Kommentar: Meloni schreibt dem Kanzler einen Brief – und zeigt ihr wahres Gesicht

Die italienische Premierministerin beschwert sich bei Olaf Scholz wegen der Unterstützung privater Seenotretter. Diese Farce wird besonders bitter angesichts der italienischen Politik gegenüber Fliehenden. So sind Faschisten halt: Außer einer großen Klappe kriegen sie nur wenig auf die Reihe.

Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni am vergangenen Dienstag beim Begräbnis des verstorbenen Staatspräsidenten Giorgio Napolitano in Rom (Bild: REUTERS/Yara Nardi)
Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni am vergangenen Dienstag beim Begräbnis des verstorbenen Staatspräsidenten Giorgio Napolitano in Rom. (Bild: REUTERS/Yara Nardi)

Ein Kommentar von Jan Rübel

Der Beginn einer wundervollen Brieffreundschaft wird es wohl nicht. Die Regierungschefin Italiens hat Olaf Scholz ein paar Zeilen geschrieben. Leider waren sie eher bitterer Natur: Die Bundesregierung würde Organisationen, die Flüchtlinge aus Seenot retten, unterstützen, schrieb sie. Das stimmt. Damit würde Deutschland die illegale Migration nach Italien fördern. Das stimmt nicht. Die Rettungsschiffe seien für einen Anstieg der Flüchtlingszahlen verantwortlich, setzte Giorgia Meloni fort. Das stimmt wiederum auch nicht.

Es würde nur wahr sein, würde man sich seine eigene Traumwelt bauen. Regieren aber ist anderes. Die Faschistin Meloni landet gerade in der Wirklichkeit.

Zu den Vorwürfen: Der Bundestag hat tatsächlich beschlossen, private Seenotretter im Mittelmeer zu unterstützen. Unter anderem fahren dort zwei von der evangelischen Kirche geschickte Schiffe. Denn die privaten Retter tun das, was Europas Staaten versäumen, nämlich eine Rettung selbst zu organisieren. Die Alternative wäre das, was man manchmal bei den Pegida-Demos in den vergangenen Jahren hörte: "Absaufen, absaufen!" Wollen wir das?

Ich mal mir die Welt, wie sie mir gefällt

Die Traumwelt Melonis geht so: Viele Leute aus allen möglichen Ländern machen sich nur auf den Weg an die südlichen Mittelmeerküsten, weil sie darauf setzen, dass sie von Europa auf hoher See gerettet werden. Nur wenn sie wissen, dass da ein Retter herumcruist, machen sie sich auf den Weg. Würde es also keine Rettungsschiffe geben, bleiben sie, wo sie sind. Klingt einfach. Ist aber falsch. Es ist das Märchen vom "Pull Back".

Die Menschen, die den Weg übers Mittelmeer wagen, sind entschlossen und verzweifelt. Sie suchen einen Ausweg aus verschiedensten beknackten Verhältnissen. Sie setzen im Grunde alles auf eine Karte. Dabei scheren sie sich nicht darum, welche Regierung in welchem europäischen Land gerade einen Pups loslässt oder nicht. Sie ziehen los. Das einzige, was sie studieren, ist die Wettervorhersage. Daher ist die Aussage, dass Rettungsschiffe die Migration begünstigen, schlicht falsch.

Flucht über das Mittelmeer (Grafik: P. Massow/ R. Mühlenbruch; Redaktion: A.Brühl/B. Schaller)
Flucht über das Mittelmeer (Grafik: P. Massow/ R. Mühlenbruch; Redaktion: A.Brühl/B. Schaller)

Aber sie klingt eben effektiv. Meloni kann jemandem die Schuld in Schuhe stecken und ablenken. Hatte sie doch im von ihr gewonnenen Wahlkampf getönt, sie werde Schluss machen mit dem Ankommen von Fliehenden in Italien. Es war natürlich ein hohles Versprechen. Aber viele Italiener ließen sich über den Tisch ziehen. Nun, ein Jahr später, muss Meloni zusehen, dass sie die traurigen Fakten ihrer Politik wegzaubert, und sei es, in einen Brief hinein. Meloni agiert chaotisch, weil sie keinen Plan hat.

Sie verlangt von Migranten ohne Aufenthaltsrecht eine Kaution von 5000 Euro, damit sie nicht in Abschiebehaft landen; das wird niemanden abhalten, nach Europa zu streben. Und welchen Unterschied macht es, wenn sie Geld in der Tasche haben – welche Rechtfertigung für einen Aufenthalt wäre es? Dann plant Meloni Abschiebezentren, obwohl die bestehenden längst nicht ausgelastet sind. Die Insel Lampedusa, welche die Hauptlast der Aufnahme zu tragen hat, wird mit ihren Strukturen dafür alleingelassen.

Das Menschenbild kommt zum Vorschein

Denn "Migranten" sind für Meloni grundsätzlich eine Last. Sie will sie nicht, es ist eine untergeordnete Angelegenheit. Sie verachtet sie. Anders kann man Meloni nicht verstehen, gerade vor dem Hintergrund eines Buches, das 2019 erschien, und bei dem sie als Co-Autorin firmiert. Titel: "Mafia Nigeriana". Dort fabulierte sie mit ihrem Mit-Schriftsteller von "90 bis 100 Kilo schweren, riesigen Nigerianern, die unsere Sicherheitskräfte angreifen". Sie seien alle "durchtrainiert und potenzielle Mörder" und würden von italienischen Richtern nach ihrer Verhaftung immer gleich wieder auf freien Fuß gesetzt.

Es wird noch heftiger: Auch Kannibalismus steht auf der Speisekarte des Horror-Kompendiums: Auf den Wochenmärkten der Yoruba werde Menschenfleisch verkauft, wobei die "Kadaver der Weißen" besonders nachgefragt seien. Schlechter kann man kaum träumen. Reine Bösartigkeit kann Meloni angetrieben haben. Und der Gedanke, Leser mit ihren Phantastereien tatsächlich für dumm verkaufen zu können. Dass Meloni es damit in politische Verantwortung geschafft hat, ist schlicht tragisch.

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Infografik: Die meisten Asylanträge werden in Deutschland gestellt | Statista
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Die Römerin kam als Hetzerin ins Amt. Ihre Versprechen aus dieser Hetze kann sie nicht halten. Also schreibt sie einen Brief. Warum schickt sie nicht einen nach Ungarn oder nach Polen? Dort ist man offen gewillt, Italien bei der Aufnahme Geflüchteter im Stich zu lassen. Was Italien als Erstaufnahmeland braucht, ist europäische Solidarität. Länder, die Menschen aufnehmen. Deutschland zum Beispiel zeigt sich solidarisch. Es nimmt viele aus Italien Weiterreisende auf, dreimal so viele Asylanträge werden hierzulande registriert wie in Italien.

Absaufen ist auch keine Lösung, nicht einmal für Faschisten. Denn auch dann werden einige Menschen durchkommen. Dann kann man sich totstellen und so tun, als wären sie nicht – so wie es in Italien oft praktiziert wird, wo Integrationspolitik nicht gerade im Zentrum offizieller Aufmerksamkeit steht. Aber die Herausforderungen lösen tut es nicht.

Das Problem von Faschisten ist mitunter, dass sie nur Stärke und Entschlossenheit vorgaukeln. Sie sind schlechte Manager. Unter ihnen regiert das Mittelmaß, das war nirgends jemals anders. Bleibt ihnen nur das Briefschreiben.