Kommentar: Die Warmduscher von der Freiheitsfront

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) im Juli im Bundestag (Bild: REUTERS/Michele Tantussi)
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) im Juli im Bundestag (Bild: REUTERS/Michele Tantussi)

Wirtschaftsminister Robert Habeck mahnt Energieeinsparungen an – bei uns allen. Das wird schon bitter. Dass sich nun aber unter anderem die Union daran abarbeitet, zeigt eine komische Auffassung von Freiheit.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Bevor ich diese Kolumne angefangen habe zu schreibe, nahm ich erstmal eine warme Dusche, wurd mal wieder Zeit. Denn jetzt wird es ein wenig kompliziert: Weil Robert Habeck von den Grünen gut aussieht und redet, ist er bei vielen Deutschen recht beliebt. Und weil das so ist, spucken ihm andere wiederum gern in den Napf und verstehen das dann als Akt der Unabhängigkeit oder gar Rebellion. Dabei könnte man ja mal auf die Sache schauen, und nicht auf Etikette oder Gegenetikette.

Der Wirtschaftsminister mahnt seit einigen Wochen, dass es mit dem Gas im Winter knapp werden könnte. Und schlägt vor: Was jetzt an Energieverbrauch vermieden wird, lässt die Speicher stärker füllen und hat im Endeffekt zur Folge, dass weniger Gas im Winter auf den Weltmärkten für viel, viel Geld zugekauft werden muss. Eine Milchmädchenrechnung.

Nur, wie macht man das mit dem Sparen?

Habeck hatte da ein paar praktische Ideen. Er ließ zum Beispiel die Republik wissen, dass er schon jetzt ganz schnell dusche; das ließ natürlich manche Phantasien hochfliegen. Dann kam ihm in den Sinn, „wir können gut darauf verzichten, Schwimmbäder auf 28 Grad zu heizen.“ Oder Discountbäckereien, die könnten ihr Brotangebot reduzieren und abends nicht meterlange Regale mit dem heißesten Kram füllen. Spart alles Energie ein.

Schön warm anziehen

Und er hat ja recht, auch wenn ich es sehr mag, abends ein knackfrisches Brot zu essen, nachdem ich aus dem Whirlpool des Stadtbades gekrochen bin. Aber die Zeiten sind gerade anders. Muss auch nicht auf Dauer sein.

Doch Leute, für die Freiheit in ausschließlicher Linie immer die eigene ist und Einschränkungen wie Folter spüren – die empfinden solche Aufrufe zum freiwilligen Verzicht als Anschlag auf die Demokratie. Vielleicht sollte jemand ihnen sagen, dass der Reichstag kein Shoppingcenter ist und Leute wie Habeck bei der Vorstellung, anderen etwas verbieten zu können, vor Freude nicht gleich aus dem Häuschen geraten. Es erinnert ein wenig an die so genannten Querdenker aus der Corona-Pandemie, an diese Fußnoten der Geschichte, die sich etwa über Masken tausendmal mehr einen Kopf machen als die vielen, die sie einfach tragen und immer noch nicht wissen, ob die Dinger nun FFP oder FPP heißen; so geht es mir zumindest. „Querdenker“ wissen sowas. Aber die sind auch schnell aus dem Häuschen.

Und was wäre, wenn…?

Irgendwie muss man Habeck also mal kritisieren, der mit seinen tollen Umfragewerten! Für Thüringens CDU-Fraktionschef Mario Vogt ist der Grüne daher ein „Energiespar-Oberlehrer“. Und Andreas Scheuer von der CSU, von dem man schon lange nichts mehr hörte, warf womöglich aus genau diesem Grund Habeck „Belehrungsrhetorik“ vor. Manche meinen nun gar, Duschen sei die neue Freiheit. Vielleicht meinen sie, Freiheit sei gerade „in“, angesagt – als ob sie das nicht immer wär.

Jedenfalls dämmert mir, dass der Ernst der Lage doch noch nicht ganz ins öffentliche Bewusstsein gesickert ist. Eine Energieknappheit im Winter droht durchaus, und die wäre weniger lustig als Anti-Lehrer-Gehabe, Freiheitsduschen oder Protestwarmbrotmampf um Mitternacht.

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