Lanz spricht mit Precht über Gaza-Besuch: "Der finsterste Ort, an dem ich je war"

 

Wie geht es nach den Terror-Attacken weiter im Nahen Osten? Markus Lanz und Richard David Precht tauschten sich in ihrem Podcast über Ursachen und Perspektiven aus. Lanz berichtete von einer erschütternden Reise in den Gazastreifen. Precht fürchtet einen Krieg, der "das Ende von allem" wäre.

"Am Ende sitzt dann die Hamas und sagt: Guten Tag, die Ausweise bitte." So beschreibt Markus Lanz (rechts) Richard David Precht den Grenzübergang nach Gaza-Stadt. (Bild: ZDF / Christian Bruch)
"Am Ende sitzt dann die Hamas und sagt: Guten Tag, die Ausweise bitte." So beschreibt Markus Lanz (rechts) Richard David Precht den Grenzübergang nach Gaza-Stadt. (Bild: ZDF / Christian Bruch)

Eben erst ist Markus Lanz von einer Reportagereise durch die Ukraine heimgekehrt. Über seine Erlebnisse sprach er in insgesamt zwei Podcast-Folgen mit seinem Gesprächspartner Richard David Precht. Jetzt brachte die Aktualität der Ereignisse im Nahen Osten die beiden Podcaster zu einem neuen Kriegsschauplatz. Abermals konnte Lanz dabei mit Eindrücken aus erster Hand dienen. Er hat sowohl Israel als auch den Gazastreifen vor einiger Zeit bereist.

Letzteres gestaltete sich nicht ganz einfach, wie er in Folge 110 der ZDF-Produktion "Lanz & Precht" erklärte: Bei der Einreise in den "finstersten Ort, an dem ich je gewsen bin", hätten er und sein Team Glück gehabt. Denn ob man nach Gaza reinkomme oder nicht, sei recht willkürlich. "Der Sinn dieses Grenzpostens ist es eben nicht, Menschen zusammenzubringen", sondern "keinen durchzulassen". Dann gelange man durch einen langen Gitterkorridor nach Gaza-Stadt: "Am Ende sitzt dann die Hamas und sagt: Guten Tag, die Ausweise bitte!"

Markus Lanz hat einst Israel und den Gazastreifen bereist. Seinem Podcast-Kollegen Richard David Precht schildert er in der aktuellen Folge seine Eindrücke. (Bild: ZDF / Christian Bruch)
Markus Lanz hat einst Israel und den Gazastreifen bereist. Seinem Podcast-Kollegen Richard David Precht schildert er in der aktuellen Folge seine Eindrücke. (Bild: ZDF / Christian Bruch)

 

Markus Lanz geißelt "große Lebenslüge" des Westens

Was Lanz vor Ort erlebte, hat ihn tief beeindruckt: Die Kinder und Jugendlichen seien wie überall auf der Welt "völlig unverdorben", aber "die haben alle schlimme Dinge erlebt". Die Menschen in Gaza würden von der Hamas "als Geisel" genommen. Die radikalislamische Terrorgruppe sei erkennbar nicht darauf aus, je Frieden mit Israel zu schließen. "Das ist, glaube ich, eine große Lebenslüge", mit der man im Westen aufräumen müsse, forderte Lanz.

Nehme man die extrem dicht besiedelte Stadt in Augenschein, frage man sich direkt, wo all die Millionen an Hilfsgeldern hinflössen, bei all der Armut und Perspektivlosigkeit. Zwischen all den halb zerfallenen Hochhäusern entdeckte Lanz "so komische Villen mit ganz viel Bling Bling". Seine Erklärung: "Das sind natürlich die Häuser von Hamas-Funktionären." Eine funktionierende Kläranlage gebe es hingegen nicht, "das Meer davor ist eine Kloake".

Richard David Precht zeigt sich bezüglich einer Lösung des Nahost-Konflikts auf absehbare Zeit pessimistisch. Ein US-Flugzeugträger bereitet ihm zudem Sorgen. (Bild: ZDF / Christian Bruch)
Richard David Precht zeigt sich bezüglich einer Lösung des Nahost-Konflikts auf absehbare Zeit pessimistisch. Ein US-Flugzeugträger bereitet ihm zudem Sorgen. (Bild: ZDF / Christian Bruch)

 

Lanz: "Politisch ist Netanjahu für immer erledigt"

Lanz macht religiösen Fanatismus "auf beiden Seiten" als Wurzel des Konflikts aus. "Da ist auch in der jüdischen Gesellschaft etwas entstanden, was sehr gefährlich ist." Der ZDF-Talker, der schon etliche Reisereportagen drehte, sprach damit die Ultraorthodoxen an, welche den vor allem in Tel Aviv lebenden liberal denkenden Juden nicht nur Sorge, sondern sogar Angst machen würden.

Diese streng Religiösen verursachten "ritualisiert Stress", etwa am Freitag, wenn Muslime auf dem Weg zum Gebet wären und von ihnen schikaniert würden. "Das findet alles statt ohne größere Emotionen." Lanz weiter: "Da habe ich damals auch verstanden, was Religion für eine Macht hat über Menschen." Von den Auswirkungen religiöser Regeln auf das Leben der Ultraorthodoxen "machen wir uns keine Vorstellung". Es sei wahnsinnig anstrengend, so gottgefällig zu leben.

Und noch einen folgenreichen Zusammenhang zeigte der ZDF-Moderator auf: Die Ultraorthodoxen bekämen mehr Kinder als die Liberalen. "Gegen diese immer größer werdende Wählerschicht kannst du nicht Politik machen." Deshalb rücke das Land politisch unweigerlich nach rechts.

Bei den jüngsten Angriffen der Hamas habe das fatale Konsequenzen gezeitigt: Kräfte der israelischen Armee, Sicherheits-Spezialisten, seien im Westjordanland gebunden gewesen, um dort radikale Siedler zu schützen. Im Süden, in der Nähe des Gazastreifens, "wo es potenziell immer gefährlich ist", sei hingegen der Schutz feiernder junger Menschen bei einem Festival nicht gewährleistet gewesen. Lanz ist sich mit Blick auf den israelischen Präsidenten sicher: "Politisch ist Netanjahu für immer erledigt, das werden die dem nie mehr verzeihen."

Richard David Precht hat Angst: "Das wäre das Ende von allem"

Richard David Precht zeigte sich zumal nach diesen Schilderungen im Podcast pessimistisch, dass sich bei all dem Hass noch etwas zum Guten wenden könnte. Er habe zu seinem Sohn schon einmal gesagt: "Diesen Konflikt, den werden auch deine Enkel noch erleben." Er sehe - insbesondere nach den Gräueltaten der Hamas zuletzt - "überhaupt keine Hoffnung und überhaupt keine Perspektive". Lanz entgegnete: "Ich tatsächlich schon." Wenn man mit jungen Menschen auf beiden Seiten spreche, habe man das Gefühl, "die haben unfassbar genug davon".

Auch die kurz- und womöglich mittelfristigen Folgen der jüngsten Ereignisse kamen im Podcast zur Sprache. "Wozu schicken die USA einen Flugzeugträger?", fragte Precht. Der Philosoph teilt den Verdacht: "Es geht gegen den Iran", der den Hamas-Terror unterstützt. "Meine ganz große Befürchtung ist - und das wäre sozusagen das Ende von allem - wenn es dann zum Krieg zwischen Israel und dem Iran käme." Prechts Sorge: Israel bekomme durch die Verbrechen der Hamas "eine Art Freibrief, und du weißt nicht, wofür der langfristig genutzt wird". Ihm mache das Angst.

Markus Lanz, der sein Vertrauen in US-Präsident Joe Biden ausdrückte, interpretierte die Anwesenheit des US-Flugzeugträgers anders: "Ich glaube, da geht's um eine Drohgebärde." Gemeint war eine Abschreckung gegenüber dem Iran, Syrien und der libanesischen Hisbollah, die potenziell weitere Fronten gegen Israel eröffnen könnten.

Video: Drohende Bodenoffensive: Israel ruft zur Evakuierung im Norden von Gaza auf