Lanz und Precht fordern mehr Ehrlichkeit in Migrationsfragen: "Da kommen nicht nur gute Menschen"

"Offenbar haben wir ein riesiges Problem in der Vermittlung von Informationen", berichtet Markus Lanz (rechts) seinem Podcast-Kollegen Richard David Precht. (Bild: ZDF / Christian Bruch)
"Offenbar haben wir ein riesiges Problem in der Vermittlung von Informationen", berichtet Markus Lanz (rechts) seinem Podcast-Kollegen Richard David Precht. (Bild: ZDF / Christian Bruch)

Im ZDF-Podcast "Lanz & Precht" berichtet Markus Lanz von beängstigenden Zuständen an der amerikanisch-mexikanischen Grenze. Doch auch in den USA selbst hat der TV-Talker bei einer Reise Erschreckendes beobachtet.

Zum ersten Mal in der Geschichte der Vereinigten Staaten ist ein Ex-Präsident strafrechtlich verurteilt worden. Noch ist Donald Trump nicht offiziell republikanischer Präsidentschaftskandidat, doch auch als verurteilter Straftäter könnte er im Herbst ein zweites Mal zum US-amerikanischen Staatsoberhaupt gewählt werden. "Trump wird alles verziehen, während Biden nichts verziehen wird", muss auch Markus Lanz in der aktuellen Folge des ZDF-Podcasts "Lanz & Precht" feststellen, als er von einem mehrtägigen Dreh in den USA berichtet.

Lanz' Eindruck: "Offenbar haben wir ein riesiges Problem in der Vermittlung von Informationen." Dies läge "nicht nur" an Trump, sondern auch an den neuen Technologien, die in der Lage seien, "die Dinge komplett zu manipulieren". Im Gespräch mit seinem Podcast-Kollegen Richard David Precht schildert der Talkshow-Moderator: "Die Hälfte der Amerikaner glaubt, dass die Wirtschaft gerade schrumpft, obwohl sie wächst. Die Hälfte der Amerikaner glaubt, dass die Arbeitslosenzahlen auf einem 50-Jahres-Hoch sind, obwohl sie fast auf einem 50-Jahres-Tief sind. Und die Hälfte der Amerikaner glaubt, dass die Inflation irgendwo jenseits von zehn Prozent ist, obwohl sie in Wahrheit runter ist auf drei bis vier Prozent."

Markus Lanz berichtet in seinem Podcast von einer USA-Reise. Der Film, der dort entstanden ist, soll im Herbst im ZDF laufen. (Bild: ZDF / Christian Bruch)
Markus Lanz berichtet in seinem Podcast von einer USA-Reise. Der Film, der dort entstanden ist, soll im Herbst im ZDF laufen. (Bild: ZDF / Christian Bruch)

Lanz über Trump und Co.: "Die brauchen dieses Chaos"

Die Lage in den USA sei besser als die Stimmung im Land, resümiert Lanz. Auch das Thema Migration sei deutlich komplexer, als populistische Parteien und Politiker wie Trump die Leute glauben machten. Für eine für den Herbst geplante ZDF-Dokumentation seien Lanz und sein Team in die Vereinigten Staaten gereist, weil sie "verstehen wollten, was da eigentlich wirklich passiert an dieser amerikanisch-mexikanischen Grenze". Migration sei laut Lanz "das große Wahlkampfthema" in den USA - auch, weil es "unfassbar leicht zu verhetzen" sei.

"2023 sind 3,2 Millionen Menschen von Mexiko illegal in die USA gekommen. Das ist ja fast die Einwohnerzahl Berlins", weiß Precht. Auch für ein riesiges Land wie die USA sei dies "nicht so einfach zu absorbieren", ergänzt Lanz. Nichtsdestotrotz seien vermeintliche Lösungen wie die Grenzmauer, die Trump einst forciert hatte, zu kurz gedacht. "Mitten durch die Grenzstädte hindurch geht die große Mauer, und die ist quasi kaum zu überwinden", erklärt Lanz. "Wenn du aber noch mal zehn Meilen raus aus dieser Stadt gehst, dann endet diese Mauer plötzlich. Dann hast du da so einen kleinen Stacheldraht." Letzterer sei für die meisten Menschen mühelos zu überwinden.

Lanz ist sich sicher: Populistische Politiker wie Trump, "die immer so die ganz einfachen Lösungen anbieten", seien nicht an einer tatsächlichen Verbesserung der Situation interessiert. "Die Wahrheit ist: Die wollen gar keine Lösungen. Die wollen gar nicht, dass Dinge gelöst werden, weil dann gibt es sie nicht mehr. Die brauchen dieses Chaos", stellt er klar.

Beängstigende Zustände an Mexikos Grenze

In Reynosa, einer Grenzstadt im mexikanischen Bundesstaat Tamaulipas, habe Lanz Erschreckendes beobachtet. "Es gibt ein Business, das ein noch viel größeres Business ist als das Drogengeschäft und wahrscheinlich das Waffengeschäft", beschreibt er. "Und das ist das Milliarden-Dollar-Geschäft mit armen Migranten. Damit kannst du Geld verdienen, das ist unvorstellbar." Man könne, so Lanz, "mit armen Menschen unfassbar viel Geld verdienen".

Wer den Rio Grande überqueren und somit die Grenze zwischen Mexiko und den USA passieren wolle, müsse oft hohe Summen dafür zahlen. "Wenn du das Ufer betrittst, steht dann der Typ vom Kartell da und verlangt 3.000 Dollar. Und das kann der, weil er eine Waffe hat und der andere nicht. Dann werden die Leute bedroht und notfalls auch erschossen."

Entführungen seien gang und gäbe, auch sexuelle Gewalt sei keine Seltenheit. "Frauen, die sich auf die Reise machen, besorgen sich vorher die Anti-Baby-Pille. Weil sie eigentlich davon ausgehen müssen, irgendwo auf diesem Weg mindestens einmal vergewaltigt zu werden - von Schleusern, von irgendeinem von diesen miesen Typen, die man irgendwo auf diesem Weg trifft", erklärt Lanz.

"Das würde so viel Schärfe aus dieser Diskussion rausnehmen"

Traurige Geschichten gebe es an der amerikanisch-mexikanischen Grenze "zuhauf", macht der 55-Jährige deutlich. Dennoch sei es wichtig, auch die andere Seite zu beleuchten - denn auch kriminelle Ex-Kartell-Mitglieder überquerten Lanz zufolge die Grenze. "Zu dieser Art von Ehrlichkeit müssen wir in der Lage sein, auch politisch. Und nicht die ganze Zeit die Legende erzählen, da kommen ausschließlich gute Menschen mit nur guten Absichten." Dies sei "schlicht und ergreifend nicht wahr", betont Lanz.

Auch Precht wünscht sich weniger Schwarz-Weiß-Denken in Migrationsfragen. "Das würde so viel Schärfe aus dieser Diskussion rausnehmen."