Das langsame Leben der "Tierärztin Dr. Mertens"

Elisabeth Lanz, die seit sechs Staffel "Tierärztin Dr. Mertens" spielt, ist keine TV-Frau von der Stange. Die 48-jährige Österreicherin kommt bei weitem nicht so "mainstreamig" rüber, wie man sie sich anhand der konservativen ARD-Familienserie vorstellt.

Seit 2006 spielt die Österreicherin Elisabeth Lanz eine Leipziger Zoo-Veterinärin. "Tierärztin Dr. Mertens" ist eine altmodische, aber dennoch sehr erfolgreiche Familienserie im Ersten (neue Folgen ab Dienstag, 10. September, 20.15 Uhr). Knapp fünf Millionen schalteten zuletzt regelmäßig ein. Gar nicht altmodisch ist hingegen das Leben der Exil-Österreicherin Lanz. Wenn die 48-Jährige nicht vor der Kamera oder auf Bühnenbrettern steht, sieht sie Pflanzen beim Wachstum zu oder macht sich Gedanken darüber, wie der Mensch seine Selbstvernichtung noch aufhalten könnte. Ein Interview mit der Tierärztin, die zu Hause nur eine freilaufende Katze hält, sich aber zu Bäumen hingezogen fühlt.

teleschau: Frau Lanz, wenn eine sehr erfolgreiche Serie für sechs Staffeln 14 Jahre benötigt, dann stimmt doch etwas nicht - oder?

Elisabeth Lanz (lacht): Die Langsamkeit der Serie ist mein Glück. Es hat sich so eingependelt, dass wir eine Staffel über zwei Jahre drehen. Und das ist auch gut so, da alles seine Zeit benötigt, um die Qualität zu halten. Zudem ist der Dienstagabend ein sehr umworbener Sendeplatz, an dem viele beliebte Formate ausgestrahlt werden.

teleschau: Haben die Pausen auch mit der Zoo-Logistik in Leipzig zu tun?

Elisabeth Lanz: Vielleicht, ein bisschen. In den kälteren Monaten gibt es im Zoo natürlich weniger zu sehen - außer mehr Laub. In der Regel drehen wir eine Staffel in zwei Blöcken. Gleich in der ersten Staffel mussten wir unterbrechen, da ich zu der Zeit schwanger war. So drehten wir die Staffel in einem zweiten Block weiter. Also, es liegt nicht immer an den Tieren (lacht).

"Neulich hatte meine Tochter plötzlich ein Rehkitz auf dem Arm"

teleschau: Sind Sie über die vielen Jahre nicht selbst zur halben Tierärztin geworden?

Elisabeth Lanz: Nein, so etwas würde ich mir nicht anmaßen. Natürlich versuchen wir immer, interessante Tiergeschichten zu finden und zu erzählen. Sie sollen auch - neben den menschlichen Problemen - im Mittelpunkt stehen. Doch dafür gibt es tiermedizinische Berater. Ich bin weit davon entfernt, selbst Diagnosen stellen oder Tiere behandeln zu können. Ein ehemaliger Zoodirektor aus Leipzig ist einer unserer wichtigsten Berater. Das sind Leute, die der Serie enorm weiterhelfen. Allerdings lese auch ich die Zeitung oder das Internet anders, seit ich Tierärztin Dr. Mertens spiele.

teleschau: Wie meinen Sie das?

Elisabeth Lanz: Zum Beispiel las ich neulich, dass die Polizei eine Frau im Auto anhielt und neben ihr saß ein Känguru. So etwas macht natürlich neugierig. Da will ich wissen, was ist der Hintergrund. Neulich hatte meine Tochter plötzlich ein Rehkitz auf dem Arm. Sie hatte es gefunden und wusste nicht, dass sie es nicht mit nach Hause nehmen darf. Also setzten wir uns schnell ins Auto - mit dem Rehkitz - und fuhren in den Wald zu jener Stelle, wo sie es gefunden hatte. Danach gaben wir dem Förster Bescheid, damit er die Sache im Auge hat. Um gute Geschichten mit Tieren zu finden, braucht es manchmal nur so ein Ereignis aus dem Alltag.

teleschau: Haben Sie Haustiere?

Elisabeth Lanz: Eigentlich nur eine freilaufende Katze. Eine, die auch mal durchhält, wenn ein paar Tage lang niemand da ist. Sie wird auch von den Nachbarn versorgt. Kürzlich ist der Gedanke aufgekommen, dass wir uns einen Hund anschaffen. Das wäre dann natürlich eine andere Verantwortung. Mal sehen, was passiert.

"Seit ich mich auch mit Pflanzen beschäftige, fühle ich mich irgendwie geerdeter"

teleschau: Es klingt danach, als würde sie naturnah wohnen ...

Elisabeth Lanz: Ja, wir wohnen ländlich - zwischen Regensburg und Landshut. Ich bin zwar auch ländlich aufgewachsen, lebte aber danach zehn Jahre in Wien. Eigentlich fühle ich mich immer noch als Städterin. Aber - als wir dann eine Familie waren - kam das Bedürfnis nach mehr Ruhe auf. Insofern zog es uns aufs Land. Ich bin durch die Arbeit oft an unterschiedlichen Orte. Da tut so ein echter Ruhepol gut.

teleschau: Sind Ihre Interessen andere geworden, seit sie auf dem Land leben?

Elisabeth Lanz: Ja, durchaus. Die Beschäftigung mit Pflanzen fand ich früher sterbenslangweilig. Heute trifft das genaue Gegenteil zu. Ich interessiere mich für Permakultur, also für nachhaltige Konzepte rund um Landwirtschaft und Gartenbau. Ich baue auch eigenes Obst und Gemüse an und experimentiere damit. Das ist absolut faszinierend.

teleschau: Welche Pflanzen interessieren Sie?

Elisabeth Lanz: Ich fing mit Bäumen an. Ich pflanzte einen Schmetterlingsbaum. Auch einen Feigenbaum. Auch Lavendel und Ingwer. Nun habe ich auch einen Nussbaum, aber der bereitet mir gerade ein wenig Kummer (lacht).

teleschau: Was machen Pflanzen mit Ihnen - wenn Sie sich nicht gerade um sie sorgen?

Elisabeth Lanz: Eigentlich machen sie mir vor allem Freude. Toll finde ich, dass ich mir heute sogar die Namen der Pflanzen merken und sie in der Natur entdecken kann. Das fiel mir früher enorm schwer. Ich bewunderte es zwar, wenn Menschen jeden Baum, jedes Gras erkannten, aber ich selbst war immer total ahnungslos. Ich war früher stark aufs Psychologische, auf den Menschen fixiert. Seit ich mich auch mit Pflanzen beschäftige, fühle ich mich irgendwie geerdeter.

"Es ist schön, Bäumen beim Wachsen zuzusehen"

teleschau: Haben Sie eine Theorie, warum Pflanzen auf so viele Menschen eine beruhigende, ja glücklich machende Wirkung haben?

Elisabeth Lanz: Ich empfehle Ihnen, selbst etwas zu pflanzen und zu schauen, wie es wächst. Genau das schafft eine starke Verbindung. Man bekommt ein Gefühl für Erde. Es gibt gute Gemüseerde und gute Blumenerde. Es gibt Kompost. Über alle unterschiedliche Arten von Erde kann man sich freuen - wenn es gute Erde ist. Zudem entwickelt man mit Pflanzen auch ein anderes Bewusstsein für die Zeit.

teleschau: Weil alles langsamer ist?

Elisabeth Lanz: Es ist schön, Bäumen beim Wachsen zuzusehen. Oder mit ihnen zu hoffen, dass eine Umpflanzung funktioniert. Meinen Nussbaum habe ich vor sechs Wochen verpflanzt. Da ist die psychologische Verbindung noch nicht so eng (lacht). Meinen Trompetenbaum allerdings pflanzten wir vor über zehn Jahren ein. Wenn ich sehe, wie er wächst und gedeiht, freue ich mich jeden Tag darüber.

teleschau: Bekommt man, wenn man älter wird, ein größeres Bewusstsein für das Mächtige der Zeit?

Elisabeth Lanz: Man bekommt mit dem Älterwerden auf jeden Fall ein Gefühl für Wertigkeiten und Prioritäten. Und ja, na klar, Pflanzen und vor allem Bäume symbolisieren mit ihrer zum Teil langen Lebensdauer natürlich auch unsere Vergänglichkeit. Weil sie oft länger da sind als wir - und sich dabei sehr viel genügsamer verhalten.

"Ich würde mir wünschen, dass wir wieder mehr mit Visionen konfrontiert werden"

teleschau: Was tun Sie, wenn Sie gerade nicht mit Tieren oder Pflanzen beschäftigt sind?

Elisabeth Lanz: Das Theater ist mir sehr wichtig. An einem Stück acht Wochen oder länger zu arbeiten, hat auch etwas mit hoher Wertigkeit zu tun. Gerade heute, wo durch die neuen Medien Dinge nur noch in einem enormen Tempo rausgefeuert werden, hat die Langsamkeit und Präzision der Arbeit am Theater einen großen Reiz für mich. Manchmal jongliere ich einen Satz acht Wochen hin und her und überlege, wie ich ihn am besten ausspreche. So, dass er die größtmögliche Wahrheit transportiert. In solchen Momenten ist es fast ein bisschen so, als würde man einer Pflanze beim Wachsen zusehen.

teleschau: Würden Sie sagen, dass Sie genügend Zeit haben?

Elisabeth Lanz: Wer würde das heutzutage schon noch sagen? Ich habe nicht das Gefühl, dass ich genug Zeit habe. Natürlich bin ich privilegiert, dass ich so arbeiten kann, wie ich es beschrieben habe. Andererseits verbringen wir heute alle so viele Stunden vor technischen Kommunikationsgeräten und klicken ständig Datenschutzbestimmungen an, dass ich gar nicht mehr weiß, wer in der westlichen Welt überhaupt noch sagen kann: Ich habe genug Zeit für alles. Ich denke viel über unsere Gesellschaft, die Politik über unsere Umwelt nach. Ich denke darüber nach, wie man es schaffen kann, endlich mehr zu tun.

teleschau: Sie meinen, was Sie selbst tun können?

Elisabeth Lanz: Ja, auch das. Es geht mir darum, was man tun kann, um eine neue Kultur des Umgangs mit den Problemen unserer Zeit zu finden. Es geht mir auf die Nerven, wenn sich alle Welt empörend über Dinge äußert, die ohnehin für jeden eine Belastung sind. Wir wissen alle, dass es so nicht weitergehen kann. Ich würde mir wünschen, dass wir wieder mehr mit Visionen konfrontiert werden anstatt mit Jammern über den schlechten Status Quo.

teleschau: Haben Sie einen Vorschlag, wie wir das erreichen können?

Elisabeth Lanz: Einfach mal was tun, anstatt wochenlang über dasselbe Thema zu jammern. Jeder empört sich, dass man endlich etwas gegen Plastik tun müsste. Gleichzeitig unternehmen wir aber nichts, um diese - natürlich wirklich schlimme - Situation zu ändern. Stattdessen könnte man eine Gruppe aufmachen und den Strand, Park oder Wald säubern. Es ist nur ein Beispiel, aber ich finde, dass wir viel öfter konstruktiv handeln und weniger jammern sollten. Dann bekämen wir auch eine andere Dynamik in unsere Gesellschaft und unsere Zeit.