Kommentar: Sachsens AfD verschiebt den Durchmarsch

Ein Pegida-Traum aus dem Jahr 2019: Plakate bei einer Demo in Dresden (Bild: REUTERS/Wolfgang Rattay)
Ein Pegida-Traum aus dem Jahr 2019: Plakate bei einer Demo in Dresden (Bild: REUTERS/Wolfgang Rattay)

Bei den Landratswahlen im Freistaat sind die Rechtspopulisten klar gescheitert. Politik für die Leute vor Ort traut man ihnen wohl doch nicht zu. Für die ehrgeizigen Pläne der Partei ist das ein herber Rückschlag.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Durchmarsch sieht anders aus. Die Landratswahlen in Sachsen hat sich die AfD anders vorgestellt. Einen Gang in die Institutionen hatten die Rechtspopulisten angekündigt, an die Steuerräder der Kommunen wollten sie. Doch wie nun der vergangene Sonntag zeigte: Daraus wurde nichts. Nicht einmal nah heran kamen ihre Kandidaten an die nicht unwichtigen Landratsposten.

Dabei wäre es für die AfD folgerichtig, logisch und auch notwendig, einmal in eine regierende Verantwortung zu kommen. Zum einen streben Parteien sowas natürlicherweise an, sie wollen ja gestalten. Und zum anderen ist es der Lackmustest, ob sie tatsächlich auch liefern können – und nicht nur versprechen.

Aber die Wähler und die anderen Parteien lassen sie nicht. Selbst im Stammland Sachsen vertrauen sie anderen Protagonisten. Warum?

Keine Partei macht derart konsequent auf Opposition wie die AfD. Klar, aus ihrer Perspektive hat sie auch am meisten zu kritisieren, der Status quo gefällt ihr ganz und gar nicht. Da muss das Megafon entsprechend größer ausfallen. Bei der AfD indes wollte man auch bisher stets die lautesten Dezibel. Es ist wie eine Sucht. Die Partei ist bisher nicht über die Pubertät hinausgekommen. Sie ist wie der Teenager, der sich aus Prinzip weigert, das Zimmer aufzuräumen. Das kann unter Gleichaltrigen gut ankommen, eine Weile. Wirkt sich aber langfristig nicht konstruktiv auf das Zusammenleben im Familienhaushalt aus – und daher wird ihm selten die Haushaltskasse anvertraut, geschweige denn ein Landratsamt.

Das Scheitern der AfD liegt nur an ihr selbst.

Ungünstige Wetterbedingungen

Natürlich wehte der Zeitgeist ihr mehr ins Gesicht als dass er sie trieb. Niemand will gerade über Geflüchtete meckern, bei der Corona-Pandemie blamierten sich die Rechtspopulisten irgendwo zwischen Planlosigkeit und Krawall aus Prinzip. Und im Ukrainekrieg erreichen sie mit ihrer empathielosen Position gegenüber der angegriffenen Ukraine zwar eine gewisse Klientel, stoßen aber noch mehr ab. Pech eben.

Dass die Partei auf Bundesebene weder Strahlkraft noch Einheit in sich vereint, wird auch nicht geholfen haben. Zwar entwickelt sich die AfD eindeutig in eine absehbare Richtung. Auf ihrem Weg durchs nicht kleine Gebiet der politischen Rechten macht sie längst nicht halt. Das macht sie in den Augen der Öffentlichkeit zu einer Marke. Kakophonie wird es immer weniger geben. Aber dafür mehr Abschreckung des bürgerlichen Lagers.

Das wollte die AfD in Sachsen dann doch nicht in Exekutivverantwortung sehen. Sowas ist indes wichtig für die Entwicklung einer Partei. Auch die Grünen waren bald fällig, sie mussten ran, und zwar recht wenige Jahre nach ihrer Gründung.

Parteien leben von Menschen

Der AfD aber fehlen hierfür die Leute von nötigem Format. Man muss es so sagen: Intellektuell wirklich fähige Politiker sucht man mit der Lupe. Und mit der Moral ist es auch ein Problem. Denn jeder Bürger merkt: In diesen unruhigen Zeiten sind Schreihälse bestimmt nicht die besten Ratgeber. Hinzu kommt, dass es zwischenmenschlich immer noch sehr fremdelt, innerhalb der AfD, aber auch in Bezug auf andere Parteien. Was allein aus dem Bundestag über das Miteinander in den Reichstagsfluren berichtet wird, spricht mehr für ein reines Gegeneinander. Zwar stellen sich die Leute der „Altparteien“ sicherlich zu sehr auf Hinterbeine, ziehen zu sehr die Nasen hoch und suchen keine demokratische Auseinandersetzung auf Augenhöhe. Aber der Apparat der AfD versucht auch nicht wirklich, die Vorbehalte zu zerstreuen. Im Gegenteil.

Die AfD ist fest im deutschen Parteiensystem verankert. Wachsen kann sie auch noch, theoretisch. Aber sie scheint gerade eine Sättigung zu erreichen. Mehr ist so nicht drin. Sie steht wie ein neuer Kaiser da, mit neuen Kleidern, aber eben nackt. Durchmarsch sieht anders aus.

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