Kommentar: Müssen wir uns vor einer Klima-RAF schützen?

Aktivisten der
Aktivisten der "Letzten Generation" besetzen in Berlin eine Straße (Bild: REUTERS/Christian Mang)

Die Unionsfraktion fordert Gefängnis für Straßenblockaden und Gemäldebeklebereien. Ihr Argument: Damit soll einer Radikalisierung der Klimaaktivisten vorgebeugt werden. CDU und CSU haben vom Klimawandel auch wirklich nichts verstanden.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Beim Klimawandel greift die Union endlich durch. Drastische Mittel müssen her, um der Lage Herr zu werden. Denn die Zeit drängt. Also hat ihre Fraktion im Bundestag Gesetzentwürfe eingebracht, die am Donnerstag diskutiert werden sollen. Motto: Jetzt ist Schluss mit lustig. Leider meinen CDU und CSU nicht den Klimawandel, sondern die Protestaktionen dagegen.

Es ist wie in den guten, alten Zeiten: Die Union macht mal wieder den Bock zum Gärtner. Und handelt es sich um Bestrafung, geht ihr gern der Gaul durch. Aber der Reihe nach.

Denn nicht gegen den Klimawandel richten sich die von ihr geforderten Maßnahmen, sondern gegen Proteste, die zu mehr Engagement zum Kampf gegen eben jenen mahnen. Über Jahrzehnte hinweg haben CDU und CSU den Klimawandel weggelächelt und wollen noch heute die nötigen Anpassungen nur so gestalten, dass sie möglichst wenig in der Gegenwart schmerzen – damit umso mehr in der Zukunft. Und nun legen sie los, als wäre eine Tarantel hinter ihnen her.

Worum geht es? Wer eine Straße blockiert, soll dafür mindestens drei Monate Gefängnis erhalten, oder bis zu fünf Jahren. Dies, wenn „eine große Zahl“ an Verkehrsteilnehmern blockiert wird, wie es im Gesetzentwurf heißt. Das ist natürlich hinreichend unscharf formuliert. Auch wer sich an den Rahmen eines Museumswerkes klebt oder es mit Zeug bewirft, riskiert nach den Plänen der Union ähnliche Strafen – wegen „gemeinschädlicher Sachbeschädigung“.

Die Vorgeschichte

Zum einen ist bisher kein einziges Gemälde zu Schaden gekommen, weil es stets nur mit einem Glasrahmen geschützte Werke betraf. Und bei Straßenblockaden ist natürlich peinlich darauf zu achten, dass Menschenleben nicht in den Hauch einer Gefahr kommen, aber dafür gibt es schon jetzt Gesetze und Strafmöglichkeiten. Anlass für die Unionsstrebereien ist vielleicht der Unfall einer Radfahrerin in Berlin, die von einem Betonmischer überfahren wurde und verstarb. Zwischenzeitlich war die Aufregung groß, nicht wegen der Verkehrslage und allgemeinen Gefährdung von Radfahrern, sondern weil die Vermutung im Raum stand, ein wegen einer Straßenblockade im Stau steckengebliebenes Hebefahrzeug sei zu spät gekommen, um das Unfallopfer zu befreien. Mittlerweile hat sich herausgestellt, dass die Schuldzuweisungen verfrüht und falsch waren, es wäre nie zum Einsatz dieses Hebewagens gekommen; der Rettungswagen, die Sanis und die Rettungsärztin waren ohne Probleme vor Ort gewesen und hatten sich aus alleinigen Gründen der besten Rettung, wie sie später tweeteten und nach Angaben der "Süddeutschen Zeitung" aussagten, gegen einen Einsatz des Hebewagens entschieden.

CDU und CSU begründen ihren Vorstoß damit, dass nun ein Riegel vorgeschoben werden müsste. Ihr Argument: So könnte die Radikalisierung der Klimabewegung verhindert werden, ihr Abgleiten in gewaltvolles Tun. Schon machte bei Konservativen das Wort von der RAF die Runde, also von jener linksradikalen Terrororganisation, die nicht wenige Jahre lang in Deutschland ihr Unwesen trieb.

Düstere Antworten auf düstere Probleme

Es ist überhaupt nicht auszuschließen, dass es zu Gewalt- oder gar Terrorakten kommen wird. Denn der Klimawandel wird immer radikalere Wirkungen zeitigen, immer mehr Verzweiflung. Stand jetzt ist nicht damit zu rechnen. Das wird aber sicherlich der Fall sein, wenn die Zahl der Hitzetoten krass steigt, weitere Sintfluten zerstören und die Bauern vor verdorrten Feldern stehen. Also ziemlich bald. Bloß: Diese Gewalttaten verhindert man nicht mit Kollektivbestrafung zivilen Ungehorsams. Wer jemals überlegt, als radikaler Klimaschützer einen direkten Weg der Gewalt oder gar des Terrors zu gehen, lässt sich nicht von diesem Gedöns abschrecken, sondern höchstens nur anspornen. Die Union ist komplett auf einem Irrweg.

Es wäre nicht nur schön, sondern notwendig, wenn CDU und CSU ähnlichen Aktionismus beim Kampf gegen den Klimawandel an den Tag legten. So bauen sie nur an einem Feindbild, an dem sie sich dann abarbeiten können. Das ist alles durch- und überschaubar.

Im Video: COP27 - "Gegen den Klimawandel gibt es keinen Zauberstab"