Kommentar: Kramp-Karrenbauer ist die heimliche Kandidatin der CDU

Keiner hat sie auf der Rechnung, aber Annegret Kramp-Karrenbauer könnte auch CDU-Parteivorsitzende bleiben. (Bild: REUTERS/Michele Tantussi)
Keiner hat sie auf der Rechnung, aber Annegret Kramp-Karrenbauer könnte auch CDU-Parteivorsitzende bleiben. (Bild: REUTERS/Michele Tantussi)

Im Schatten des christdemokratischen Chaos wächst gerade jemand, den keiner auf der Rechnung hat: die eigentlich scheidende Vorsitzende. Daran ändert auch das neue Duo Laschet/Spahn etwas.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Die Zukunft gestaltet sich für die CDU derzeit wie ein Ende ohne Schrecken. Keine Führung, Chaos in den Ländern, vorgeführt vom Koalitionspartner in Berlin: Jene Partei, die bisher im Ruf stand als Kanzlerwahlverein allzu einträchtig daherzukommen, sehnt sich nach den alten Zeiten.

Daher hoffen sie auf ein Ende mit Schrecken. Am 25. April soll ein Bundesparteitag stehen und auf ihm ein neuer Vorsitzender geboren werden. Der soll es dann richten.

Doch der April, der macht, was er will. Diese Männer werfen ihre Hüte in den Ring: Norbert Röttgen, Friedrich Merz sowie Armin Laschet mit Jens Spahn als sein Stellvertreter. Ausgemacht scheint es: Einer von ihnen wird das Rennen für sich entscheiden. Es kann indes anders kommen. Nämlich wenn der CDU blüht, dass keiner der Männer unbeschadet genug, unangefochten genug und eben mächtig genug den CDU-Thron im Berliner Adenauerhaus erklimmen könnte.

Merz? Zu retro. Röttgen? Zu wenig vernetzt. Laschet? Armin wer?

Nicht wirklich überzeugend

Diese Abenteurer erwarten dramatische Wochen, obwohl Drama das letzte ist, was sich die CDU gerade wünscht. Für Merz und Röttgen ist es die letzte Chance auf den Big Shot. Niemals wieder werden sie der Möglichkeit so nahe kommen, wichtigster Mann im Land zu werden; dabei halten sie sich doch dafür ungemein qualifiziert. Das wird sie verzweifelt kämpfen lassen. Ihre Nervosität wird ebenso steigen wie ihre Haut dünner wird. Am Ende könnten die Funktionäre, die am Parteitag sich entscheiden müssen, sich scheuen: Tatsächlich jetzt die richtige Führung zur richtigen Zeit?

Kommentar: Friedrich Merz hat nicht das Zeug zur Kanzlerin

Laschet und Spahn haben sich als Team zusammengetan. Doch zwei Leute aus NRW an der Spitze der CDU? Das wird vielen in der Partei nicht gefallen, denn regionaler Proporz ist den Christdemokraten nicht unwichtig.

Armin Laschet und Jens Spahn unterhalten sich am Rande eines Vorstandstreffens im November 2018. (Bild: Tobias Schwarz/AFP)
Armin Laschet und Jens Spahn unterhalten sich am Rande eines Vorstandstreffens im November 2018. (Bild: Tobias Schwarz/AFP)

Laschet erschiene den Delegierten als das Gegenteil von Vision, als Onkel statt Leader. Sowas mag in solch unruhigen Zeiten beruhigen, aber in einer Dosis, dass die CDU fürchten muss aus diesem Schlaf nicht mehr aufzuwachen.

Laschet und Spahn treten als Duo an: Weitere Infos dazu gibt’s hier

Wer soll es also richten?

Es bieten sich nur zwei an. Kanzlerin Angela Merkel genießt allen Unkenrufen zum Trotz einen starken Rückhalt. Nur wäre es wirklich schwierig den Anhängern zu erklären, warum nach all diesem lang andauernden Rückzug am Ende ein Neustart stehen sollte. Und wahrscheinlich will Merkel einfach nicht mehr.

Wer sich nicht aufdrängt

Bleibt eine. Und zwar die, die eigentlich gehen soll. Annegret Kramp-Karrenbauer trägt das Ansehen, gescheitert zu sein. Sie sollte Merkel nachfolgen, wurde als Parteivorsitzende inthronisiert und zeigte unbedingten Blick aufs Kanzleramt. Doch dann verhedderte sie sich, zeigte unerwarteten Mangel an Schlagfertigkeit, kommunizierte holperig. Und die Männer in der Union hatten auf diese Gelegenheit nur gewartet; es sind zufällig auch jene, die nun den Vorsitz anstreben. Kramp-Karrenbauer wurden Fehler um die Ohren gehauen, die man einem Helmut Kohl gegenüber nicht einmal erwähnt hätte. Und über die Taktik des Abperlens, wie es Merkel pflegt, verfügt Kramp-Karrenbauer nicht.

Es könnte aber jetzt ihre zweite Chance kommen. In diesen Tagen, wo sie ihren Abgang moderiert, erscheint sie als einzige feste Größe in der CDU.

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Zwar entgleitet ihr selbst das Management dieses Übergangs: Eigentlich wollte Kramp-Karrenbauer Ende dieses Jahres von oben herab die Nachfolge regeln, doch das wurde ihr rasch kaputtgeredet. Und dennoch steht sie gerade aufrecht, redet die Niederlagen in Thüringen und in Hamburg nicht schön, zeigt schonungslose Analyse und legt sich als einzige CDU-Spitzenpolitikerin mit der SPD an, ein bisschen zumindest.

Kramp-Karrenbauer wirkt in diesen Tagen gelöst, als sei eine Last von ihr abgefallen. Sie agiert nun genau so, wie sich Merkel es von ihr als Kanzlerin in spe erhofft hatte. Das präsentiert sich als Ironie des Schicksals. Aber vielleicht lässt sich dieses Rad zurückdrehen.

Wenn die Männer sich gegenseitig nachhaltig geschwächt haben, während Kramp-Karrenbauer als Verteidigungsministerin die Welt zusammengehalten hat, wird mancher fragen: Warum nicht eigentlich sie? Jene, die sich nicht aufdrängt und stattdessen Verlässlichkeit ausstrahlt? Welche wie befreit weitermachen könnte? Kramp-Karrenbauer ist die heimliche Kandidatin der CDU.