Krise im wichtigsten Absatzmarkt: Deutschlands Autobauer sind abhängig von China – doch China nicht länger von ihnen

Ein H6 des chinesischen Luxusautoherstellers Hongqi auf der Auto Shanghai 2023. Chinas Autohersteller verdrängen zunehmend ausländische Hersteller im heimischen Markt. - Copyright: picture alliance/AssociatedPress/Ng Han Guan
Ein H6 des chinesischen Luxusautoherstellers Hongqi auf der Auto Shanghai 2023. Chinas Autohersteller verdrängen zunehmend ausländische Hersteller im heimischen Markt. - Copyright: picture alliance/AssociatedPress/Ng Han Guan

Im Juli 2023 ist Mercedes-CEO Ola Källenius zu Gast im chinesischen Staatsfernsehen. Dass sich China dem Weltmarkt öffne, sei eine Erfolgsstrategie, referiert Källenius. China sei das Zentrum von Mercedes Geschäftsstrategie. Mehr noch, für Källenius ist die Volksrepublik eine "Heimat jenseits der Heimat".

Warme Worte, die beispielhaft für die Haltung der gesamten deutschen Autoindustrie gegenüber China stehen. Und die nicht überraschen: China ist der wichtigste Absatzmarkt der deutschen Autokonzerne; Firmen wie Mercedes, Volkswagen und BMW verkaufen gut ein Drittel ihrer produzierten Autos in der Volksrepublik. Decoupling, sich also unabhängiger von China und der autoritären Willkür der Regierung von Xi Jinping machen, ist eine Sache der Politik. Für die Wirtschaft, für die Autoindustrie, ist und bleibt China der Markt der Zukunft.

Ein Markt der Zukunft allerdings, in der die Rolle und der Einfluss der deutschen Autobauer schwindet. Um die 1,5 Milliarden Euro Profit erwartet etwa Volkswagen für das laufende Jahr in China. Vor einigen Jahren war noch das Vielfache dieser Summe drin. Ein Trend, gegen den die deutschen Marken ankämpfen; VW-CEO Blume erwartet Besserung in den nächsten Jahren, sobald VW neue und für den chinesischen Markt interessante Modelle herausbringt.

Lohnt es sich für deutsche Autofirmen noch, in China zu investieren?

Doch es ist auch ein Trend, der sich womöglich verstärken dürfte. Denn die Zeiten der Marktführerschaft deutscher Autos in China gehen zu Ende. Heimische Hersteller, wie die Luxusmarke Hongqi oder das "neue Tesla" BYD, drängen – auch dank innovativen technologischen Fortschritten – an die Spitze. Anders als in Europa und den USA setzt China bei der Mobilität deutlich stärker auf Elektroantriebe. Hier hatte BYD laut "Car News China" im vergangenen Jahr einen Marktanteil von knapp 25 Prozent. Und Volkswagen? Drei Prozent. Auch im Gesamtmarkt hat BYD (11,9 Prozent) den deutschen Konkurrenten VW (10,3 Prozent) demnach überholt. BMW und Audi sind mit 3,3 beziehungsweise 3,1 Prozent Marktanteil abgeschlagen.

Ist es realistisch, dass die deutschen Autokonzerne diese auch von der chinesischen Politik stark beeinflusste Entwicklung umkehren? Patrick Hummel, Leiter der Autoanalyse bei UBS für Europa und die USA, glaubt das nicht. Er sagte der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", es lohne sich für die deutschen Marken nicht, groß in China zu investieren, "obwohl die Chinesen am Ende ohnehin gewinnen". Bis 2030, so schätzt Hummel, würden vier von fünf in China verkaufte Autos von chinesischen Herstellern kommen.

Auch, weil chinesischen Marken gelingt, was die deutschen Hersteller nicht schaffen: Günstige E-Autos anzubieten. Der günstigste Stromer von BYD kostet in China weniger als 10.000 Euro. VW, so berichtet es die "FAZ", plant für den chinesischen Markt ab 2026 mit einem "günstigen" Elektroauto mit Preis ab 18.000 Euro. Laut der Zeitung finden gerade zudem Gespräche zwischen Volkswagen und seinen chinesischen Joint-Venture-Partnern Saic und FAW darüber statt, bis Ende 2025 günstige Plug-in-Hybride in China anbieten zu können. "Dann haben wir alles, was wir brauchen, um in China erfolgreich zu sein", zitiert die Zeitung aus Konzernkreisen.

Können Volkswagen und Co. sich durch die politischen Engpässe in China manövrieren?

Das gilt für die von Peking stark subventionierte chinesische Konkurrenz jedoch genau so. Diese hat zudem weniger mit den politischen Fallstricken in der Volksrepublik zu kämpfen. Gerade erst wurde bekannt, dass Volkswagen jahrelang von China ausspioniert wurde. Zudem berichtet der "Spiegel" über das umstrittene VW-Werk in Xinjiang, bei dem der Vorwurf im Raum steht, dass an dessen Errichtung auch Zwangsarbeiter beteiligt waren. Volkswagen wolle das Werk, auch aufgrund politischen Drucks aus der USA, loswerden, so das Magazin.

Tatsächlich fänden nach jahrelanger Weigerung nun auch Gespräche mit Partner Saic statt – mit aktuell jedoch unklarem Ausgang. Denn: Volkswagen ist in den Joint Ventures mit den Staatskonzernen Saic und FAW der jeweils kleinere Partner. Der deutsche Autobauer ist im China-Geschäft auf das Wohlwollen der untereinander auch noch konkurrierenden Konzerne angewiesen. Ein Wohlwollen, das, wie bei allen Staatsunternehmen Chinas, auch von Meinung und Einfluss der Kommunistischen Partei abhängig ist.

Was wiederum erklärt, warum deutsche Auto-Bosse wie Källenius von China als "Heimat jenseits der Heimat" sprechen.

jg