Kommentar: Die CDU entscheidet sich für Ruhe und Stabilität

Angela Merkel nahm die Wahl ihrer Nachfolgerin mit sichtlichem Wohlwollen auf (Bild: dpa)
Angela Merkel nahm die Wahl ihrer Nachfolgerin mit sichtlichem Wohlwollen auf (Bild: dpa)

Kein Bruch mit der Ära Angela Merkel: Die Delegierten wählen Annegret Kramp-Karrenbauer zur neuen Vorsitzenden der CDU. Damit ist Merkels Vertraute am Ruder. Und die Kanzlerin wird weiter regieren.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Es wurde am Ende, wie vorhergesagt, knapp. Der CDU war nach Krimi zumute, und sie gab sich diesem hin. Zuerst holte sich Jens Spahn einen Achtungserfolg mit 15 Prozent der Delegiertenstimmen und damit die Bestätigung, dass er in dieses demokratische Kandidatenrennen zurecht eingestiegen ist. Dann kam die Stichwahl.

517 Stimmen entfielen auf Kramp-Karrenbauer, 482 auf Friedrich Merz. Dieses Ergebnis könnte die Partei teilen. Aber durchaus realistischer ist, dass dieses Votum der CDU neues Selbstvertrauen und dadurch auch mehr innere Ruhe bescheren wird.

Denn Hand aufs Herz: Krimi darf nicht alle Tage sein. Keine Partei mag es ruhiger als die der Christdemokraten. Stets gab man sich gern staatstragend. Die CDU ist zwar keine große Volkspartei mehr, aber sie hat erfolgreich Fliehkräften widerstanden, die andere europäische konservative Parteien der Mitte pulverisierten – siehe Italien und Frankreich. Nun wird die Sehnsucht nach Ruhe groß sein. Da wird der Ärger der Merz-Anhänger weichen.

Ein selbstbewusstes “Weiter so”

Mit Kramp-Karrenbauer verhält es sich wie mit der altbekannten Werbung eines Waschmittels: Da weiß man, was man hat. Denn Kramp-Karrenbauer setzt auf Kontinuität und Offenheit, sie wird genügend Ehrgeiz zum Aufbruch hin zu einer neuen Parteiära haben, aber eben ohne mit der Ära Merkel zu brechen.

Merkel freute sich offen über den Wahlausgang. Er verlief nach ihrem Wunsch. Schon interessant, wie wenig nachhaltig der so genannte Verdruss über die lange Herrschaft Merkels vorhielt. Mit “Merkel muss weg” lässt sich offensichtlich in der Mitte kein Blumentopf gewinnen.

Und die Mitte hat die CDU weiterhin fest im Blick. Auch dies ließ sie vor Merz zurückscheuen. Merz wäre ein Vorsitzender gewesen, der aus einer Juristenfamilie entstammt, der komische Vorstellungen von der Grenze zwischen Ober- und Mittelschicht hat, Aktien tatsächlich als förderungsfähige Altersvorsorge ansieht, und einen Tageshonorarsatz von 5000 Euro für ein paar Vermittlungsdienste auch.

Die schwache Flanke von Merz: das Soziale

Mit Merz hätte die CDU irgendwann zielsicher ein Glaubwürdigkeits- und Herzlichkeitsproblem. Mit Kramp-Karrenbauer hat die Partei nun eine Chefin, die weniger auf Lautstärke denn auf innere Stärke setzt, worauf sie in ihrer Bewerbungsrede hinwies.

Die erneute Wahl einer Vorsitzenden ist auch ein Zeichen dafür, dass enttäuschte Männer rund um den Andenpakt, die sich nun um Merz versammelten, nicht gerade für die Zukunft der Partei stehen, sondern eher für das zwanzigste Jahrhundert.

Kramp-Karrenbauer hat als Generalsekretärin gezeigt, dass sie sich um eine Partei kümmern kann. Nun wird von ihr Profilarbeit gefragt sein. Und dass sie Merkel ihre Arbeit als Kanzlerin weitermachen lässt. Denn das Votum für sie ist auch eine Würdigung Merkels. Es ist ein guter Tag fürs Land, weil mehr Frauen in die Verantwortung rücken. Es wurde auch Zeit.