Mäuse wurden müde und schmerzempfindlich - Macht Long-Covid-Blut andere krank? Was das für Blutspenden bedeutet

Ist eine Blutspende von Long-Covid-Patienten gefährlich? Paul-Ehrlich-Institut und Deutsches Rotes Kreuz nehmen Stellung<span class="copyright">Getty Images/PhotoAlto/dilon Dimier</span>
Ist eine Blutspende von Long-Covid-Patienten gefährlich? Paul-Ehrlich-Institut und Deutsches Rotes Kreuz nehmen StellungGetty Images/PhotoAlto/dilon Dimier

Müdigkeit, Atembeschwerden, vernebeltes Gehirn: Etwa 6 bis 15 Prozent leiden nach einer Coronainfektion an Long-Covid. Eine Untersuchung an Mäusen zeigt nun: Die typischen Symptome der Krankheit gingen durch eine Blutspende von Long-Covid-Patienten auf gesunde Tiere über. Sie wurden müde und schmerzempfindlich.

Mal sind es Wochen, mal Monate – Beschwerden wie Müdigkeit, geistige Beeinträchtigungen und Schmerzen halten an. Dabei ist der Coronatest längst negativ. Long-Covid oder Post-Covid trifft in Deutschland vermutlich hunderttausende Menschen. Genaue Zahlen sind schwer zu nennen. Zu facettenreich ist das Krankheitsbild, die Definition unscharf und es wird häufig nicht erkannt.

Die gute Nachricht: Die meisten Long-Covid-Symptome verschwinden innerhalb eines Jahres – jedenfalls bei denjenigen, die einen leichten Covid-19-Verlauf hatten.

Blutspende löst bei Mäusen Long-Covid-Symptome aus

Während bei einer akuten Corona-Infektion gilt, sich möglichst von anderen fernzuhalten, damit die Viren nicht überspringen, ist Long-Covid nicht ansteckend. Forscher aus den Niederlanden machen nun jedoch auf einen Weg aufmerksam, über den Long-Covid trotzdem auf gesunde Menschen übergehen könnte: Blutspenden.

Das zumindest legt ihre Untersuchung an Mäusen nahe: Die Wissenschaftler hatten den Nagetieren Antikörper aus dem Blut von Menschen mit Long-Covid gespritzt. Es führte bei den Mäusen zu Müdigkeit und Schmerzen. Sie entwickelten also Symptome ähnlich denen der Long-Covid-Patienten.

Zum Vergleich nutzten die Forscher zwei Kontrollgruppen: Die eine Mäusegruppe bekam Blut von gesunden Menschen, die noch nie an Corona erkrankt waren. Die zweite Mäusegruppe bekamt Blut von Menschen, die eine leichte Coronainfektion überstanden und keine bleibenden Schäden davongetragen hatten.

Insgesamt fand der Test mit Blutproben von 34 Menschen mit Long Covid und 15 Gesunden statt. Nur Tiere, die Antikörper von Long-Covid-Patienten erhalten hatten, zeigten danach die genannten Beeinträchtigungen. Je schwerer die Patienten erkrankt waren, von denen das Blut stammte, desto stärker waren anschließend auch die Symptome der Mäuse.

Anpassung der Blutspende-Richtlinien nötig?

Könnte dieser Effekt auch bei Menschen auftreten? Die Studie aus den Niederlanden schürt jedenfalls Bedenken, ob Blutspenden von Long-Covid-Patienten sicher sind. Könnte ihr Blutplasma schädliche Antikörper enthalten, die anschließend im Körper von jenen wüten, die eine entsprechende Blutspende erhalten haben? Sollten Blutbanken Spenden von Long-Covid-Patienten in Zukunft pauschal ausschließen?

An der Entscheidung über einen Ausschluss bestimmter Personengruppen sind unterschiedliche Institutionen und Experten beteiligt, erklärt das Paul-Ehrlich-Institut auf Anfrage von FOCUS online. Es ist in Deutschland nicht nur für Impfstoffe, sondern auch für Regelungen zur Sicherheit von Blut und Blutprodukten zuständig. Eine Änderung des Regelwerks müsse „auf der Grundlage umfassender wissenschaftlicher Daten und Untersuchungen“ getroffen werden.

Die Untersuchung an Mäusen liefert zwar einen ersten Hinweis auf mögliche Gefahren, kann aber noch nicht als Beleg dienen, dass Blutspenden von Long-Covid-Patienten auch für Menschen gefährlich sind.

Mehrere Blutspenden werden vermischt

Das Paul-Ehrlich-Institut betont, dass üblicherweise mehrere Blutspenden von verschiedenen Spendern miteinander vermengt werden, bevor sie dann portionsweise an Patienten verteilt werden. Potenziell enthaltene Long-Covid-Antikörper würden durch diesen Prozess stark verdünnt werden.

Auch ein Sprecher des Deutschen Roten Kreuz (DRK) betont den wichtigen Unterschied zwischen der Studie und einer Blutspende im echten Leben: Den Mäusen im Labor wurden „Antikörperpräparate in hohen Konzentrationen injiziert, die in einzelnen Blutprodukten so überhaupt nicht vorkommen“.

Weiter erklärt das Deutsche Rote Kreuz: „Von ganz entscheidender Bedeutung ist zudem, dass Blutspenderinnen und Blutspender mit einer akuten oder nicht seit Jahren völlig ausgeheilten Autoimmunerkrankung sowie Symptomen einer Long-Covid-Erkrankung als nicht gesund einzustufen sind und somit ohnehin vorsorglich von einer Spende ausgeschlossen werden.“

Die Blutspendedienste des DRK „beobachten die Entwicklung sorgfältig, sehen aber aktuell keinen weiteren Handlungsbedarf“. Außerdem seien „aus mehreren hunderttausenden Transfusionen bisher keinerlei Fälle bekannt, bei denen der Verdacht besteht, dass Long-Covid durch eine Transfusion von Blutprodukten übertragen wurde“.

Vier wichtige Fragen und Antworten zu Long-Covid

1. Welche Beschwerden haben Menschen mit Long-Covid?

Das Robert-Koch-Institut nennt folgende Sypmtome als typische für Long-Covid:

  • Erschöpfung

  • eingeschränkte Belastbarkeit

  • Konzentrations- und Gedächtnisprobleme

  • Kurzatmigkeit

  • Husten

Die Beschwerden können allein oder in Kombination auftreten und unterschiedlich lange andauern. Ein Teil der Betroffenen hat Symptome, die denen von Patienten mit chronischem Erschöpfungssyndrom (CFS) ähneln: Sie empfinden bereits leichte körperliche Belastung als extrem anstrengend. In der Folge sind Betroffene mit vielen alltäglichen Tätigkeiten überfordert.

Die Beeinträchtigungen treten entweder bereits auf, während der Coronatest positiv ist, und bleiben nach überstandener Infektion bestehen. Oder sie treten erst Wochen nach der Infektion auf.

2. Wie häufig ist Long-Covid?

Das könne bislang nicht zuverlässig geschätzt werden, sagt das Robert-Koch-Institut. Es fehle an repräsentativen Studien, die Patienten lange genug begleiten und einen Vergleich zu Menschen mit und ohne Coronainfektion ziehen.

„Darüber hinaus gibt es zunehmend Hinweise darauf, dass sich die Häufigkeit von Long-Covid je nach Virusvariante unterscheidet und nach Infektionen mit der Omikronvariante niedriger sein könnte als nach Infektionen mit früheren Virustypen“, berichtet das RKI.

Bislang gehen Wissenschaftler von einem Anteil von 6 bis 15 Prozent der Menschen aus, die nach einer Coronainfektion unter Long-Covid leiden.

3. Wie lange dauert Long-Covid?

In den meisten Fällen tritt nach ein paar Monaten Besserung ein, sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern. Eine Analyse aus 22 Ländern zeigte bei Menschen, die einen milden Coronaverlauf erlebt hatten, eine Besserung von Long Covid nach rund vier Monaten. Wer wegen Covid-19 im Krankenhaus gelegen hatte, bei dem zog sich Long-Covid etwa neun Monate hin. Bei 15 Prozent der Menschen mit Long-Covid bestanden die Beschwerden auch noch nach einem Jahr.

In Studien, die Kinder und Jugendliche über mindestens 6 bis 18 Monate begleitet hatten, erholten sich die meisten im Laufe dieses Beobachtungseitraums. Eine italienische Studie an zwanzig Kindern und Jugendlichen zeigte, dass die Erholung nach einer Infektion mit Omikron schneller erfolgte als bei vorherigen Virusvarianten.

4. Wie lässt sich Long Covid vorbeugen?

Der Schutz vor einer Coronainfektion gilt derzeit als einziges Mittel, Long-Covid vorzubeugen. Das gilt sowohl für eine Erstansteckung als auch für alle folgenden Infektionen. Laut RKI könnte eine Impfung gegen Covid-19 auch vor Long Covid schützen, selbst dann wenn Geimpfte trotz Impfschutz an Corona erkranken. Das Institut berichtet hierzu: „Zusätzlich gibt es Hinweise darauf, dass eine vollständige Covid-19-Impfung auch die Häufigkeit und Ausprägung von Long-Covid-Symptomen nach einer Durchbruchinfektion mildern kann.“