"Es lag nicht daran, dass die Serie unmodern war": "Mutter Beimer" über das Ende der "Lindenstraße"

Marie-Luise Marjan sagt, eine ganze Generation sei zusammen mit Helga Beimer gealtert. Sie selbst sei in über 1.000 Folgen der "Lindenstraße" dabei gewesen. "Mehr Influencerin geht gar nicht!" Doch aller Einfluss half nichts: Die bekannteste deutsche Serie aller Zeiten wird am 29. März zum letzten Mal ausgestrahlt.

Seit fast 35 Jahren ist die "Lindenstraße" (sonntags, 18.50 Uhr, im Ersten) ein für Fans geradezu ritueller Bestandteil der TV-Woche. Warum die Serie ein derartiger Dauerbrenner werden konnte, liegt für Schauspielerin Marie-Luise Marjan auf der Hand: "Sie ging immer mit der Zeit - auch wenn einem manche das Gegenteil weismachen wollen", erklärte die "Mutter Beimer"-Darstellerin, die seit der ersten Folge vom Dezember 1985 mit von der Partie ist, jetzt im Interview mit der Nachrichtenagentur teleschau. "Nie zuvor wurden Leben und Alltag im Fernsehen so realitätsnah erzählt, nie zuvor wurden über eine Fernsehserie relevante Botschaften in die Gesellschaft getragen, nie zuvor wurden in einem Unterhaltungsformat soziale und politische Entwicklungen mit so viel Haltung erzählt. Da war immer ein Anspruch, eine besondere Qualität", betonte die 79-Jährige "Frontfrau" von Hans W. Geißendörfers legendärer Fiction-Produktion.

Dass die "Lindenstraße" nun eingestellt wird, hat für Marie-Luise Marjan nichts mit der sich wandelnden Medienlandschaft oder mit einer womöglich veralteten Erzählweise zu tun als vielmehr mit "mit der komplizierten Struktur der ARD: mit den vielen Sendern". Fast alle Entscheidungsträger kämen vom Journalismus, so Marjan. "Es lag nicht daran, dass die Serie unmodern war. In unseren Geschichten war immer auch die Jugend stark vertreten - vom Baby bis zum Greis, ein Querschnitt der Gesellschaft. Und unsere Themen waren immer aktuell." Es sei die "die einmalige Stärke der 'Lindenstraße" gewesen, "dass sie immer voll auf der Höhe war".

"Mehr Influencerin geht doch gar nicht!"

Die nach wie vor auch sozial engagierte Schauspielerin weiß um ihre prominente Position in der Serie. "Ich musste immer meinen Kopf hinhalten", sagte sie im teleschau-Interview. "Für alles und jedes war ich der Ansprechpartner. Sie glauben gar nicht, womit ich alles konfrontiert war. Wenn mein Seriensohn mal klaute, riefen mich junge Väter an, die zu Hause mit ihrem Kind ähnliche Probleme hatten, und baten mich um Rat. Ehefrauen, deren Männer fremdgingen, weinten am Telefon. Und - damals gab es ja noch keine Mails - ich bekam haufenweise Briefe. Ich habe alle beantwortet. Viele habe ich aufgehoben, sie stapeln sich immer noch bei mir zu Hause.

Helga Beimer, die Rolle, die Marjan für lange Zeit den Stempel "Mutter der Nation" einbrachte, soll "als eine mutige, humorvolle, emotionale Frau" in Erinnerung bleiben, wünscht sich der "Lindenstraßen"-Star: "Eine Frau, die Leid ertragen und Probleme lösen konnte. Eine moderne Frau, weil sie nie in diesen Kategorien dachte - modern oder unmodern, das war nicht ihr Thema, sie hatte Wichtigeres zu tun. Sie war Hausfrau, sie war berufstätig, sie war Betrogene, sie war Geliebte, sie war Mutter und Ehefrau. Sie war eine Frau, die sich immer treu blieb und mit Leib und Seele Frau war. Deswegen identifizieren sich auch nach wie vor so viele mit ihr." Marie-Luise Marjan sagt, eine ganze Generation sei "zusammen mit Helga gealtert", so die Kölnerin, sie sei in über 1.000 Folgen dabei gewesen. "Mehr Influencerin geht doch gar nicht!"

Letzte Folge am 29. März

Am Sonntag, 29. März, läuft die "Lindenstraße" zum allerletzten Mal. Über den Inhalt der finalen Folge mit dem Titel "Auf Wiedersehen" schweigt sich der produzierende WDR aus. Marie-Luise Marjan sagt, sie werde derzeit besonders oft auf der Straße angesprochen. Die Leute seien begeistert, "aber auch sehr berührt", denn, so Marjan, "es scheint nun wirklich so, als würde man den Fans ein Stück Familie wegnehmen". Das besondere Verhältnis der Zuschauer zum Geschehen und die Dramaturgie seien immer das Erfolgsgeheimnis der "Lindenstraße" gewesen.

"Es gab immer eine Art Symbiose zwischen den Figuren und den treuen Fans", betonte sie gegenüber der teleschau. Hans Geißendörfer habe schon ganz am Anfang gesagt: "Uns wird man eines Tages vermissen, wenn die Serie zu Ende gehen sollte, denn wir werden so bekannt wie die 'Tagesschau." Marjan: "Die Menschen haben sich an uns gewöhnt, sie haben uns liebgewonnen, wir gehörten für viele ganz einfach zu ihrem Leben dazu. Genau das sorgt nun für Trennungsschmerz."