Kommentar zum Stadtarchiv: Endlich beginnt die Aufarbeitung

Der Einsturz des Kölner Stadtarchivs wäre vermeidbar gewesen.

Seit dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs sind mehr als acht Jahre vergangen – eine Zeitspanne, in der nicht nur Pessimisten befürchteten, dass am Ende wohl niemand zur Rechenschaft gezogen werde für die Katastrophe, die zwei Menschen das Leben kostete und die das Vertrauen der Kölner in Führung und Organisation ihrer Stadt nachhaltig erschütterte. Köln kann es nicht: Der Archiveinsturz passte exakt ins Bild einer Kommune, in der man Fünfe gerne gerade sein lässt, Mühe, Schweiß und Anstrengung scheut und sich schnell mit Mittelmaß zufrieden gibt – in diesem Fall mit fatalen Folgen. Kölner verlieren Überblick über Sachlage Zwar ist das Loch an der Severinstraße, in das Kölns Gedächtnis an jenem verhängnisvollen Tag gestürzt war, bis heute eine tiefe, schmerzende Wunde. Und doch verlor auch der noch so interessierte Bürger irgendwann den Überblick über all die Gerüchte und Aussagen, über die Vielzahl der Ermittlungen und Gutachten rund um die Einsturzstelle. Eine genaue Klärung, so der weit verbreitete Eindruck, dürfte unmöglich sein. Sie ist vielleicht, so munkelte mancher, auch gar nicht gewollt. Und dass die Stadt – und damit eben alle Kölner – letztlich für die gigantischen Kosten aufkommen müsse, ist ebenfalls bis heute vorherrschende Stimmungslage. Neuer Abschnitt in der Aufarbeitung Doch nun gibt es eine Anklage. Auch wenn es lange gedauert hat: Jetzt beginnt ein völlig neuer Abschnitt in der Aufarbeitung der Archiv-Katastrophe. Jetzt nämlich wird deutlich, dass die Ermittler in all den Jahren nicht untätig waren, dass sich all die aufwendigen Untersuchungen und Gutachten gelohnt haben, dass kostentreibende Untersuchungsbauwerke, Vereisungen der Unglücksstelle und aufwendige Tauchereinsätze ihren Sinn hatten. Dass der Rechtsstaat eben auch in Köln funktioniert. Fehlende Sorgfalt beim Bau der Nord-Süd-Bahn Und noch eines wird durch die Anklage klar: Es waren nicht finstere Mächte, die für den Einsturz, für die Todesopfer und für die ideellen, materiellen und finanziellen Folgen verantwortlich sind. Nein, folgt man den Ausführungen der Staatsanwaltschaft, war hier schlicht kriminelle Energie am Werk. Über die Motive der Angeklagten, auch über eine möglicherweise stark angespannte Atmosphäre rund um ein Großprojekt, das finanziell wie zeitlich aus dem Ruder zu laufen drohte, wird der Prozess Auskunft geben. Von zwingend erforderlicher Sorgfalt angesichts der hochkomplexen Bauaufgabe mitten in einer extrem dicht besiedelten Großstadt scheint man beim Bau der Nord-Süd-U-Bahn jedenfalls sehr weit entfernt gewesen zu sein. Deutsche Wertarbeit beim Archiveinsturz unauffindbar Denn der Archiveinsturz hat ja mit einer weiteren Gewissheit gründlich aufgeräumt: dass herausragende Ingenieurleistungen eine Kernkompetenz der Deutschen sind. Einem Entwicklungsland hätte man eine solche Katastrophe zugetraut, aber doch nicht den Erfindern der DIN-Norm und der Bauaufsicht. Und dass in einer durchorganisierten Millionenstadt möglicherweise eine fatale Mischung aus Organisationsmängeln, fehlender Kontrolle und Verstößen gegen klare Regeln ein derartiges Debakel ausgelöst hat, ist bis heute schwer zu begreifen. Hartnäckigkeit zahlt sich aus Die Untersuchungen haben lange gedauert. Die Sorgfalt und Hartnäckigkeit der Staatsanwaltschaft haben sich ausgezahlt. Diese Gründlichkeit ist wichtig. Denn die Anklage ist ja nur Grundlage für den nächsten, noch wichtigeren Schritt: Die öffentliche Aufarbeitung des Debakels vor dem Landgericht. Zumindest besteht die Hoffnung, dass eine möglichst weitreichende Offenlegung der Abläufe rund um den Einsturz hilft, ein solches Totalversagen künftig auszuschließen. Im besten Fall wird sich im Gerichtssaal sogar zeigen, wer jenseits der direkt Beschuldigten auch in den Führungsebenen der weit verzweigten Bauorganisation zumindest mitverantwortlich ist für die Katastrophe. Auch deshalb ist dieser Prozess eine große Chance. Er kann die Stadt voranbringen....Lesen Sie den ganzen Artikel bei ksta