Kommentar: Braucht Deutschland Wachmeister in Badehosen?

A man jumps in the public swimming pool of Schoenbrunner Bad in Vienna, as a heatwave hits the country, Austria June 27, 2019.  REUTERS/Leonhard Foeger
Bei heißen Temperaturen füllen sich in Deutschland die Schwimmbäder. Gibt es auch mehr Stress und Randale? (Bild: REUTERS/Leonhard Foeger)

Aus der FDP kommt der Vorschlag, in Schwimmbädern Polizisten patrouillieren zu lassen. Darüber nachdenken kann man schon.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Manche Berichte über den Freibadbesuch erinnern an Reportagen aus Bürgerkriegsgebieten. Da wird in den Erzählungen nicht nur gespritzt, sondern auch gekeilt. Gefühlt nehmen die Konflikte im Freibad jedenfalls zu – um zertrampelte Handtücher, die Warteschlange an der Kasse oder an der Pommesbude: fast nackig wird krawallig; vielleicht erinnern die kurzen Hosen und freien Oberkörper uns Männer daran, wie es damals war, in der Steinzeit. Da musste man auch immer rumbrüllen, allein wegen der verdammten Kälte, und ein Mammut konnte ja auch um die Ecke biegen.

Nun hat ein Berliner Politiker eine Idee. Der FDP-Abgeordnete Marcel Luthe sitzt im Abgeordnetenhaus, beschäftigt sich mit Innenpolitik und schlägt vor Polizisten in Schwimmbädern auf Streife zu schicken, eine spezielle Einsatzhundertschaft solle dafür gebildet werden.

Der beruhigende Blick der Ordnungshüter

Grundsätzlich kann über sowas nachgedacht werden. Polizei wirkt disziplinierend, das ist eine Bauernregel. Seit zum Beispiel die Ordnungshüter am Berliner Alexanderplatz eine provisorische Wache etabliert haben, ist es dort spürbar ruhiger.

Doch mit dem Spüren ist es so eine Sache. Herrscht denn Bürgerkrieg in Deutschlands Freibädern? Sind Straftaten dort angestiegen? Die Verantwortlichen in den Bädern winken ab. In Berlin sei es in den Jahren eher friedlicher geworden, meint ein Sprecher; in ausgewählten Orten aber setzt man auf private Sicherheitsdienste. Kann so bleiben. Könnte auch die Polizei machen.

Mir sind indes keine verlässlichen Daten über Randale in Bädern bekannt. Allein die wären eine sichere Grundlage für Entscheidungen. Es erstaunt, wie schnell die eine oder andere Meinung rausgehauen wird. Da gibt es jene, die es schon immer gewusst haben: Die posaunen, die Rabauken seien alles seit 2015 Geflüchtete. Oder Deutschtürken. Jedenfalls würde ein bleichhäutiger Deutscher mit astreinem Stammbaum niemals auf die Idee kommen, das Handtuch des Rasennachbarn zu berühren, nee.

Seit 2015 gibt es jeden Sommer die Schauergeschichten über die „testosterongesteuerten“ Horden junger geflüchteter Männer aus islamischen Ländern, die es einfach nicht auf die Reihe kriegen würden, sich anständig im Freibad zu benehmen. Dem halten Wissenschaftler entgegen, die würden nicht mehr über die Stränge schlagen als Deutsche mit dem „Bio-Siegel“. „Es betrifft alle“, zitiert der „Tagesspiegel“ den Metropolenforscher Wolfgang Kaschuba. So würden nun im Unterschied zu früheren Jahrzehnten Menschen aus allen gesellschaftlichen Schichten und Altersklassen von Bädern angezogen. Angesichts der individualisierten Lebensstile seien so natürlich auch mehr Reibungsflächen entstanden, sagt der Kulturwissenschaftler. „Das Schwimmbad verändert sich mit der Gesellschaft.“ Was dabei seine Datenbasis ist, erfährt man im Artikel allerdings nicht.

Kommt mal runter

Kaschubas Thesen aber machen Sinn. Allgemein hat etwas Rohes zugenommen, die Bereitschaft zum Beleidigen und Stressen. Und da beantwortet ein Blick in die Polizeiliche Kriminalstatistik, dass all dies kein Privileg von Menschen ist, die erst nach Deutschland gekommen sind oder deren Eltern oder Elterseltern.

Daher sollte nüchtern über den FDP-Vorschlag nachgedacht werden. Rechtsfreie Räume sind nicht zu dulden, dazu gehören auch Schwimmbäder. Aber vor allem sollte der überdrehte Sound aus dieser Debatte genommen werden. Bürgerkrieg ist in Deutschland nicht. Auch nicht am Beckenrand.