Kommentar: Die CSU ist spannender als Elfmeterschießen

Angela Merkel und Horst Seehofer müssen dringend an ihrer Arbeitsbeziehung arbeiten (Bild: Reuters)
Angela Merkel und Horst Seehofer müssen dringend an ihrer Arbeitsbeziehung arbeiten (Bild: Reuters)

Erklärt sich Horst Seehofer oder nicht? Gäbe es die Christsozialen nicht, die Showbranche hätte sie erfunden.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Ich nehme es vorweg: Die Beziehung zwischen Angela Merkel und Horst Seehofer ist zwar nicht gerade wirkungsgleich, aber noch nicht am Ende. Da kommt noch was.

Was “wirkungsgleich” genau bedeutet, hätten wir alle in den vergangenen Wochen genau erlernen können. Aber wetten, darunter kann sich auch der geneigte Leser nicht wirklich etwas Fassbares vorstellen?

Am vergangenen Sonntagabend wurde es persönlich, das soll bei Beziehungen vorkommen. Es schien, als komme CSU-Parteichef und Bundesinnenminister Horst Seehofer nicht mehr von jenem Baum herunter, auf den er geklettert war. Es erinnerte mich ein wenig an “Tieger” in Pu der Bär – der erklomm auch einmal wagemutig und rasch Ast um Ast einer Fichte, und vergaß dabei, dass Tieger nur raufklettern können, denn beim Runterklettern ist ihnen der Schwanz im Wege, nun: Das kann man ja mal vergessen.

Pirouettenpolitik

Was machen wir aber bloß jetzt mit Seehofer? Was unternimmt Merkel?

Über die Beziehung zwischen den beiden ist viel geschrieben worden. Sie wurde immer als zerrütteter geschildert als sie ist. Beide lieben die Aufregung nicht wirklich. Beiden sitzt der trockene Schalk im Nacken. Beide bevorzugen bodenständige Speise. Beiden ist klar, dass jene auch nur mit Wasser gekocht wird.

Nur hat sich Seehofer in den vergangenen Wochen ein wenig verzockt, genau eine Volte zu viel hat er geschlagen. Ein Paartherapeut würde nun dazu raten, dass Merkel ihm die Hand reicht. Es war schon gemein, wie selbstbewusst und mit sich im Reinen die Kanzlerin am Sonntag ein großes Interview in einem luftigen Foyer gab, während Seehofer mit seinen Buddys in München in einem engen Konferenzsaal schwitzte.

Merkel mag ja guten Gewissens handeln, aber davon kann sie sich auch keinen Blumenstrauß kaufen, wenn Seehofer nun oben sitzen bleibt. Sie muss ihm also runterhelfen.

Merkel sollte sich heute hinstellen und an die gemeinsame Zeit erinnern, die so schlecht nicht war. Sie sollte ihn nicht seinen Ziehsöhnen überlassen, die jede Schwäche ausnutzen; dabei sitzen Markus Söder und Alexander Dobrindt schon jetzt an Fleischtöpfen, die ihnen zu groß geraten sind. Der CSU wird manches in naher Zukunft auf den Magen schlagen.

Auch mal Fünfe gerade sein lassen

Bei Paaren wird es problematisch, wenn die Symbolik obsiegt. Muss die Zuckerdose unbedingt stets in einem Winkel von 45 Grad zum Tellerstapel im Schrank stehen? Geht das Abendland unter, wenn das Döschen ein wenig Nähe zu den Untertassen sucht? Natürlich geht es um Grundsätze, aber Zuckerdosenstellungen oder Zurückweisungen an Grenzen sind eindeutig mehr symbolischer denn grundsätzlicher Natur.

Der Baum, auf dem Tieger Seehofer sitzt, ist durch eine Verkettung unglücklicher Missverständnisse mit einem jugendlichen Drang zu Konsequenz erwachsen. Sie trägt nie den Müll raus? Dann mach ich nie das Bett. Im Bett liegen Brotkrümel? Dann kauf ich nicht mehr ein. Der Kühlschrank ist oft leer? Dann hol ich mir eben einen Döner um die Ecke allein.

Bei Pu löste sich die heikle Lage Tiegers auf, indem seine Freunde, also Christopher Robin, Esel, Ferkel und Pu einen Kittel als Rettungssprungtuch ausbreiteten. Tieger, auch wenn er ein wenig ungestüm ist, wird in den Geschichten gebraucht. Das gilt auch für Seehofer, vor allem braucht die CSU ihn. Und er jetzt echte Freunde.