingeladen hatte, und warf die Frage auf, was seine Aussage “…meine Kritik am geplanten digitalen EU-Urheberrecht mit Lobbyismus zu tun hat”. Hirte verlinkte daraufhin die Homepage von Solmeckes Kanzlei (die bislang über 70.000 Mandanten wegen Abmahnungen rund ums Thema Filesharing vertreten hat), und twitterte die Frage, wieviel “Gewinn” Solmecke wohl mit diesen Mandaten generiert habe.

Zudem forderte er vielsagend FAZ-Wirtschaftsredakteur Henrik Widuwild auf, zu recherchieren, wieviel Umsatz Solmecke mit seiner “Rechtsvertretung von Tauschbörsen erzielt hat”. Dass ein Rechtsanwalt viele Mandanten hat und in seinem Beruf Geld verdient, ist für den Rechtswissenschaftler Hirte also “Lobbyismus”?

Namentlich warf Hirte Solmecke außerdem vor, nur deshalb gegen den fraglichen Artikel 13 zu sein, weil er dann “kein Geld mehr durch die Vertretung von Tauschbörsen” mehr verdiene. Solmecke stellte daraufhin – völlig zu recht – klar, dass Tauschbörsen nichts mit Artikel 13 zu tun haben, da es hier nicht um digitales Urheberrecht, sondern um Peer-2-Peer-Abmahnungen geht, mithin also um etwas völlig anderes – was MdB Hirte, als Volljurist, hätte eigentlich klar sein müssen.

Weber will schnell Fakten schaffen

Doch Heribert Hirte ist nicht der einzige Unionspolitiker, der angesichts des berechtigten Widerstands von Usern und Experten gegen Artikel 13 nervös wird, da sich nun innerhalb und außerhalb des Netzes der Protest häuft und es zunehmend zu spontanen Demos kommt. Niemand geringeres als der Vorsitzende EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, CSU-Mann Manfred Weber, setzt neuerdings alles daran, die demokratische Debatte kurzerhand abzuwürgen und Fakten zu schaffen.

Statt zum geplanten Abstimmungstermin am 26.3.2019 will er nun die Abstimmung vorziehen. Ziel ist ganz offensichtlich, die Richtliniennovelle noch vor dem 23.3.2019 zu verabschieden – für dieses Datum haben nämlich alle Gegner von Artikel 13, von Upload-Filtern und von massenhafter Zensur im Netz im Namen des angeblichen Urheberrechts zu massenhaften Großdemonstrationen aufgerufen.

Schon zuvor soll es, wo immer möglich, zu spontanen Kundgebungen und Protestaktionen vor CDU- und CSU-Parteizentralen kommen, so wie diese Woche in Berlin. Weber und seine Parlamentskollegen wollen daher die Richtlinie im Hauruck-Verfahren durchs EU-Parlament boxen, koste es, was es wolle.

Es bleibt zu hoffen, dass die Union mit diesen unseriösen Manövern nicht durchkommt – und dass die Politiker noch rechtzeitig aufwachen und begreifen, welchen katastrophalen Schaden sie mit der geplanten Richtlinie, insbesondere Artikel 13, im Begriff sind anzurichten. Die Folgen werden sich dem Einzelnen erst später erschließen.

Ein Ergebnis kann man schon jetzt vorhersagen: Wenn die Richtlinie in der geplanten Fassung Wirklichkeit wird, wird sie zu weiterem Politikverdruss, zu einem nachhaltigen Vertrauensverlust in die EU führen, und sie wird einen massiven Zorn auf die weltfremde Brüsseler Bevormundungspolitik aufbauen. Welche politischen Kräfte hiervon am Ende wieder profitieren, kann man sich an fünf Fingern abzählen.