Kommentar: Ostdeutschland kriegt nun eine mitteldeutsche Partei

Den AfD-Anstecker tauscht André Poggenburg nun gegen die Kornblume (Bild: dpa)
Den AfD-Anstecker tauscht André Poggenburg nun gegen die Kornblume (Bild: dpa)

André Poggenburg will befreit poltern und zieht in ein neues Gebäude ein. Es wird laut werden. Und zu einer Gefahr für die AfD.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Geografisch gesehen wird es nun kompliziert. Eine “mitteldeutsche Bewegung” ist gegründet worden, und zwar vom AfD-Veteranen André Poggenburg, der in der Partei immerhin Fraktionschef und Landesvorsitzender in Sachsen-Anhalt gewesen war, bis man ihn dort nicht mehr haben wollte, aus verschiedenen Gründen.

Mit “mitteldeutsch” will man wohl sagen: ostdeutsch. Wer aber permanent rechtsaußen blinkt, kriegt womöglich Schielaugen. Oder hat Poggenburg vor, sich mit seiner Partei zu “erweitern” und irgendwann einmal im althergebrachten Sinne “ostdeutsch” zu werden, also auch für polnische Parlamente zu kandidieren? Solch einen Versuch würde ich allzugern als Reporter begleiten, eine echte „Mission Impossible“. Den ernsten Blick eines Tom Cruise hat Poggenburg schon.

Verbale Aufrüstung als Programm

Mitteldeutsch ist ein Kraftbegriff, der postuliert: Da war mal was, also jene Gebiete, die zu Deutschland gehörten, bis der Zweite Weltkrieg Europa ins Unglück stürzte und Deutschland für seine Schuld daran mit dem Verlust dieser Regionen bezahlte. Vertriebene trauern der verlorenen Heimat völlig verständlich hinterher. Alle anderen missbrauchen die Vertreibungen für eine unmenschliche Rückeroberungsphantasie, die zum Glück so realistisch daherkommt wie eine Besiedlung des Mondes im Jahr 2019.

Poggenburg aber liebt Kraftbegriffe. Es juckt ihn immer wieder, sie zu verwenden. Dann kann er über “vaterlandslose Gesellen” zetern, über “Kümmeltürken” und “Kamelhändler”, Leute eben, die der Poggenburgschen Kernigkeit nicht gewachsen sind.

Das Logo der AdP Mitteldeutschland (Bild: Facebook/AdP Mitteldeutschland)
Das Logo der AdP Mitteldeutschland (Bild: Facebook/AdP Mitteldeutschland)

Die AfD mag auch Kraftbegriffe. Aber gewisse Volkstumsvokabeln meidet sie derzeit solange, wie sie noch hofft, einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz entgehen zu können. Da störte ein Poggenburg, dem es wichtig ist, öfters einen rauszuhauen. Seine Politik baut darauf auf. Poggenburg hat also eine neue Partei gegründet, und zwar den Aufbruch deutscher Patrioten (AdP). Das Blau im Logo erinnert stark an die AfD, und der Schritt aus ihr heraus und jener hin zum Patrioten-Aufbruch überzeugt inhaltlich gesehen nicht richtig. Die AfD ist voller Poggenburgs, die sich weiterhin dort wohlfühlen.

Vielleicht war es verletzter Stolz, weil Poggenburg in der Partei kaltgestellt wurde. Womöglich denkt er mehr in einer neuen Partei bewirken zu können, und keinesfalls ausgeschlossen ist, dass er sich dadurch verbesserte Karrierechancen ausmalt. Anders als bei der AfD ist jedenfalls das Zeichen auf dem altblauen Logo, nämlich das einer blauen Kornblume. Ursprünglich galt sie als gefürchtetes Ackerunkraut, aber dann machte das Mauerblümchen eine Karriere als erklärte Lieblingsblume von Kaiser Wilhelm I. In Deutschland und in Österreich trugen völkische und antisemitische Gruppen das Blümlein als Wahrzeichen, in den Dreißigern die österreichischen Nazis und auch die 22. SS-Freiwilligen-Kavallerie-Division “Maria Theresa” schmückte sich damit. Poggenburg sucht hübsche Gesellschaft und sagt es durch die Blume.

Es geht um die gleichen Töpfe

Für die AfD kann diese Abspaltung zu einem großen Problem werden. Denn die bisherigen Versuche starteten alle links von ihr. Keiner redet mehr von Frauke Petrys Haufen, und von dem Bernd Luckes erst recht nicht. Poggenburg aber wird imitieren, was der AfD den Erfolg brachte: Je nationalistischer und alarmistischer sie auftrat, umso mehr Zustimmung erhielt sie. Poggenburg wird nun noch schriller auftreten, das Völkische ist sein Markenkern. Und in Abgrenzung von Rechtsaußen kann er immer noch den braven Schwiegersohn geben, der niemals in Springerstiefeln zum Kaffeekränzchen käme. Damit kann er der AfD im Osten Stimmen abjagen. Es gibt nicht wenige Wähler, die sehnen sich nach verbaler Eskalation, nach einem steten Drauflegen. Die kann Poggenburg bedienen.

In der AfD gibt man sich gelassen. Aber natürlich wird sich Poggenburgs “Aufbruch” von ihrem Fleische nähren.