Kommentar: Hans-Georg Maaßen dreht frei

Damals noch Chef des Inlandsgeheimdienstes: Hans-Georg Maaßen bei einer Pressekonferenz im Juli 2016 in Berlin (Bild: REUTERS/Axel Schmidt)
Damals noch Chef des Inlandsgeheimdienstes: Hans-Georg Maaßen bei einer Pressekonferenz im Juli 2016 in Berlin (Bild: REUTERS/Axel Schmidt)

Der selbst ernannte Renegat und Retter Deutschlands will eigentlich am Samstag Chef der Werteunion werden. Doch mit seinen Tweets zieht Hans-Georg Maaßen an einer Eskalationsspirale, die aus dem Drama eine Tragödie macht: Entweder kann der Ex-Verfassungsschutzchef nicht anders – oder er bereitet seinen Wechsel zur AfD vor.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Am Samstag winken endlich wieder Amt und Würden, wenn auch eines Vereins, um die 4000 Mitglieder und irgendwo im Limbo nicht anerkannt zwischen CDU und AfD. Hans-Georg Maaßen hat in seinem Leben stets eine Basis angestrebt, einen Sockel. Der Sturz von dem des Präsidenten des Bundesverfassungsschutzes war entsprechend tief. Dann eine vermasselte Bundestagskandidatur und wenigstens der Vorsitz bei der „Werteunion“. Den will Maaßen. Aber das dramatische Finale droht ihm außer Kontrolle zu geraten.

Denn Maaßen haut auf Twitter konsequent Klopper raus – und dies in einem Crescendo, bei dem man sich fragt, wie dieser Sologesang enden soll: In einem großen Paukenschlag, einem Verhaspeln bei den Noten oder schrillen Tönen, bei dem der letzte Zuhörer wegbleibt. Jedenfalls setzt das CDU-Mitglied Maaßen auf eine verbale Eskalation. Bleibt die Frage, wie viele Gänge sein Wagen eigentlich hat. Irgendwann ist auch mal gut.

Vor ein paar Tagen also meldete er sich auf Twitter mit der Erkenntnis, „die treibenden Kräfte im politischen-medialen Raum“ hätten als „Stoßrichtung“ einen „eliminatorischen Rassismus gegen Weiße“.

Hans-Georg Holmes

Da fiel einem doch glatt der Löffel in den Morgenkaffee. Ziemlich bedrohlich sollte das wohl rüberkommen. Maaßen machte also treibende Kräfte aus – und zwar in einem Raum, den es nicht gibt. Politisch-medial ist eine Verquickung, als hockten Politiker und Journalisten zusammen und heckten etwa aus. Manchmal bin ich ja bei dem einen und dem anderen, und dieses Zusammenstecken der Köpfe kriegte ich nie mit. Bin also blind oder nicht qualifiziert genug für Ausheckereien verschiedener Art. Und was wird da so geplant? Rassismus, ruft Maaßen, und zwar einen „eliminatorischen“. Das Wort kommt von Entfernen, über die Schwelle setzen, aus dem Haus treiben. Weiße raus? Wo geschieht das denn? Maaßen scheint Ecken in Deutschland zu kennen, die mir bisher verborgen blieben. Vielleicht kann er sein exklusives Wissen mal teilen. In der Politik kennt man, und das weiß Maaßen sicherlich, das Wort „eliminatorisch“ als eine Beschreibung einer Judenfeindschaft, die zur Untat schreitet. Gaskammern aufstellen, das war eliminatorisch. Er nimmt also einen Begriff zur Kennzeichnung von Antisemitismus und pappt ihn woanders dran, in diesem Falle weg von den Opfern und hin zu den Tätern. Denn die sollen nicht mehr so arg täterhaft sein. Sie schlicht zu Opfern zu erklären, ist ein wirksamer Handgriff.

Klar, dass Maaßen mit diesem üblen Taschenspielertrick auffiel.

Dass er es ernst meint, bewies er dann am vorvergangenen Montag, als er sich in einem Interview zu Rassismus gegenüber weißen Menschen geäußert. Diesen nicht anzuerkennen, sei „Ausdruck einer grün-roten Rassenlehre, nach der Weiße als minderwertige Rasse angesehen werden und man deshalb arabische und afrikanische Männer ins Land holen müsse“, sagte er. Damit ließ er es raus.

Stimmt etwas nicht mit der Brille?

Über „Rassismus gegen Weiße“ hatte ich früher an dieser Stelle schon geschrieben und werde es jetzt nicht vertiefen – gern ein anderes Mal. Aber Leute aus den Regierungsparteien SPD und Grüne als Anhänger einer „Rassenlehre“ anzusehen, ist nicht nur ein Tollstück aus Absurdistan, sondern bösartig. Habe dort noch nie Anhänger einer „Rassenlehre“ kennengelernt, Rassisten schon, aber die waren ziemlich weiß im Gesicht und hatten bestimmt keine „Weißen“ zur Zielscheibe; sage keiner, Linke seien gefeit gegen den üblichen Rassismus. Maaßen dürfte aber bittschön Ross und Reiter nennen und sagen, wer konkret „Weiße“ als „minderwertige Rasse“ ansehe.

Dann redet Maaßen einem „Austausch“ das Wort, ein beliebtes Gespenst unter Rettern des Abendlandes. Faktenfrei natürlich. Aber es geht ums Beschwören einer vergangenen Gesellschaft, die tatsächlich sich ändert, wie eben die ganze Welt auf natürliche Art sich entwickelt – ohne dass gleich damit automatisch ein Rassismus einherginge. Aber Maaßen will Angst einjagen.

Die Frage nach einer Richtung

Immer zeigt er sich uns mit seinem wachen Blick, der unerschrocken wirken soll. Die Augen leicht zusammengekniffen, sondiert er jeden Tag neu den Ernst der von ihm ausgemachten Lage. Aus dieser Rolle kommt er womöglich nicht mehr raus. Er sieht Gefahren – unabhängig davon, ob sie existieren oder nicht. Und weil mit jedem Sonnenaufgang eine Gefahr hermuss, treibt er alle Säue durchs Dorf, die er auftreiben kann. Bestimmt ziemlich anstrengend. Aber damit sichert sich Maaßen eine gewisse Anzahl von Anhängern.

Mit denen will er nun die Werteunion führen. Gut möglich, dass man ihn dort will – auch mit seinen Tweetereien. Aber gleichzeitig bereitet er damit sein Parteiausschlussverfahren aus der CDU vor, denn mit diesem Rassismus gegen Weiße, eliminatorisch und so, kann eine Partei, die halbwegs bei Verstand ist, nichts anfangen.

Entweder ist Maaßen ein Getriebener, der nicht anders kann. Süchtig nach Bedrohungen, mit Angstmobilisierung als persönliches Heroin. Oder er treibt. Dann sind diese Scharmützel nur eine Etappe bei seinem Wechsel hin zur AfD. Einen wie Maaßen würden sie mit Kusshand nehmen. Irgendwann sortiert sich immer alles.