Kommentar: Ein Verbot des türkischen Wolfsgrußes wäre reine Symbolik

Der Wolfsgruß ist das Markenzeichen der faschistischen türkischen Partei MHP (Bild: AP Photo/Burhan Ozbilici)
Der Wolfsgruß ist das Markenzeichen der faschistischen türkischen Partei MHP (Bild: AP Photo/Burhan Ozbilici)

Aus Österreich schwappt die Forderung herüber, das Handzeichen der türkischen Faschisten zu verbieten. Dabei wäre ganz anderes wichtig.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Es ist eine Geste, die zuletzt auch auf deutschen Straßen des Öfteren zu sehen war: Gespreizter Zeigefinger und kleiner Finger, in der Mitte ein geformter Ring. Das sieht ein wenig aus wie ein Wolf, meist wie ein krummes, etwas fett geratenes Wölfchen, soll aber an jene Wölfin erinnern, die laut einer Sage das Volk der Göktürken im achten Jahrhundert aus einem Tal führte, in das sie sich nach einer Niederlage gegen Chinesen zurückgezogen hatten.

Diese Geste ist Wahrzeichen der türkischen Faschisten, sie selbst nennen sich verharmlosend „Idealisten“ oder eben „Graue Wölfe“. Von der österreichischen Regierung wird gerade das Vorhaben vorangetrieben, diese Geste unter Strafe zu stellen, vergleichbar mit dem Hitlergruß in Deutschland – und auch hierzulande regen sich die ersten Politikerstimmen, die den Wolfsgruß verboten sehen wollen.

Eigentlich ein vernünftiger Schritt, möchte man sagen, keinen Fußbreit den Faschisten, warum dann also eine Handbreit? Auf den zweiten Blick indes offenbart diese Initiative reine Symbolik, gepaart mit blindem Aktionismus. Faschismus bekämpft man anders.

Der Wolfsgruß hat sich in Deutschland breit gemacht, weil die Arbeit der türkischen Faschisten ignoriert wurde. An deren Ideologie ist kein Jota Gutes zu entdecken: Eine nationalistische Schmiere, ein Stolz um des stolz sein Willen und der aus dem Nichts heraus geschaffene Hass auf alles, das als kleiner ausgemacht wird: andere Volksgruppen wie die Kurden, politisch Linke und natürlich die Juden, die dürfen nicht fehlen.

Das bequeme Wegschauen

Dieser rassistische Kram wurde von der deutschen Politik bestenfalls übersehen. Es betraf ja nicht die „Deutschen“, wenn sich ein paar Gastarbeiter die Köpfe einschlugen. So haben die Grauen Wölfe ein Netz aus zig Vereinen geschaffen, mit tausenden Aktiven. Gerade CDU und CSU haben sich in der Vergangenheit als blind auf dem rechten Auge erwiesen: In einer Zeit, als die Grauen Wölfe für zahlreiche politische Morde verantwortlich zeichneten, auch in Deutschland, machte CSU-Ministerpräsident Franz-Josef Strauß mit ihnen auf gut Wetter, eine Studie der CDU-nahen Adenauerstiftung schloss in den Nullerjahren eine Kooperation mit den „Bozkurtlar“ nicht aus – und in diesem Jahr schüttelte Kanzlerin Angela Merkel dem Europavorsitzenden der Grauen Wölfe in Brüssel brav die Hand; mag sein, dass sie nicht wusste, wer da neben ihr aufgetaucht war, aber symptomatisch war es schon.

Denn die türkischen Faschisten sitzen in Ankara als Juniorpartner mit in der Regierung. Präsident Recep Tayyip Erdogan fischt kühl kalkuliert in der nationalistischen und rassistischen Schmiere der türkischen Gesellschaft. Da zeigt sich ab und zu im ministeriellen Umfeld der Wolfsgruß.

Möchte Deutschland also gegen türkischen Faschismus in Deutschland vorgehen, gäbe es viele Möglichkeiten. Die Unionsparteien könnten genauer hinschauen, wer sich bei ihnen engagieren will. Die Auseinandersetzung mit den Grauen Wölfen sollte nicht den Kurden und Linken in den Communities überlassen werden, sondern deutsche Politiker sollten sich einmischen, in die Vereine hingehen, laut widersprechen, Aufklärung und Distanzierung einfordern. Es könnten auch Vereine verboten werden; bisher schaut der Verfassungsschutz, der bekanntermaßen auch einige Probleme mit dem rechten Auge hat, zwar auf die Bozkurtlar, belässt es aber beim Blick eines zahnlosen Tigers.

Achtung, Märtyrergefahr!

Ein Verbot des Wolfsgrußes aber hätte negative Folgen. Die Geste wird nicht selten als eine der Stärke von den „Grüßenden“ verstanden, auch in Ablehnung des Rassismus aus der Mehrheitsgesellschaft. Ein Verbot würde nur neue Anreize schaffen, den Gruß zu zeigen, würde Märtyrer schaffen, die es „mutig“ fänden, diesen Mist zu demonstrieren. Stattdessen wäre dieses besser: Wer den Wolfsgruß zeigt, sollte freundlich, neugierig und kritisch darauf angesprochen werden. Was soll diese Geste? Ist das nicht rassistisch? Wie steht man zum Faschismus, zur Demokratie? Bisher schweigen sich die Deutschen dazu bequem aus.

Vorsicht, Verwechslungsgefahr: Auch die Lieblingsgeste der Metalheads ähnelt dem Wolfsgruß (Bild: Chris Pizzello/Invision/AP)
Vorsicht, Verwechslungsgefahr: Auch die Lieblingsgeste der Metalheads ähnelt dem Wolfsgruß (Bild: Chris Pizzello/Invision/AP)

Dass dieses Verbot in Österreich kommen soll, sollte Anlass genug zum Aufhorchen sein: Hat diese Wiener Regierung irgendetwas hinbekommen, das nachahmenswert ist? Der Verdacht kommt auf, dass es um eine Maßnahme gegen Türken an sich geht, weil man die eben als Gruppe angehen will. Sind ja jetzt irgendwie „Muslime“. Gäbe es eine Geste amerikanischer Faschisten – in Wien sähe man großzügig darüber hinweg.

Außerdem trüge ein Verbot anarchistische Züge. Was macht man in den Kitas, wo der „Leisefuchs“ gezeigt wird? Ein Zeichen, das dem Wolfsgruß zum Verwechseln ähnelt und die Aufforderung zum Ruhigsein beinhaltet? Und dann sind auf ähnliche Weise gespreizte Finger unter Italienern ein Symbol für Untreue und für die Abwendung von bösen Blicken, während tibetische Mönche mit ihnen eine heilige Geste zur Vertreibung von Dämonen meinen. Metal-Fans sollen von diesem Gruß auch recht angetan sein. Würde ein Verbot dafür sorgen, dass Kita-Erzieher, Italiener, buddhistische Mönche und Metal-Fans die harte Hand des Staates zu fürchten hätten? Was geschieht eigentlich einem italienischen Kita-Erzieher, der gern Metal hört und dem buddhistischen Glauben angehört, kann der gleich auch im Sommer mit Handschuhen herumlaufen? Symbolik ist ein schlechter Ratgeber.