Konzerthaus Berlin : Der paradoxe Pianist Víkingur Ólafsson

Der Isländer Víkingur Ólafsson ist ein paradoxer Pianist: Das Kleinformatige liebt er ebenso wie lange Klavierabende. Die typischen Zugaben-Stücke verlegt der 35-Jährige deshalb bereits ins Hauptprogramm. Und dies in einer solchen Fülle, dass bereits die erste Konzerthälfte 65 Minuten dauert. Oder auch mehr – man weiß es hinterher nicht so genau. Denn das Zeitgefühl verschwimmt an diesem Abend im Konzerthaus. Ähnlich wie auch das Gefühl für die Epochen: Debussy und Rameau gibt es im ständigen Wechsel, eigentlich eine Kombination aus Impressionismus und Spätbarock. Doch bei Ólafsson rücken diese zwei französischen Komponisten jetzt so dicht zusammen, dass beide wie elegante, filigrane Spätromantiker anmuten. Verbunden durch ätherische Pianissimo-Kultur, intensiven Pedalgenuss und zärtlich-intime Gesänge der rechten Hand.

Okay, es gibt auch Ausnahmen: Rameaus „La Poule“ (Das Huhn) zum Beispiel, ein Stückchen, das auch der Russe Grigory Sokolov gern spielt. Bei Ólafsson ist dieses Huhn nun ganz besonders gierig. Manisch-aggressiv pickt es nach jedem Korn – und hält dabei die wild gackernden Konkurrentinnen auf Abstand. Spätestens hier wird klar: Ólafsson ist keineswegs nur ein Pianist zum Zurücklehnen und Wohlfühlen. Gern schlüpft er auch mal in die Rolle des Vollblut-Exzentrikers. Aber bei Debussy und Rameau tut er es noch sehr sporadisch. Und das ist schade. Denn einerseits liegt gerade darin eine von Ólafssons Stärken. Und zum anderen fehlen beim Debussy-Rameau-Doppel dadurch ...

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