"Ich kann die Kritik an den Medien zum Teil verstehen"

Seit acht Jahren verkörpert Lisa Maria Potthoff die Krav Maga praktizierende Kommissarin Sarah Kohr in der gleichnamigen ZDF-Krimireihe. (Bild: ZDF / Christine Schroeder)
Seit acht Jahren verkörpert Lisa Maria Potthoff die Krav Maga praktizierende Kommissarin Sarah Kohr in der gleichnamigen ZDF-Krimireihe. (Bild: ZDF / Christine Schroeder)

In ihrem achten Fall taucht Kommissarin Sarah Kohr tief in einer fiktive Querdenkerbewegung ein. Doch wollen die Menschen das nach knapp drei Jahren Pandemie überhaupt noch sehen? Ein Gespräch mit Hauptdarstellerin Lisa Maria Potthoff über die Krisen unserer Zeit.

Sie ist zweifelsohne eine der spannendsten Figuren der deutschen Krimilandschaft: Die Krav Maga praktizierende Kommissarin Sarah Kohr (Lisa Maria Potthoff) kämpft sich seit 2014 im wahrsten Sinne des Wortes durch die gleichnamige ZDF-Krimiserie. Der nunmehr achte Film "Sarah Kohr - Irrlichter" ist am Dienstag, 27. Dezember, um 20.15 Uhr, im ZDF, sowie bereits ab 20. Dezember in der ZDFmediathek zu sehen. Hauptthema ist eine Gruppe fiktiver Verschwörungstheoretiker, die einen Anschlag auf ein renommiertes Ärztepaar in den Hoch-Zeiten der Corona-Pandemie plant. Wollen die Menschen derartige Geschichten heute, knapp drei Jahre nach Ausrufung des ersten Lockdowns, überhaupt noch sehen? Und ist es nicht gefährlich, einen ohnehin schon radikalisierten Teil der Bervölkerung als durchweg böse darzustellen? Fragen wie diese beantwortet Hauptdarstellerin Lisa Maria Potthoff im Interview. Darüber hinaus spricht die Tochter einer Ärztin und eines Psychologen über die negativen Auswirkungen des Lockdowns. Als Mutter zweier Töchter sorgt sich die 44-Jährige zudem über die Zukunft des von Kriegen und Klimakrise geprägten Planeten.

teleschau: Hand aufs Herz: Mit wie vielen Verletzungen gehen Sie aus den Dreharbeiten von "Sarah Kohr" heraus?

Lisa Maria Potthoff: Meinen Sie generell, oder meinen Sie aus dem letzten Film? Aus dem letzten Film würde ich antworten: "verletzungsfrei", aber es sind natürlich schon immer mal wieder Kleinigkeiten passiert. Das ist aber auch normal.

teleschau: Was war die schlimmste Verletzung, die Sie sich jemals am Set zugezogen haben?

Potthoff: Das war tatsächlich nicht für "Sarah Kohr", sondern für meinen ersten Film, bei dem ich meinen ersten Kampf selber performed habe. Da habe ich mir die Strecksehne vom Ringfinger gerissen. Ansonsten waren es viele blaue Flecken. Ich habe mir einmal eine Zyste in der Schulter geholt, durch Überlastung. Also nichts, was lebensgefährlich wäre oder zu einem massiven Drehausfall geführt hat.

Anton Mehringer (Herbert Knaup) ist schockiert: Ausgerechnet seine beste Ermittlerin Sarah Kohr (Lisa Maria Potthoff) scheint mit Verschwörungstheoretikern zu sympathisieren.  (Bild: ZDF / Christine Schroeder)
Anton Mehringer (Herbert Knaup) ist schockiert: Ausgerechnet seine beste Ermittlerin Sarah Kohr (Lisa Maria Potthoff) scheint mit Verschwörungstheoretikern zu sympathisieren. (Bild: ZDF / Christine Schroeder)

"Ich würde mich freuen, wenn es mehr komplexe Frauenfiguren gibt"

teleschau: Auch in dem neuen Film muss Ihre Figur einiges einstecken... Sind Sie privat ebenso taff?

Potthoff: Nein. Ich bin sicher anders. Ich bin auch ein bisschen kommunikativer und sozialer als Sarah Kohr. Ich mag es, mit Menschen zusammenzusitzen und einen schönen Abend zu verbringen. Ich weiß gar nicht, ob Sarah unbedingt so der gesellige Typ ist, obwohl vielleicht tut man ihr da auch Unrecht... Aber wir unterscheiden uns schon: Ich bin auch noch nie mit dem Gesetz in Konflikt geraten wie sie, obwohl sie ja der Arm des Gesetzes ist. Das ist genau das Spannende an ihr.

teleschau: Wie wichtig ist es, noch mehr derart emanzipierte weibliche Figuren in der modernen Fernsehlandschaft zu schaffen?

Potthoff: Ach, ich glaube, da verändert sich gerade schon etwas. Was mir manchmal nicht gefällt ist, dass wir Frauen aktuell oft in die Rolle der starken Frau gedrängt werden. Viel wichtiger ist doch die Tatsache, dass wir Frauen sein können. Wir sind eben hochkomplex, weiblich in unserer Stärke und in unserer Schwäche. Ich würde mich freuen, wenn es mehr komplexe Frauenfiguren gibt. Als ich das erste Drehbuch, in dem Sarah Kohr alleine ein Kind vor einem Killer schützt, gelesen hatte, dachte ich: Witzig, das liest sich, als sei es eigentlich für einen Mann geschrieben, eine klassische Heldenreise. Ich glaube, wir müssen so weit kommen, dass Frauenfiguren nicht mehr nur das schmückende Beiwerk eines Mannes sind, dass die Liebe zwischen einer älteren Frau und einem jüngeren Liebhaber nicht unbedingt das Thema des Films sein muss, sondern dass es verschiedene Beziehungsarten gibt, die vielfältig in den Filmen dargestellt werden.

Lisa Maria Potthoff wurde am 25. Juli 1978 in Berlin geboren. Als Tochter einer Ärztin und eines Psychologen wuchs sie in München auf. Seit Ende der 1990-er ist sie in diversen Fernseh- und Kinoproduktionen zu sehen. (Bild: 2021 Hannes Magerstaedt / Getty Images for Constantin Film)
Lisa Maria Potthoff wurde am 25. Juli 1978 in Berlin geboren. Als Tochter einer Ärztin und eines Psychologen wuchs sie in München auf. Seit Ende der 1990-er ist sie in diversen Fernseh- und Kinoproduktionen zu sehen. (Bild: 2021 Hannes Magerstaedt / Getty Images for Constantin Film)

"Ich hatte die Kinder auch schon einmal am Set dabei"

teleschau: Sie sind zweifache Mutter. Kennen Ihre Töchter "Sarah Kohr" oder andere Ihrer Filme?

Potthoff: Meine ältere Tochter hat neulich den Film "Männerhort" geguckt. Durch Zufall hat sie dann festgestellt, dass ich mitspiele (lacht). Das kann ich natürlich nicht verhindern. Das will ich auch gar nicht. Aber ich fände es total eigenartig, wenn ich sage: "So Kinder, setzt euch vor den Fernseher! Heute gucken wir einen meiner Filme!" Ich wüsste nicht, warum ich das tun sollte. Klar, nimmt ein Architekt seine Kinder mal mit auf eine Baustelle und sagt: "Schaut mal, das Haus habe ich mir ausgedacht." Ich hatte die Kinder auch schon einmal am Set dabei, und sie durften gucken, wie mein Arbeitsalltag aussieht. Aber sie bewusst darauf zu stoßen, finde ich für die Psyche der Kinder schwierig. Sie sind ja sowieso immer wieder Situationen ausgesetzt, in denen ich auf der Straße angesprochen werde. Ich finde es besser, dass meine Tochter irritiert ist, wenn fremde Menschen begeistert sind, dass sie mich sehen und nach einem Foto fragen. (lacht).

teleschau: Wie erklären Sie ihr solche Situationen?

Potthoff: Ich sage, dass ich einen Beruf habe, bei dem mich viele Menschen im Fernsehen sehen können. Der Jüngeren erkläre ich auch, dass diese Menschen dadurch, dass sie meine Filme sehen, manchmal ein Foto als Erinnerung wollen. Damit hat sich das Thema dann auch erledigt.

Zu den bekanntesten Rollen von Lisa Maria Potthoff zählt unter anderem die Susi Gmeinwieser, die sie seit 2013 in der auf den Rommanen von Rita Falk basierenden Krimi-Reihe "Eberhoferkrimi" verkörpert. "Guglhupfgeschwader", der achte und bislang letzte Teil der Reihe mit Eisi Gulp (von links), Sebastian Bezzel und Simon Schwarz erschien Anfang August im Kino und ist seit 19. Dezember auf DVD und Blu-ray erhältlich. (Bild: 2022 Hannes Magerstaedt / Getty Images for Constantin Film)

"Es gibt nicht den allgemeinen Corona-Leugner"

teleschau: "Irrlichter" spielt in der aktuellen Phase der Corona-Krise. Glauben Sie, die Menschen wollen so etwas nach zwei Jahren Pandemie überhaupt noch sehen?

Potthoff: Ich weiß es nicht. Die Einschaltquoten werden es uns verraten. (lacht) Klar, machen sich die Verantwortlichen im Vorfeld viele Gedanken darüber, ob die Leute das sehen wollen. Der Krimi, weiß man, funktioniert in Deutschland einfach. Aber was ich toll finde von den Verantwortlichen beim ZDF und von der Produktionsfirma, dass sie das Wagnis eingehen und sagen: "Wir wissen nicht, wie viele Leute Lust haben, am 27.12. noch mit dem Gänsebraten im Magen sich mit einem gesellschaftlich relevanten Thema auseinanderzusetzen. Aber die Schlussfolgerung kann nicht sein, dass wir solche Filme nicht machen." Der Film ist, wie auch die anderen "Sarah Kohr"-Filme, nicht unbedingt leichte Kost, aber dass man eine fiktive Querdenkerbewegung als aktuelles gesellschaftlich brisantes Thema nimmt und in eine fiktive Handlung packt, finde ich super.

teleschau: Könnte ein derartiger Film nicht auch gefährlich sein, weil er die fiktiven Querdenker im Film ja doch ganz klar als die Bösen darstellt?

Potthoff: Ich sehe es ein bisschen anders: Wir nehmen nicht den allgemeinen Corona-Leugner und stellen ihn als böse dar. Es gibt auch nicht den allgemeinen Corona-Leugner. Es gibt einige, wenige Menschen, die sagen: "Corona gibt es nicht. Das ist eine Erfindung von Bill Gates." Es gibt mehr Menschen, die sagen: "Es gibt Corona, aber ich bin gegen Masken." Oder: "Es gibt Corona, aber ich will mich nicht impfen lassen." Das ist keine homogene, sondern eine heterogene Gruppe. Nur sehr wenige Menschen, die gewisse Wege in der Pandemie kritisiert haben, haben sich radikalisiert. Wir nehmen eine kleine Gruppe von drei im Film dargestellten Menschen, die definitiv den Pfad verlassen hat. Diese Menschen gibt es, aber das ist ein sehr kleiner Teil der Bevölkerung.

Inzwischen lebt Lisa Maria Potthoff mit ihrem Mann und zwei Töchtern in Berlin.  (Bild: 2018 Getty Images/Hannes Magerstaedt)
Inzwischen lebt Lisa Maria Potthoff mit ihrem Mann und zwei Töchtern in Berlin. (Bild: 2018 Getty Images/Hannes Magerstaedt)

"Ich kann die Kritik an den Medien zum Teil verstehen"

teleschau: Sehen Sie keine Gefahr darin, dass der Film die bestehenden gesellschaftlichen Diskussionen neu entfachen könnte?

Potthoff: Nein, im Gegenteil: Ich glaube, Diskussion ist in einer Demokratie immer wichtig und gut. Nehmen wir an, eine Familie guckt zu Hause diesen Film und gerät um 21.46 Uhr nach dem Abschalten von "Sarah Kohr" noch mal in eine Diskussion darüber, wie die Lage der letzten Jahre wahrgenommen wurde. Das würde mich freuen! Wichtig ist nur, dass wir in dieser Diskussion oder in Diskussionen über den Ukraine-Krieg oder über die Klima-Krise anderen Meinungen gegenüber offen sind und vielleicht mal heftig diskutieren, aber nie unter der Gürtellinie landen. Schauen Sie in den Iran, wo Andersdenkende eiskalt ermordet werden, weil sie einfach nur eine andere Meinung kundtun, aber keinem anderen Menschen etwas zuleide tun. Da wird einem nochmals bewusst, wie wunderbar es ist, dass wir in unserer Gesellschaft diskutieren können. Wir können sagen: "Ich sehe das ganz anders." Und müssen nicht um unser Leben fürchten.

teleschau: In den letzten zwei Jahren gab es Vorwürfe, die Medien würden mit der Thematik einseitig umgehen. Haben Sie das auch so wahrgenommen?

Potthoff: Ich kann die Kritik an den Medien zum Teil verstehen, ja. Manchmal war mir das auch zu einseitig. Aber das ist generell so. Es gibt immer wieder so irrsinnige Trends, bestimmte Themen totzureiten. Ich bin davon überzeugt, dass Journalistinnen und Journalisten in Deutschland frei arbeiten können. Aber ich weiß nicht, ob es gut ist, dass man zum Beispiel den Leuten derzeit wegen der Energiekrise so viel Angst macht. Es sollte thematisiert werden, aber wenn das Thema alle fünf Minuten aufkommt, sehe ich das kritisch.

teleschau: Wie viele Diskussionen zum Thema Corona mussten Sie in Ihrem Umfeld führen?

Potthoff: Wir kennen auch Menschen, bei denen es schwierig wird, eine sachliche Diskussion zu führen. Ich versuche offen zu bleiben und für mich abstrus klingende Argumente anzuhören und vielleicht nicht türenknallend den Raum zu verlassen. Klar, bei gewissen Theorien fällt es schwer (lacht). Es ist ohne Frage eine anstrengende Zeit!

"Jedes Thema, das zum Nachdenken anregt, ist ein interessantes filmisches Thema"

teleschau: Sie sind Tochter einer Ärztin und eines Psychologen. Inwiefern hat diese Konstellation Ihren Blick auf die Pandemie, den Lockdown und die Folgen geprägt?

Potthoff: Wir haben sicher interessante Diskussionen geführt. Mein Vater hat weniger als Psychologe, sondern in der Gesundheits- und Epidemiologieforschung gearbeitet. Das heißt, Studien und Wahrscheinlichkeiten zu pandemischen und epidemischen Situationen waren im Grunde sein Berufsfeld. Ich fand es immer sehr interessant, was er als Fachmann dazu zu sagen hatte.

teleschau: Derzeit liest man, dass uns die psychologischen Folgen des Lockdowns noch lange verfolgen werden...

Potthoff: Davon bin ich überzeugt, und ich könnte mir vorstellen, dass mein Vater das genauso sieht. Kürzlich las ich in der Zeitung, dass die Jugendpsychiatrien an ihrem Limit sind. Sie waren ein wichtiger Auffangort für viele Kinder und Jugendliche, denen es in der Pandemie sehr schlecht ging. Es wird viel über die Überlastung der Krankenhäuser in der Pandemie gesprochen, aber es gibt eben auch eine Überlastung der psychiatrischen Einrichtungen. Inzwischen geben einige Politikerinnen und Politiker auch zu, dass die Schulschließungen rückblickend ein Fehler waren. Ich bin sicher keine Corona-Leugnerin, aber wenn jetzt noch irgendjemand käme und sagen würde, wir machen die Schulen sechs Wochen zu...

teleschau: Glauben Sie, dass diese Nachwirkungen künftig auch in Filmen thematisiert werden?

Potthoff: Das kann ich mir durchaus vorstellen! Jedes Thema, das zum Nachdenken anregt, ist ein interessantes filmisches Thema.

"Ich habe sehr viel mehr Sorgen um meine Kinder als vor zwei, drei Jahren"

teleschau: Nach Corona müssen wir uns nun schon mit den nächsten Krisen, dem Ukraine-Krieg, der Energie-Knappheit und dem Klimawandel rumschlagen. Wie gehen Sie damit um?

Potthoff: Ich glaube, wir haben lange in einer Welt gelebt, in der wir dachten: "Ach, es ist schon alles ziemlich super und okay." Jetzt bröckelt dieses sichere Grundkonstrukt und macht definitiv etwas mit unserer Gesellschaft und jedem einzelnen. Ich habe sehr viel mehr Sorgen um meine Kinder als vor zwei, drei Jahren. Ich hoffe, dass sie noch auf einem Planeten leben können, der nicht völlig überhitzt und verdorrt ist, auf dem es nur noch Klimaflüchtlinge gibt und auf dem noch mehr Kriege entstehen. Es gibt so viele Punkte gerade, über die man verzweifeln kann. Ich kann schon verstehen, dass es manchen Menschen nicht gut geht.

teleschau: Wie bewahren Sie Ihre Zuversicht?

Potthoff: Indem ich versuche, mich auf das zu konzentrieren, was gut ist: Dass meine Kinder gesund sind, dass ich das Gefühl habe, dass sie sozial intelligente Wesen sind, die kluge Gedanken äußern können, dass sie auf mich recht glücklich und ausgeglichen wirken, dass ich meinen Beruf echt liebe. Ich drehe wahnsinnig gerne Filme, ich darf reisen. Das ist mir durch Corona auch nochmal bewusst geworden, wie schön es ist, dass ich auch mal an einen anderen Ort fahren darf. Wir haben ein schönes Zuhause, in das wir uns zurückziehen können, wenn es mal schwierig wird. Wir haben einen intakten Freundeskreis. Es gibt schon echt vieles, das mich glücklich macht, aber die welt- und klimapolitische Lage ist schon furchteinflößend.