Kommentar: Hans-Georg Maaßen wird ein Flüchtling

Hans-Georg Maaßen kandidiert für den Bundestag (Bild: REUTERS/Fabrizio Bensch)
Hans-Georg Maaßen kandidiert für den Bundestag (Bild: REUTERS/Fabrizio Bensch)

Der geschasste Verfassungsschutzchef strebt in den Bundestag. Dafür schmeichelt er seiner neuen Heimat. Lässt er sich auch ordentlich integrieren?

Ein Kommentar von Jan Rübel

Man kann den CDU-Delegierten in Südthüringen nicht nachsagen, sie seien nicht tolerant. Zuerst akzeptierten sie jahrelang einen Mann als Bundestagsabgeordneten, der ein recht freizügiges Verhältnis zum Regime in Aserbaidschan unterhielt, weil es ihm offensichtlich etwas brachte. Als das nicht mehr ging, wegen zu viel Öffentlichkeit und Lügenpresse und so, musste ein neuer Kandidat her. Und Hans-Georg Maaßen aus Mönchengladbach wird es. Sie nehmen also einen Fremden, von Ortskenntnis unbelasteten Mann mit komischer kleiner Brille und stets in Dreiteiler, also durchaus gewöhnungsbedürftig. Aber die Südthüringer sind offenbar integrativ.

Von Maaßen weiß man nicht viel, was er mit der Entwicklung des Wahlkreises vorhat. Mehr bekannt ist über ihn, dass er sich als Rechtskonservativer heftig von der AfD distanziert, weil er am liebsten deren Wähler hätte. Inhaltlich dagegen passt kaum ein Blatt dazwischen. Von Südthüringen aus plant er eine Art konservative Renaissance. Warum gerade dort?

Neues vom Seher

Maaßen weiß Bescheid. Auf Twitter schreibt er: „In Südthüringen lebt ein starkes, liebenswertes aber durchaus auch selbstbewusstes und wehrhaftes Volk, das allergisch auf Ratschläge und Weisungen aus Rom, München oder Ost-Berlin reagierte. Auch wenn sie von Julius Caesar persönlich kamen. Ich möchte gerne dazu gehören!“

Fassen wir zusammen: Nach Meinung Maaßens lebt in Südthüringen ein Volk. Gibt es in Mittel- oder Nordthüringen ein anderes? Solche Detailkenntnisse überraschen, zumal es sich nach Auskunft des ehemaligen Inlandsgeheimdienstschefs um beratungsresistente („allergisch auf Ratschläge“) Bürger handelt. Ein Ratschlag war, Maaßen nicht für den Bundestagswahlkreis aufzustellen. Mutmaßt Maaßen, dass er nur gewählt wurde in Folge einer allergischen Reaktion? Schmeichelhaft klingt das nicht. Mir nicht ganz klar ist, wie die Wehrhaftigkeit der Südthüringer zu Zeiten der DDR („Ost-Berlin“) aussah. Meint er die Pogrome aus dem Jahr 1975, als ein jugendlicher Mob algerische Arbeiter jagte? Aber nein, Maaßen sieht ja traditionell keine Jagdszenen, auch wenn es welche sind: wie geschehen bei den Jagdszenen in Chemnitz im Jahr 2019; mitunter ein Grund von vielen, warum sich Maaßen beim Verfassungsschutz als Fehlbesetzung erwies.

Und welche Weisung Julius Cäsars mag der Rheinländer im Sinn haben? Zu dessen Lebzeiten war Südthüringen nicht römisch besetzt, und selbst hundert Jahre nach seinem Tod gehörte die Region nur zum indirekten Einflussbereich Roms. Aber anscheinend mochten die Südthüringer das mediterrane Flair: Der römische Historiker Tacitus (55-120 nach Chr.) schrieb: Obwohl 180 Kilometer vom römischen Grenzwall (Limes) entfernt, seien die Hermunduren (Thüringer) den Römern „treu ergeben“ gewesen. Denn als Nachbarn der Chatten, den Erzfeinden Roms, entsprach das Bündnis mit ihnen römischem Kalkül.

Politisches Asyl

Vielleicht hat Maaßen vor dem Absetzen seines Tweets zu viel Asterix gelesen. Würde es Maaßen um Wehrhaftigkeit und Allergien in historischer Kontinuität gehen, hätte er sich besser in Ostfriesland um einen Wahlkreis beworben, denn über die Friesen schrieb Tacitus despektierlich, sie würden nicht singen. Sapperlot! Aber die Ostfriesen würden einen Maaßen nicht unbedingt mit offenen Armen empfangen.

Jedenfalls möchte er in Südthüringen gern dazugehören! Das ist eine sehr integrative Aussage. Maaßen wird ein Migrant, ein Flüchtling, der das ihm angestammte Rheinland verlässt, weil dort der fiese Arminius Laschet regiert. Wir dürfen gespannt sein, ob seine Kloß- und Bodenrhetorik über Asterix hinauskommt. Beim Teutates!

Video: Laschet reagiert auf Maaßens Nominierung ausweichend