Kommentar: Wie sich Fridays for Future neu erfinden muss

Die Klimaaktivisten von Fridays for Future durchleben ihre stärkste Krise. Denn der internationale Account irritiert durch antisemitische Slogans. Und das Klima wird zur Nebensache. Durch diese Herausforderung kann die Bewegung sogar stärker werden. Sie muss nur auf ihr Herz hören.

Bei einem Klimaprotest gegen fossile Energien in London wird Aktivistin Greta Thunberg von
Bei einem Klimaprotest gegen fossile Energien in London wird Aktivistin Greta Thunberg von Fridays for Future Mitte Oktober abgeführt. (Bild: REUTERS/Toby Melville)

Ein Kommentar von Jan Rübel

Die Häme bei CDU und FDP ist unüberhörbar. Aus den Parteien dringt die Forderung, die Klimaaktivisten-Gruppe Fridays for Future (FFF) solle einen klaren Schnitt machen, sich distanzieren – mancher Zeitgenosse bringt sogar eine Namensänderung ins Spiel. Endlich, so schimmert ungesagt durch, kann man es diesen lästigen jungen Leuten von FFF dafür heimzahlen, dass sie einem bei der Klimapolitik auf die Finger schauen, oder genauer ausgedrückt: bei der Klimanichtpolitik auf die Finger schauen. Dabei sind diese Forderungen insofern überflüssig, da FFF sich schon händeringend distanziert und intern einen heftigen Kampf ausfechtet.

Was ist passiert? Eine Gruppe um Greta Thunberg macht seit Tagen auf sich aufmerksam, indem sie über den internationalen Account von FFF Kacheln raushaut. Thunberg ist nicht irgendwer, sondern die Ikone der Bewegung. Die anderen um sie herum sind Nobodys, und das ist Teil eines Problems. Denn die Slogans, die gerade von diesem mit knapp einer Million Followern reichweitenstarken Account verbreitet werden, haben mit der Kernkompetenz von FFF nichts zu tun: Es geht nicht um Klimaschutz, sondern um den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern. Das Bild, dass sie mit ihren Postern um die Welt schicken: Die Palästinenser würden sich nur wehren, westliche Medien würden Unwahres verbreiten, das Ganze sei ein Schwarz-Weiß-Konflikt, frei nach dem Motto, dass Israel dasteht wie ein Kolonialprojekt und die Palästinenser wie linke Freiheitsrebellen.

Das ist natürlich Unfug. Den Palästinensern ist viel Unrecht und Erniedrigung angetan worden, es braucht historische Gerechtigkeit und endlich gleiche Rechte für Alle in der Region. Nur nehmen die Leute um Thunberg nicht zur Kenntnis, dass seit dem 7. Oktober etwas passiert: Nämlich der möglichst deutlichste Beweis, dass die radikalislamische Gruppe Hamas keine Widerstandsorganisation ist, sondern ein Haufen herzloser Gewaltphantasten und korrupter Diktatoren, die in ihrem Kopf neben dem Paradies eine Menge Terror haben. Hamas hat mit linken Klimaschützern genau das gemeinsam: nichts. Und Hamas braucht nicht die israelische Verweigerung von Freiheitsrechten, um zu morden: Hamas ernährt sich von seinem eigenen Hass.

Wer am lautesten schreit

Dieser internationale FFF-Account bespielt also antisemitischen Verschwörungskram à la "Glaubt nicht den Medien", was man eher von rechts kennt. Ist das repräsentativ für die Klimaschützer?

Nein. Nun rächt es sich, dass das Netzwerk von FFF lose gesponnen ist, nicht formell funktioniert wie eine Partei. Das ist dem Charakter der jugendlichen Bewegung geschuldet, fällt aber vor die Füße, wenn sie von wenigen aggressiv vorgehenden Persönlichkeiten gekapert wird – wie jener internationale Account, der von ein paar Hanseln bespielt wird. Eine innerdemokratische Kontrolle findet nicht statt.

Eine alte Märchenerkenntnis: Mit dem Herzen schauen

Das kann FFF zur Spaltung führen. Denn die deutsche Sektion hat mehr als klar gemacht, dass sie mit dem Mangel an Empathie für alle Opfer, nämlich auch für die israelischen der Hamas-Massaker und für die jüdischen weltweit wegen des hochreibenden Antisemitismus, nichts anfangen kann. Eine Namensänderung wäre Quatsch und diente nur dem Interesse, nervende Aktivisten loszuwerden. Aber nun heißt es, Moral zu zeigen. Antisemitismus und Klimaschutz vertagen sich schlecht. Engagement gegen Judenfeindschaft und Klimaschutz dagegen schon.

Es geht nicht darum, eine Gruppe auf eine "Linie" zu bringen. Aber Kern von FFF sollte die Menschlichkeit sein. Der internationale Account versteckt sie unter seiner politischen Agenda eines angeblichen antiimperialistischen Freiheitskampfes. Soll er weiterhin seine Kacheln kacheln. Der Klimawandel schreitet indes voran und schert sich nicht darum. Für FFF gibt es viel zu tun. Zeigen die Aktivisten jetzt ihr Herz, können sie die jungen Generationen überzeugen – vielleicht auch mehr als gerade. Denn FFF hat seit der Coronapandemie eh mit Sichtbarkeit zu kämpfen. Die hat die Bewegung nun aus ungewollten Gründen. Wenn die deutsche Sektion und viele anderen bei ihrem Kurs bleiben, können sie gestärkt aus dieser Krise hervorgehen. Und Greta Thunberg wird eines Tages eine Menge zu erklären haben.