Kommentar: Kommt ein blauer Herbst der AfD?

In den Umfragen setzt sich die AfD oben fest – in einigen Bundesländern steht sie an der Spitze. Mitten in diese Zahlen hinein flammt die Verbotsdebatte auf, immerhin ist die Partei in Teilen krass rechtsextrem. Ist das wieder wie damals in Weimar?

AfD-Anhänger bei einer Demo gegen gestiegene Energiepreise im Herbst 2022 (Bild: REUTERS/Christian Mang)
AfD-Anhänger bei einer Demo gegen gestiegene Energiepreise im Herbst 2022. (Bild: REUTERS/Christian Mang)

Ein Kommentar von Jan Rübel

Die Vorstellung, wie ein Hobbyführer im Stile Björn Höckes als Ministerpräsident agieren würde, wäre nicht allzu lustig. Unverzagt will Höcke auch nicht sein, er mit seinem ernsten Weltbild von Gut gegen Böse, als wäre Thüringen so etwas wie das Rohan im mittelerdigen Deutschland. Nur ist solch eine Vision realistisch.

Die AfD ist in den Umfragen die Partei der Stunde. Sie handelt zwar nicht, wird nicht für eine bestimme Leistung belohnt. Aber sie ist da. Das reicht. Sorgt doch die Performance anderer Parteien für gewissen Überdruss. Das reicht zwar längst nicht für den Höhenflug der Rechtspopulisten. Aber sie reiten auf einer Welle der allgemeinen Ablehnung von allem, das als Veränderung daherkommt.

Es wandelt sich ja auch so viel. Der Alltag digitalisiert sich, Jobs fallen weg und entstehen neu. Die Einwanderung schafft neues Miteinander. Die Menschen werden älter, die Gesellschaft wird älter. Und dann drohen auch noch dieser verdammte Klimawandel, Kriege und die Inflation.

Und wer ist schuld daran? Eine woke Elite, die sich so toll findet, dass sie ihren Lifestyle allen Anderen unter die Nase reiben will? Das ist die Erzählung der AfD, die zwar nicht stimmt, nicht einmal stimmig ist, aber dennoch verfängt; Sehnsucht ist stärker als Realitätssinn, in diesen Tagen.

Bewährungsproben stehen an

All dies saugt die AfD auf, ohne in der Verantwortung zu stehen. Aber wie wäre sie dann?

In drei Bundesländern wird dieses Jahr gewählt, plus der Wahl zum Europäischen Parlament. Theoretisch möglich ist sogar, wenn ein paar Parteien an den Prozenthürden scheitern, dass die AfD eine absolute Mehrheit erringt. Dann würde sie durchregieren, zumindest symbolisch.

Einerseits wäre es ein echter Lackmustest für den Wähler, was diese Partei taugt. Immerhin haben rechtspopulistische Parteien in ihren Ländern stets versagt und die generelle Lage auf allen Ebenen verschlechtert, siehe die aktuellen Beispiele Polen, Ungarn und Italien. Andererseits: Will man sich das antun?

Ein Verbot käme Manchen recht, müsste man sich dann nicht mehr inhaltlich mit diesen Botschaften auseinandersetzen. Dieser Gedanke ist kurzsichtig und ignorant zugleich: Ein Verbotsverfahren würde Jahre dauern und die aktuelle Blauparanoia kaum lindern. Und welches Vertrauen in die parlamentarische Demokratie flößt es einer Gesellschaft ein, wenn eine Partei mit solch hoher Zustimmung ausgeschlossen wird? Die Hürden sind hoch. Die AfD würde den Staat nicht stürzen wollen, nicht die Demokratie. Sie würde sie auszuhöhlen versuchen. Aber dagegen kann sich die Freiheit am besten wehren, wenn sie solchen Ansinnen auf dem Wahlzettel eine Absage erteilt.

Haben wir also bereits Weimarer Verhältnisse? Ist die Demokratie so schwach, dass extreme Ränder erstarken? Was man von der Geschichte lernen kann: Ein Schulterschluss der Freiheitsliebenden hilft. Ansonsten ist nicht viel Weimar erkennbar. Die sozialen Verheerungen von damals sind heute nicht so vorhanden – nicht in dieser Breite, da mögen Linkenpolitiker und Wagenknecht-Fans noch so laut sie herbeirufen. Heute regiert vielmehr Überdruss, ein Jammern auf hohem Niveau. "Sagen Sie das mal den Alleinziehenden, den Hilfsarbeitern in der Dienstleistung, den Rentnern!", höre ich manchen erwidern. Stimmt. Deutschland ist nicht Supidupiland, im Gegenteil. Aber es gibt keine krasse Not in weiten Teilen, die Menschen zu extremen politischen Entscheidungen zwingt.

Wer also die AfD entkleiden will, muss Alternativen zur "Alternative für Deutschland" anbieten.

Ein echter Wettbewerb um den Wähler

Anbiederung funktioniert nicht, das erweist sich jeden Tag aufs Neue. Aber jede Partei könnte erstmal ihre Hausarbeiten machen.

Die Ampelkoalition könnte sich aus ihrem Burnout herausschwitzen. Opposition ist Mist, sollten sich ihre Kader zuraunen und aufs Laufband steigen. Die SPD könnte ihre Vision von sozialer Gerechtigkeit herausposaunen, die Grünen könnten ihre Sicht auf Zukunftstauglichkeit des Land durch Ökotauglichkeit präsentieren, und die FDP – tja, mit der FDP ist es schwierig. Sie steht für so wenig. Einigen wir uns auf wirtschaftliche Vernunft und Liberalität. Die CDU dagegen sollte ihren staatspolitischen Kurs finden, weniger tönen und kreischen, wie es ihr Frontrunner Friedrich Merz zuweilen tut. In solch einer Parteien-Kakophonie sollte es schließlich möglich sein, den Wählern andere Optionen anzubieten als die AfD.

Derzeit macht die Angst vor der AfD die Partei größer, als sie ist. Auf Augenhöhe schrumpft sie automatisch. Selbstbewusstsein hilft. Nicht die Angst des Tormanns beim Elfmeter.

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