Landtagswahl in Niedersachsen: Die Entwicklungen des Tages

Explodierende Energiepreise und der bange Blick in die Ukraine haben den Landtagswahlkampf in Niedersachsen geprägt. Die recht rumpelige Krisenpolitik der Berliner Ampel hat die SPD geschwächt, aber nicht zu sehr: Regierungschef Weil kann auf eine dritte Amtszeit hoffen.

Wahlplakate in Niedersachsen (Symbolbild: dpa)
Wahlplakate in Niedersachsen (Symbolbild: dpa)

Die Ereignisse des Wahltags in Niedersachsen können Sie in diesem Ticker nachlesen.

SPD siegt klar bei Niedersachsen-Wahl - Grüne stark - FDP draußen

Die SPD hat die Landtagswahl in Niedersachsen klar gewonnen. Nach Auszählung aller Wahlkreise und Veröffentlichung des vorläufigen Ergebnisses am Sonntagabend im Internet kommen die Sozialdemokraten mit dem amtierenden Ministerpräsidenten Stephan Weil auf 33,4 Prozent der Stimmen. Die CDU erreicht mit 28,1 Prozent den zweiten Platz. Danach folgen die Grünen mit 14,5 Prozent und die AfD mit 10,9 Prozent. Sowohl die FDP mit 4,7 Prozent als auch die Linke mit 2,7 Prozent verpassen den Einzug ins Landesparlament in Hannover.

Vorläufiges Ergebnis von infratest dimap, 23:54 Uhr

Partei

Prognose in %

Gewinn/Verlust zur Wahl 2017 in %

SPD

33,4

- 3,5

CDU

28,1

- 5,5

Grüne

14,5

+ 5,8

FDP

4,7

- 2,8

AfD

10,9

+ 4,7

Die Linke

2,7

- 1,9

Andere

5,7

+ 3,2

Der Wahlkampf war geprägt von den Folgen des russischen Einmarschs in die Ukraine. Im Zentrum standen die Energiekrise sowie die Sorgen vieler Bürger angesichts hoher Preise für Gas, Strom und Lebensmittel. Landespolitische Themen spielten eine Nebenrolle.

SPD und CDU hatten vor der Wahl klargestellt, dass sie ihre 2017 eher widerwillig geschmiedete Koalition nicht fortsetzen wollen. Stattdessen kündigten beide große Parteien an, zusammen mit den Grünen regieren zu wollen.

Weil peilt dritte Amtszeit an

Der 63-jährige Weil, seit fast zehn Jahren Regierungschef, peilt seine dritte Amtszeit an. Er könnte sogar Ernst Albrecht als Regierungschef mit der längsten Amtszeit in Niedersachsen ablösen. Den verunsicherten Wählern präsentierte er sich im Wahlkampf als erfahrener Krisenmanager, mit einem kurzem Draht zu Kanzler Olaf Scholz. Die Landes-SPD setzte im Wahlkampf stark auf Weils hohe Beliebtheitswerte, gerade auch im direkten Vergleich zu Althusmann.

Stephan Weil kann sich mit der SPD in Niedersachsen durchsetzen. (Bild: Reuters)
Stephan Weil kann sich mit der SPD in Niedersachsen durchsetzen. (Bild: Reuters)

Knapp 6,1 Millionen Wahlberechtigte durften ihre Stimme abgeben. 21 Parteien standen zur Wahl. In 87 Wahlkreisen traten 756 Bewerberinnen und Bewerber an, bei einem Frauenanteil von rund einem Drittel. Die Wahlbeteiligung lag den Prognosen zufolge bei 60,0 bis 61,0 Prozent. 2017 betrug sie noch 63,1 Prozent, nach 59,4 Prozent im Jahr 2013.

Erst im Mai 2023 wird wieder in einem Bundesland gewählt - in Bremen. Die nächsten größeren Wahlen finden im Herbst 2023 in Bayern und Hessen statt.

+++ Scholz gratuliert Weil zum Wahlsieg in Niedersachsen +++

Bundeskanzler Olaf Scholz hat dem niedersächsischen Regierungschef Stephan Weil zu dessen Sieg bei der Landtagswahl gratuliert. Das Ergebnis spreche eine klare Sprache: «Die Bürgerinnen und Bürger trauen Dir zu, Niedersachsen auch in Zukunft mit Plan voranzubringen. Ich auch - Niedersachsen bleibt in guten Händen», schrieb Scholz (SPD) am Sonntagabend auf Twitter.

Weil kann Hochrechnungen zufolge wie erhofft mit den Grünen ein neues Regierungsbündnis schmieden. Sein bisheriger Koalitionspartner, die CDU, fuhr das schlechteste Wahlergebnis seit mehr als sechs Jahrzehnten ein. SPD und CDU hatten vor der Wahl beide klargestellt, dass sie ihre 2017 eher widerwillig geschmiedete Koalition nicht fortsetzen wollen.

+++ Ministerpräsident Weil stellt Rückkehr zu Rot-Grün in Aussicht +++

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil stellt nach der Landtagswahl eine Rückkehr zu einer rot-grünen Koalition in dem Bundesland in Aussicht. «Wenn es die Grundlage dafür gibt, dann gilt meine Aussage vor der Wahl auch nach der Wahl», sagte der SPD-Spitzenkandidat am Sonntagabend in der ARD. Weil betonte aber auch, das vorläufige amtliche Endergebnis abwarten zu wollen. Hochrechnungen sahen am frühen Sonntagabend eine knappe Mehrheit für SPD und Grüne.

Vor der Wahl hatte Weil sich für eine Neuauflage von Rot-Grün ausgesprochen. Derzeit regieren SPD und CDU in einer großen Koalition mit Weil an der Spitze.

Weil sagte vorher zudem vor Journalisten, der Landtag komme zu einer konstituierenden Sitzung schon in weniger als einem Monat zusammen - am 8. November. «Deswegen gehe ich davon aus, dass wir noch in der jetzt beginnenden Woche die ersten Gespräche zu führen haben werden, damit wir auch pünktlich zur Konstituierung des Landtages auch eine neue Landesregierung bilden werden können.»

+++ Trittin: AfD kann sich bei CDU-Chef Merz bedanken +++

Der Grünen-Politiker Jürgen Trittin schreibt das gute Ergebnis der AfD bei der Landtagswahl in Niedersachsen auch Äußerungen des CDU-Bundesvorsitzenden Friedrich Merz zu. Die AfD könne sich bei Merz bedanken, sagte der frühere Bundesumweltminister am Sonntagabend.

«Seine Tiraden gegen die Aufnahme von russischen Kriegsdienstverweigerern, sein Reden über Ukrainerinnen vor allen Dingen als Sozialtouristen haben nur den einen Effekt gehabt», sagte Trittin: «Es hat nicht den Parteien der demokratischen, rechten Mitte geholfen, sondern den Antidemokraten der AfD. Dann sind die Leute zum Original gelaufen. Und vielleicht lernt man da mal draus auf Seiten der CDU. Man soll mit solchen Themen nicht die Rechten stark machen.»

Das Wahlergebnis der Grünen feierte Trittin. Seine Partei habe als einzige der Berliner Ampel-Parteien hinzugewonnen, betonte er. Nun gelte es, die Energiewende verstärkt umzusetzen.

Grünen-Politiker Jürgen Trittin. (Bild: Getty Images)
Grünen-Politiker Jürgen Trittin. (Bild: Getty Images)

+++ FDP-Generalsekretär: FDP-Stimme muss in Ampel deutlicher werden +++

Nach dem schlechten Abschneiden bei der Landtagswahl in Niedersachsen will sich die FDP in der Ampel-Koalition im Bund noch stärker profilieren. «Die Rolle und die Stimme der FDP in dieser Koalition muss künftig noch deutlicher erkennbar sein als bisher», betonte Generalsekretär Bijan Djir-Sarai am Sonntag in der «Berliner Runde» der ARD.

Die Ampel-Koalition müsse reden, der Umgang miteinander gehe so nicht weiter. Konkret nannte Djir-Sarai den Streit um die Schuldenbremse. «Eine Koalition wird nicht funktionieren, wenn zwei Partner permanent Ideen entwickeln, wie man noch mehr Geld und noch mehr Geld ausgeben kann und andere sich permanent mit der Frage beschäftigen müssen, wie man das Ganze organisiert und finanziert», betonte er. «Das wird beispielsweise aus meiner Sicht so nicht mehr funktionieren.» Die FDP habe nach wie vor «große Probleme mit dieser Koalition».

+++ Linnemann: Weil hat Amtsbonus volle Pulle ausgespielt +++

Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Carsten Linnemann sieht keine Fehler von Parteichef Friedrich Merz im niedersächsischen Landtagswahlkampf. «Wenn Friedrich Merz sich nicht so eingesetzt hätte, meine Meinung, wäre das Ergebnis schlechter gewesen», sagte er am Sonntag mit Blick auf die CDU-Niederlage bei der Landtagswahl. In Krisenzeiten wählten die Menschen diejenigen, die gerade an der Macht seien. «Diesen Amtsbonus hat Herr Weil volle Pulle ausgespielt, deswegen Glückwunsch.»

Die CDU sei nach ihrer Niederlage bei der Bundestagswahl 2021 noch nicht am Ziel, sagte Linnemann mit Blick auf die Bundespartei. «Wir müssen schnell auf 30 Prozent kommen, das dauert noch ein wenig.»

+++ SPD-Chef appelliert an Miteinander in der Ampel +++

SPD-Chef Lars Klingbeil hat nach der Landtagswahl in Niedersachsen ein Miteinander in der Ampel-Koalition in Berlin beschworen. Er sprach am Sonntagabend in der ARD von turbulenten Zeiten. «Ich glaube, es gab noch nie eine Regierung, die so viele Krisen zu bewältigen hatte.» Man kriege es gut hin, und das sei der gemeinsame Geist, sagte Klingbeil weiter. «Mehr Miteinander, wenig Gegeneinander, das ist das, wie wir das in der Ampel jetzt gut schaffen. Die Erwartungen sind hoch und wir müssen die erfüllen.»

Aus der Landtagswahl ist die SPD zwar nach den Hochrechnungen mit mehr als 33 Prozent der Wählerstimmen als Siegerin hervorgegangen, musste aber spürbare Stimmverluste hinnehmen (2017: 36,9). Der Ampel-Partner FDP musste am Abend mit 5 Prozent um den Wiedereinzug in den Landtag bangen (2017: 7,5). Stark verbessern konnten sich die Grünen von 8,7 auf rund 14 Prozent.

SPD-Chef Lars Klingbeil. (Bild: Reuters)
SPD-Chef Lars Klingbeil. (Bild: Reuters)

+++ Forscher-Analyse: Weil sichert der SPD den Wahlsieg in Niedersachsen +++

Berlin (dpa) - Die SPD in Niedersachsen hat ihren Erfolg bei der Landtagswahl am Sonntag nach einer Forscher-Analyse ihrem Ministerpräsidenten zu verdanken. «Der Erfolgsfaktor Nummer eins heißt bei der SPD Stephan Weil», schreibt die Forschungsgruppe Wahlen. «Mit Werten knapp unter der Ministerpräsidenten-Spitzenklasse überzeugt der Amtsinhaber mit seiner Bilanz (gute Arbeit: 71 Prozent) und hohem Ansehen.» Auf der +5/-5-Skala liege Weil mit 2,1 klar vor CDU-Herausforderer Bernd Althusmann 1,2.

«Als Regierungschef wollen nur 26 Prozent Althusmann, aber 55 Prozent Weil, der das Land nach Meinung der Befragten auch am ehesten durch die unsicheren Zeiten führen kann», so die Analyse. Gestützt auf viel Zuspruch aus der älteren Generation basiere der SPD-Erfolg auf guter Regierungsarbeit, hohem Vor-Ort-Ansehen und einem überlegenen Spitzenkandidaten Weil. Vom Bund sei dagegen kaum Rückenwind gekommen. Kritik an der Ampel-Koalition im Bund treffe aber vor allem die FDP, die beim Ansehen als Bundespartei (minus 0,2) einbreche.

Bei eingetrübter Konjunktur und selten großen persönlichen Zukunftssorgen genieße die SPD im Land in sozialen und ökonomischen Fragen mehr Vertrauen als die CDU, «die - neben einem nur mäßigen Standing vor Ort - erneut auch keinen bundespolitischen Rückenwind hat». Die Grünen punkteten beim Top-Thema Energiepolitik, hinzu komme relativ viel Zustimmung für eine rot-grüne Koalition.

Die Niedersachsen-CDU weist der Umfrage zufolge inhaltliche Defizite auf: «In einem Umfeld, in dem Wirtschaftslage und Zukunftsvorbereitung skeptischer gesehen werden als 2017, hat die CDU in diesen Politikfeldern Kompetenzeinbußen.» Die SPD sei weitgehend stabil und genieße hier ebenso wie bei den Themen Abmilderung der steigenden Kosten, Bildung, Infrastruktur oder soziale Gerechtigkeit auch das meiste Vertrauen. Bei der Energiepolitik seien die Grünen stark. «FDP und AfD bleiben bei den Parteikompetenzen wie so oft äußerst schwach.»

«Die AfD profitiert fast ohne eigenes Zutun von der multiplen Krisensituation», schreibt die Forschungsgruppe weiter. Gewählt werde sie für 20 Prozent aller Befragten wegen ihrer politischen Forderungen, aber für 71 Prozent als Denkzettel, wobei sich die Unzufriedenheit insbesondere gegen die Politik und die Handelnden im Bund richte. Für 66 Prozent der Befragten nutzten der AfD aber auch die Ukraine-Krise und die hohen Preise etwa für Energie.

Die Basis für den SPD-Erfolg habe einmal mehr die ältere Generation gelegt: Bei den Menschen ab 60 schaffe die SPD starke 42 Prozent (unverändert), bei den unter 30-Jährigen komme sie nur noch auf 22 Prozent (minus 9). Die CDU verliere bei den unter 30-Jährigen allerdings noch stärker und erreiche 19 Prozent (minus 11). Die Grünen erzielten hier 20 Prozent (plus 7).

Beim Blick auf die nächste Landesregierung bevorzugen die Niedersachsen laut Analyse eine rot-grüne Koalition. Diese fänden 42 Prozent gut. 33 Prozent plädieren für Rot-Schwarz und 25 Prozent für Schwarz-Grün. Die FDP spiele hier keine Rolle mehr.

+++ Ministerpräsident Weil: Wähler haben SPD Regierungsauftrag erteilt +++

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil hat das Ergebnis der Landtagswahl in Niedersachsen als klaren Wahlsieg für die SPD gewertet. «Nach allen Zahlen, nach allen Umfragen, die ich kenne, ist die SPD mit weitem Abstand die stärkste Partei», sagte Weil am Sonntagabend auf einer Wahlparty seiner Partei. «Wir haben die stärkste Fraktion im niedersächsischen Landtag. Die Wählerinnen und Wähler haben der SPD den Regierungsauftrag erteilt und niemand anders sonst.»

+++ Althusmann räumt Niederlage ein und kündigt Rücktritt an +++

Der Spitzenkandidat der CDU in Niedersachsen, Bernd Althusmann, hat seine Niederlage bei der Landtagswahl eingestanden. «Wir haben unser Wahlziel, stärkste Kraft in Niedersachsen zu werden, auf jeden Fall nicht erreicht», sagte Althusmann am Sonntagabend in Hannover. «Dieses Votum nehmen wir demütig an.» Die Wähler hätten der SPD einen klaren Regierungsauftrag erteilt. «Ich wünsche dem voraussichtlichen Ministerpräsidenten Stephan Weil und seiner SPD an dieser Stelle viel Erfolg für die Zukunft», sagte Althusmann.

Nach der Niederlage hat der CDU-Landesvorsitzende und Spitzenkandidat seinen Rücktritt angekündigt. Das sagte der Wahlverlierer in der ARD. Er wolle einen Landesparteitag nach den Herbstferien einberufen und dort seinen Nachfolger wählen lassen.

Spitzenkandidat der CDU in Niedersachsen, Bernd Althusmann. (Bild: Reuters)
Spitzenkandidat der CDU in Niedersachsen, Bernd Althusmann. (Bild: Reuters)

+++ Lindner: FDP zahlt Preis für Beteiligung an der Ampel +++

Das enttäuschende Wahlergebnis für die FDP in Niedersachsen ist laut Parteichef Christian Lindner auch ein Ergebnis der Beteiligung an einer Koalition mit SPD und Grünen im Bund. Die Partei habe ihren Wahlkämpfern aus Berlin keinen Rückenwind geben können, sagte Lindner am Sonntagabend. «Denn viele unserer Unterstützerinnen und Unterstützer fremdeln mit dieser Koalition.»

Lindner betonte: «Wir sind in der Ampel-Koalition aus staatspolitischer Verantwortung, nicht weil SPD und Grüne uns von den inhaltlichen Überzeugungen so nahe stünden.» Er führte aus: «Wir zahlen dafür gewiss einen Preis bei unserem politischen Profil, weil manche die FDP als liberale Kraft dann nicht erkennen und glauben, wir seien jetzt auch eine linke Partei und keine mehr der Mitte.»

Zu den genauen Konsequenzen für die Ampel-Koalition im Bund wollte sich Lindner nicht äußern, das Ergebnis müsse geprüft werden. Eine Frage nach einem möglichen Rückzug aus der Bundesregierung wies er aber zurück: «Wir sind in einem Energiekrieg und einer Wirtschaftskrise. Hier zählt staatspolitische Verantwortung», sagte Lindner. «Wir haben parteipolitisch heute einen Rückschlag erlitten, aber wir stehen in Verantwortung für dieses Land. Ich hab' einen Amtseid geschworen, ich hab' meine liberalen Überzeugungen, wir haben unsere liberale Programmatik. Aber wir wissen auch um unsere Verantwortung für dieses Land und seine Menschen.»

Linder sagte: «Wir haben heute für die Freien Demokraten einen traurigen Abend. Wir haben einen politischen Rückschlag erlitten.» Die FDP habe eine «linke Koalition» in Hannover verhindern wollen. «Niedersachsen wird nach links gehen, das war das, was wir verhindern wollten.»

+++ FDP-Spitzenkandidat Birkner: «Jetzt heißt es, Nerven zu behalten» +++

Niedersachsens FDP-Spitzenkandidat Stefan Birkner glaubt ungeachtet des zunächst sehr knappen Wahlergebnisses an einen Einzug der Liberalen in den Landtag. «Jetzt heißt es, Nerven zu behalten», sagte der Landesvorsitzende am Sonntagabend kurz nach dem Bekanntwerden der ersten Hochrechnung in Hannover. Diese sah die Freien Demokraten bei 5,0 Prozent der Stimmen - bei einem einzigen Zehntelprozentpunkt weniger würde die Partei aus dem Landesparlament fliegen. «Ich bin persönlich aber sehr zuversichtlich, dass wir das Ergebnis sehen werden, dass wir dem nächsten niedersächsischen Landtag angehören werden.» Birkner meinte, man habe sich den Wahlausgang jedoch «nicht ganz so spannend vorgestellt».

Bei der letzten Landtagswahl in Niedersachsen war die FDP noch auf 7,5 Prozent gekommen. Nun müsse man den weiteren Verlauf des Abends abwarten. Birkner betonte, es sei auch künftig wichtig, «liberale Antworten» auf die Herausforderungen der verschiedenen Krisen zu finden. In Richtung Stephan Weil sagte Birkner: «Selbstverständlich gratulieren wir der SPD zu diesem Wahlsieg.»

Zuletzt hatte die FDP 1998 den Einzug in den Landtag verpasst, seit 2003 saß sie dann durchgehend im Landesparlament in Hannover. In Brandenburg, Sachsen und dem Saarland sind die Liberalen derzeit nicht im jeweiligen Landtag vertreten.

+++ Grünen-Chefin: Bereit zu Gesprächen über Rot-Grün in Niedersachsen +++

Die Grünen stehen laut Parteichefin Ricarda Lang bereit für Gespräche über eine rot-grüne Koalition in Niedersachsen. Die Grünen hätten bei der Landtagswahl wahrscheinlich ihr bestes Ergebnis in Niedersachsen eingefahren, sagte Lang am Sonntagabend. «Es ist aus meiner Sicht ein Auftrag, dass wir auch in Niedersachsen Verantwortung übernehmen», betonte sie. «Wir stehen bereit für Gespräche für eine rot-grüne Regierungsbeteiligung.»

Die Grünen hätten dabei einen ganz klar inhaltlichen Anspruch: «Man könnte Niedersachsen zum Vorreiter machen bei den erneuerbaren Energien, die Wirtschaft dort transformieren, grüne neue Arbeitsplätze schaffen. Und man kann zeigen, dass man mit ökologischer Landwirtschaft erfolgreich ist. Ich glaube, das ist eine gute Chance», sagte Lang.

Grünen-Parteichefin Ricarda Lang. (Bild: Reuters)
Grünen-Parteichefin Ricarda Lang. (Bild: Reuters)

+++ SPD-Vize Heil setzt in Niedersachsen auf Rot-Grün +++

Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Hubertus Heil geht vom Versuch einer rot-grünen Regierungsbildung in Niedersachsen aus. SPD und Grüne hätten die größeren Schnittmengen, sagte der Bundesarbeitsminister nach der Landtagswahl am Sonntagabend. Das «erklärte Ziel» sei, zusammen zu regieren, wenn es für eine stabile Mehrheit reiche.

Die CDU hingegen sei in den letzten Jahren in Niedersachsen «eher Bremsklotz als Fortschrittsmotor» gewesen, sagte Heil. «Ich bin heute verdammt stolz auf meine Niedersachsen, die in diesen Zeiten sturmfest gekämpft haben.»

Der russische Präsident Wladimir Putin versuche, die deutsche Gesellschaft mit Erdgas als Waffe zu destabilisieren, sagte Heil. Die «Rechtsradikalen von der AfD» hätten kein Programm gehabt, außer Ängste zu schüren. Die AfD versuche, «das Klima zu vergiften» und Putins Politik in Deutschland populär zu machen.

+++ Niedersachsens Innenminister: Weil wird nächste Regierung anführen +++

Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius sieht nach der Landtagswahl einen klaren Regierungsauftrag für die SPD. Bei einem Abstand von vier bis sechs Prozent auf die CDU dürfe daran niemand einen Zweifel haben, sagte der SPD-Politiker nach den ersten Prognosen am Sonntagabend im Landtag in Hannover. Zwar müsse man den weiteren Abend abwarten. «Aber dass Stephan Weil derjenige ist, der die nächste Regierung anführt, daran dürfte es nach diesem Ergebnis keinen Zweifel geben.»

Mit Blick auf mögliche Koalitionen sagte Pistorius, er wünsche sich sehr, dass es für Rot-Grün reicht. Es sei allerdings selbstverständlich, mit allen demokratischen Parteien auch Gespräche zu führen.

+++ Linken-Chefin: Wahlergebnis in Niedersachsen enttäuschend +++

Linken-Chefin Janine Wissler hat sich enttäuscht über das schlechte Abschneiden ihrer Partei bei der Landtagswahl in Niedersachsen geäußert. Doch gab sich die Vorsitzende der Bundespartei am Sonntag in ihrer ersten Reaktion am Sonntagabend auch kämpferisch. Im kommenden Jahr gebe es mindestens drei Landtagswahlen, und auf die werde man sich vorbereiten. «Es braucht eine starke linke Opposition im Parlament, nicht nur im Bund, sondern auch in den Ländern, und darum kämpfen wir.»

Die Linke hat nach ersten Prognosen in Niedersachsen den Einzug in den Landtag erneut verfehlt. Vor fünf Jahren hatte die Partei bei 4,6 Prozent der Stimmen gelegen. Im niedersächsischen Landtag war die Linke bisher nur einmal von 2008 bis 2013 vertreten.

Für die Partei ist es die vierte Schlappe bei vier Landtagswahlen in diesem Jahr. Auch im Saarland, in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen hatte sie den Einzug in den Landtag verpasst. In den Bundestag zog sie 2021 nur deshalb in Fraktionsstärke ein, weil sie in Berlin und Leipzig drei Direktmandate gewann.SPD stärkste Partei - Hochrechnungen zur Landtagswahl in Niedersachsen

Linken-Chefin Janine Wissler. (Bild: Reuters)
Linken-Chefin Janine Wissler. (Bild: Reuters)

+++ FDP-Fraktionschef Dürr: Ampel ist kein leichtes Bündnis für FDP +++

FDP-Fraktionschef Christian Dürr sieht das schlechte FDP-Ergebnis bei der Landtagswahl in Niedersachsen auch in der Ampel-Regierung im Bund begründet. «Die Ampel ist kein leichtes Bündnis für die FDP, das war von Anfang an klar», sagte er am Sonntag. Seine Partei habe aber 2021 entschieden, Verantwortung zu übernehmen. «Das bleibt dabei: Wir übernehmen Verantwortung für Deutschland», betonte der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion. Das gelte auch in den aktuell herausfordernden Zeiten.

+++ Jubel bei AfD - Chrupalla: «Wir sind wieder da» +++

Mit frenetischem Jubel hat die AfD auf ihrer Wahlparty bei Hannover auf ihr sehr gutes Abschneiden bei der niedersächsischen Landtagswahl reagiert. «Es ist das Ergebnis geworden, was wir uns gewünscht haben», sagte der AfD-Bundesvorsitzende Tino Chrupalla am Sonntagabend nach Bekanntwerden erster Prognosen zum Wahlausgang.

Die AfD gewinnt demnach stark hinzu und erreicht 11,5 bis 12 Prozent (2017: 6,2). «Wir haben jetzt wieder eine Landtagsfraktion, die schlagkräftig ist», sagte Chrupalla. «Alles was über zehn Prozent ist im Westen, ist Volkspartei, das sind wir». Der Parteichef ergänzte: «Wir sind wieder da.»

In Interviews sagte Chrupalla, seine Partei sei in Bund und Land geeint aufgetreten und habe auf die richtigen Themen gesetzt, nämlich die Ursachen der Energiekrise und eine «verfehlte Bundespolitik». Der AfD-Chef wiederholte die Forderung, die Sanktionen gegen Russland wegen des Ukraine-Kriegs aufzuheben, die Atomkraftwerke länger laufen zu lassen und weiter billiges Gas aus Russland zu beziehen.

«Wir stehen auch an der Schwelle eines dritten Weltkriegs», sagte Chrupalla - dieses Problem benenne keine andere Partei. «Und ich möchte nicht, dass meine Kinder morgens aufwachen und im Dritten Weltkrieg aufwachen.» Nötig seien Friedensverhandlungen mit Russland.

AfD-Bundesvorsitzende Tino Chrupalla. (Bild: Reuters)
AfD-Bundesvorsitzende Tino Chrupalla. (Bild: Reuters)

+++ Kubicki: Wähler fremdeln mit Ampel und Rolle der FDP +++

FDP-Vize Wolfgang Kubicki hat das schlechte Abschneiden seiner Partei bei der Landtagswahl in Niedersachsen auch mit der Politik der Ampel-Koalition und der Rolle der FDP in ihr begründet. Ein wesentlicher Teil der FDP-Wähler in Niedersachsen fremdele nach wie vor mit der Ampel in Berlin und mit der Rolle der FDP, sagte Kubicki am Sonntagabend nach der Abstimmung. Man habe in der Ampel einen guten Start hingelegt, dann sei Russlands Überfall auf die Ukraine passiert. Er erwähnte die Energieversorgung, die Inflation und die Sorge, ob der Frieden gewahrt bleiben könne. «Darauf gibt es jedenfalls bisher keine vernünftigen Antworten. Daran werden wir arbeiten müssen oder diese Ampel wird in schweres Fahrwasser kommen.» Personalfragen spielten nach dieser Wahl keine Rolle, sagte Kubicki.

+++ Nouripour zur Niedersachsen-Wahl: Bereit, Verantwortung zu übernehmen +++

Grünen-Chef Omid Nouripour hat sich erfreut über das voraussichtliche Abschneiden seiner Partei bei der Landtagswahl in Niedersachsen gezeigt. «Trotz widriger Umstände» hätten die Grünen dort ihr bestes Ergebnis jemals erzielt, sagte der Co-Vorsitzende der Bundespartei am Sonntagabend.

Die Grünen seien nun bereit, Verantwortung in Niedersachsen zu übernehmen. Seine persönliche Hoffnung sei, dass die FDP in den Landtag einziehe. Die Ergebnisse der AfD seien «erschreckend» für die Demokratie. Alle seien aufgerufen, dem Paroli zu bieten. Die Ampel-Koalition in Berlin tue dies und arbeite vertrauensvoll zusammen.

+++ CDU-Generalsekretär: Für uns kein schönes Ergebnis +++

CDU-Generalsekretär Mario Czaja hat enttäuscht auf die Prognosen zur Landtagswahl in Niedersachsen reagiert. «Es ist für uns kein schönes Ergebnis», sagte er am Sonntag in Berlin. Die CDU habe ihre Ziele nicht erreicht, der SPD sei es dagegen gelunden, sich vom Bundestrend «völlig abzugrenzen». So habe SPD-Spitzenkandidat Stephan Weil keine Plakate mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) gemacht. «Der Ministerpräsident hat einen Amtsbonus», sagte er zudem.

Czaja warb trotz des voraussichtlich schlechten CDU-Ergebnisses für eine Fortsetzung der rot-schwarzen Landesregierung. «Wir würden uns eine stabile Regierung für Niedersachsen wünschen», sagte er und fügte hinzu, es wäre gut, eine solche Regierung fortzusetzen.

+++ Kühnert: SPD-Wahlergebnis in Niedersachsen zeigt Stärke von Weil +++

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert hat das Ergebnis der Landtagswahl in Niedersachsen als klaren Wahlsieg für seine Partei und Ministerpräsident Stephan Weil gewertet. Dieser habe aus eigener Stärke heraus ein tolles Ergebnis geholt, sagte Kühnert am Sonntagabend nach den ersten Prognosen.

Demnach ist die SPD in Niedersachsen mit deutlich mehr als 30 Prozent erneut stärkste Partei. «Wenn man nicht selber stark ist, holt man nicht so ein Ergebnis in Krisenzeiten», sagte Kühnert. Weil stehe aber auch für einen Politikstil: Er sei ein Ministerpräsident, der selbstbewusst für sein Bundesland, aber auch verantwortungsvoll fürs große Ganze agiere.

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert. (Bild: Getty Images)
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert. (Bild: Getty Images)

+++ Wahllokale in Niedersachsen öffnen: Enges Rennen erwartet +++

Die Landtagswahl in Niedersachsen hat begonnen. Seit 8.00 Uhr am Sonntag sind die Wahllokale geöffnet, bis 18.00 Uhr ist die Stimmabgabe möglich. Wahlberechtigt sind knapp 6,1 Millionen Menschen. In den jüngsten Umfragen lag die SPD mit Ministerpräsident Stephan Weil, der eine dritte Amtszeit anstrebt, knapp vor der CDU mit Herausforderer Bernd Althusmann.

Bisher regieren die beiden Parteien zusammen, eine Fortsetzung der großen Koalition gilt allerdings als unwahrscheinlich. Regierungschef Weil hofft auf eine Neuauflage von Rot-Grün. Ein solches Bündnis führte er schon von 2013 bis 2017 an. Dominierendes Wahlkampfthema war die Energiekrise - das Ergebnis der Landtagswahl wird daher auch auf Bundesebene mit Spannung erwartet.

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+++ Bisher ähnlich großer Zustrom in Wahllokalen wie 2017 in Niedersachsen +++

Bei der Landtagswahl in Niedersachsen haben am Sonntagmorgen ähnlich viele Wähler ihre Stimme abgegeben wie vor fünf Jahren. Um 10.00 Uhr lag die Beteiligung bei 7,44 Prozent, wie die Landeswahlleitung am Sonntag mitteilte. Fünf Jahre zuvor lag der Wert bei 8,21 Prozent. Bis 18.00 Uhr sind die Wahllokale noch geöffnet.

Briefwähler, von denen dieses Jahr sehr viele erwartet werden, sind in dem Zwischenstand noch nicht berücksichtigt. Knapp 6,1 Millionen Menschen dürfen an der Wahl teilnehmen.

Bei der Wahl 2017 lag die Beteiligung am Ende bei 63,1 Prozent, nach 59,4 Prozent im Jahr 2013. Der bisher höchste Wert waren 84,4 Prozent im Jahr 1974, der niedrigste wurde 2008 mit 57,1 Prozent festgestellt.

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