Kommentar: Maaßen stolpert über sich selbst

War’s das für ans-Georg Maaßen? (Bild: dpa)
War’s das für ans-Georg Maaßen? (Bild: dpa)

Der Chef des Bundesverfassungsschutzes steht angeblich vorm Rauswurf. Das ist falsch. Er ist eigentlich schon längst weg.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Das Problem mit Hans-Georg Maaßen ist nicht sein Doppelvorname, der gleich gewichtiger daherkommt als ein schierer „Georg“ oder ein blanker „Hans“. Mehr zum Verhängnis wird dem amtierenden Präsidenten des Bundesverfassungsschutzes ein Knoten in seinen Beinen. Pure Selbstüberschätzung hat Maaßen längst zu Fall gebracht.

Angeblich hat sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) für seine Demission entschieden, vermeldet die „Welt“. Am kommenden Dienstagnachmittag soll sein berufliches Schicksal in einer Koalitionsrunde besiegelt werden.

Wie hoch der Chef des Inlandsgeheimdienstes seine Nase in den vergangenen Tagen reckte, dokumentiert die letzte von ihm kursierende Aussage: Bundesinnenminister Horst Seehofer habe ihm gesteckt, so Maaßen, „wenn ich falle, dann fällt er auch“.

Die Entdeckung des Scheinriesen

Es mag ein sinnvolles Manöver sein, sich in Zeiten persönlicher Krise ins Fahrwasser von Helfern zu begeben, aber Maaßen scheint ein gewisses Maß aus dem Blick zu verlieren: Seehofer ist zwar recht geübt im Hervorrufen von Krisen, und auch das Reden über Rücktritte ist ihm nicht fremd. Aber dass ein Maaßen für das Ende einer Jahrzehnte langen politischen Karriere verantwortlich zeichnen könnte, ist vermessen. Zwar deckt ihn Seehofer bis heute. Aber Maaßens über die „Welt“ verbreiteter Satz ähnelt einer Erpressung. Nun wird ihm Seehofer zeigen, wie leicht ein Verfassungsschutzchef zum Hobbygärtner wird, ohne dass es einen Bundesminister, erst recht einen Horst Seehofer, nur einen Deut juckt. Maaßen mag heulen, die CSU-Karawane zieht längst weiter. Und Seehofer hasst Markus Söder auch nicht derart abgrundtief, dass er dem Parteifreund und Ministerpräsidenten mit einem Rücktritt oder gar einem Bruch der Berliner Regierungskoalition die Mutter aller Kuckuckseier so kurz vor den bayerischen Landtagswahlen im Oktober ins Nest legte. Seehofer wird, wenn einmal Bilanz gezogen wird, in der Causa Maaßen keine gute Figur gemacht haben. Nachhaltige Schäden aber hat er nicht zu befürchten. In einer Woche wird es heißen: Hans-Georg wer?

Maaßen hat sich schlicht verzockt. Er deutete wichtige Geschehnisse, über die das Land redet, in einer Weise falsch, welche Fahrlässigkeit vermuten lässt. Maaßen äußerte Zweifel an der Echtheit eines Videos über Jagdszenen in der Chemnitzer Innenstadt – und irrte, diplomatisch ausgedrückt. Ferner meinte er in den Geschehnissen rund um Trauerdemos über einen getöteten Chemnitzer keine „Hetzjagd“ erkannt zu haben – und lag auch damit falsch; und dass, obwohl er angeblich gegen „Desinformation“ zu Felde zog.

Es wurde absurd

Vielleicht gab es einen Zeitpunkt, an dem Maaßen seine falschen Äußerungen hätte einfangen können. Er hätte sich sogleich entschuldigen können. So aber bricht der Mann den Stab über sich selbst. Keine Reue, kein Schuldbewusstsein, keine Demut, nicht einmal der Hauch eines gezeigten selbstkritischen Verständnisses. Mit billigsten Haarspaltereien kam Maaßen den Fragen der Politiker, der Journalisten und der Bürger, welche wissen wollten, was der Herr denn nun gemeint hatte mit seinen Zweifeln; nicht zu reden von seinen auffälligen bis komischen Treffen mit AfD-Politikern, bei denen im Nachgang nicht der tatsächliche Hintergrund dieser Gespräche einleuchtet.

Damit zementiert Maaßen andere Zweifel, nämlich die an seiner Eignung fürs verantwortungsvolle Amt eines Geheimdienstchefs. Solch einer soll sich ruhig in öffentliche Debatten einmischen, aber deppertes Auftreten fällt auf eine ganze Behörde zurück, in diesem Fall auf eine Institution, welche sich der Informiertheit verschreibt und in den vergangenen Tagen selbst rätseln musste, ob ihr Chef über exklusive Erkenntnisse zum Mob von Chemnitz und dessen filmische Dokumente verfügte, so überraschend kamen seine Äußerungen daher.

Wenn Maaßen nun sein Amt verliert, könnte gleich eine Mythenbildung starten. Maaßen geht nicht, weil er Merkel oder ihre „Flüchtlingspolitik“ kritisiert hätte. Es gehört zur Berufsbeschreibung, die mit der massenhaften Aufnahme von Fliehenden gesteigerten Sicherheitsrisiken im Blick zu haben und darüber zu reden. Die Kanzlerin genervt hat er schon seit langem, das ließ sich ertragen. Er geht, weil es einfach nicht mehr mit ihm geht.

Im Video: Merkel soll sich für Ablösung Maaßens entschieden haben