Kommentar: Badstubers Muschi-Gejammer ist frauenfeindlich – warum sagt das keiner?

STUTTGART, GERMANY - OCTOBER 20: referee Benedikt Kempkes and Holger Badstuber of VfB Stuttgart gestures during the Second Bundesliga match between VfB Stuttgart and Holstein Kiel at Mercedes-Benz Arena on October 20, 2019 in Stuttgart, Germany. (Photo by TF-Images/Getty Images)
Der Moment, bei dem Holger Badstuber rot sah: Der Verteidiger des VfB Stuttgart erhielt am Wochenende einen Platzverweis und polterte los (Bild: Getty Images)

Der Fußballspieler des VfB Stuttgart langte verbal ordentlich hin. Nun windet sich, wer kann – ohne die Dinge beim Namen zu nennen.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Neulich ging es in Stuttgart heiß her. Holger Badstuber flog bei der 0:1-Heimpleite des VfB gegen Kiel mit Gelb-Rot vom Platz. Bei seinem Abgang rief der Verteidiger mit schriller Stimme und offenbar in Richtung Schiri: „Ihr seid Muschis geworden, Muschis!“

Nun rätselt die Fußballwelt über seinen „Muschi-Ausraster“ (O-Ton „Bild“-Zeitung). Warum bemühte Badstuber ein Körperteil von Frauen, um Schiedsrichter zu beschreiben? Was interessiert den Spieler an Vulven, oder genauer: Was stört ihn daran? Aus seinem nicht gerade erfreuten Gesichtsausdruck bei jenen Worten lässt sich schließen, dass Badstuber den Schiedsrichtern keine Nettigkeiten mit auf den Weg geben wollte. Eine Vulva findet er blöd, oder was?

Jetzt wird es wissenschaftlich

Interessant sind die Erklärungsversuche. Sein Mannschaftskollege Mario Gomez zum Beispiel eilte wohl in die Bibliothek und studierte Almanache und Lexika, jedenfalls meinte er: „Das ist in der Situation unnötig, aber auch, sag ich mal, fußballdeutsch.“ Eine genaue Übersetzung dieses fußballdeutsch ins Hochdeutsche unterließ der Stürmer.

Stuttgarts Sportdirektor Sven Mislintat dagegen verlegte sich auf Temperatur- und Gewichtsmessungen: „Ich hoffe, dass man so ein bisschen bewertet, dass die Jungs heiß sind in den Situationen und ich hoffe, dass man das Wort nicht auf die Goldwaage legt.“

Von Trainer Tim Walter ist ferner überliefert, dass im Fußball "nicht immer alles zaghaft ist", und Badstuber selbst verlautbarte auf Twitter: „Hochemotionales Spiel heute. Ich habe mich ungerecht behandelt gefühlt und falsch reagiert. Das tut mir leid und ich entschuldige mich bei allen Beteiligten. Ich bin meiner Vorbildfunktion nicht gerecht geworden.“

Fragt sich, wer sind Badstubers Meinung nach „alle Beteiligten“. Ich finde: Das sind alle Frauen. Nicht die Schiedsrichter hat er beleidigt, sondern Frauen. Meinetwegen hätte er die Spielleiter mit allen möglichen Beleidigungen überziehen und dann seine Strafe kassieren können – dass er aber mit „Muschi“ ein herabwürdigendes Frauenbild malt und keiner das beim Namen nennt, das halte ich für den wahren Skandal.

Natürlich wird man beim Fußball hitzig. Und wer den Ball zaghaft angeht, wird nicht von Erfolg verwöhnt sein. Was aber hat das mit Frauen zu tun? Denken Badstuber und die Deuter seiner Worte, dass Fußballerinnen nicht hitzig werden und zaghaft an den Ball gehen? Sollen die in solch einem Fall den Schiris zurufen, welch Penisse sie seien?

„Muschi“ in diesem Zusammenhang bedeutet nur eines: in der Hierarchie geht es abwärts. Das nennt man frauenfeindlich. Sagt bloß keiner, weil: Angeblich ist Fußball so. Ist er aber nicht. Nur ein antiquiertes Bild von Fußball ist so. Und das heißt nicht, dass es im Fußball nicht kämpferisch, aggressiv und manchmal auch beleidigend zuzugehen habe.

Aber offenbar denken einige, dass man SOWAS noch sagen könne – in der „Hitze des Gefechts“. Einen gewissen Aufschrei hätte Badstuber produziert, hätte er die Schiedsrichter mit „Neger“ oder „Kanacken“ tituliert, denn mittlerweile genügend geächtet sind diese Schmähungen. „Schwul“ hört man in diesem Zusammenhang noch ab und zu, aber zum Glück auch seltener. Nur die Muschi bleibt. Und damit noch eine gewisse Wegstrecke zu gehen und eine Lernkurve zu nehmen.

Dieses Badstuberchen

All dies erinnert mich an ein Fußballspiel in der D-Jugend, das ich mal anschaute. Ein Trainer rief recht bald hinein: „Ihr seid doch keine Mädchen!“ Das verstanden seine Jungs als Aufforderung zum verstärkten Foulspiel. Da es dummerweise keinen Schiri gab (man hatte keinen aufgetrieben), der beleidigt werden konnte, kam es dann nach Spielende zu Tumulten unter den Spielereltern. Noch während des Matches war eine Mutter von der „Nicht-Mädchen-Mannschaft“ zur Mutter eines mehrfach getretenen Spielers gegangen und hatte gemeint, der solle sich nicht so anstellen. Hat auch nichts gebracht, das Spiel ging Unentschieden aus.

Badstuber könnte nun schleunigst eines tun: sich bei allen Vulvabesitzerinnen entschuldigen. Das hat er nämlich nicht nicht getan. Es sei denn, er findet Sexismus toll, setzt sich ein für die Herabwürdigung der weiblichen Sexualität und findet überhaupt, dass Frauen zu weich seien. Das wäre doch mal ein Statement.